Juni 2026

 

Teschuwa      

 

 

Ausdehnung – Krümmung – Rückkehr: die Form ist entscheidend. Sprache – aber welche Form? Es ist die Frage der Mitteilung: wer teilt sich wem mit und wie? Und ist das Sein mit-teilbar? Das Opfer wird sein: Alleingang. Es meint den Gang in der Zwiesprache mit dem, dem man sich verdankt, der das Wort (lógos) ist. „Ist“ meint: Sein und Sein ist dicht, hat keine Abständigkeit. Man teilt sich also mit ohne Abständigkeit – weil es Sein bezeugt: Zeuge des Seins. Ich stelle mir das vor: der Ruf und keiner „antwortet“, keiner hört den Ruf und so scheint alles in der Sprache eine Verwirrung (Babel). Wer hört den Ruf und wer gibt Antwort: kein Echo, keine Maschine. Es ist also etwas Ein-Gemachtes, wesentlich kaum mit-zu-teilen. Und wenn also Antwort käme? Was „ist“ dann? Dann ist Ent-Sprechung. Ent-Sprechung ist kein Echo mehr.

 

Warum das alles? Die Antwort in all diesen Dingen liegt: im „Tun“. Es ist „zu tun“. Das oftmalige Nachfragen bringt eine Abständigkeit in die Dichtigkeit des Seins, man findet sich dann ausrangiert, am Abstellgleis der Spekulation. Zwischen dem Sein in Dichtigkeit und dem spekulativen Dasein entsteht ein Riss: es kann dann die Entsprechung nicht mehr sein. Man kann sagen: der Mensch fällt vom Existenzial des Zuhandenseins in den der Vorhandenheit (Objektivität). Das Kennzeichen dieses Falles (Sturz, ruina) ist die Beziehungslosigkeit. Im Modus der Vorhandenheit existierend schlägt man im Unendlichen der Möglichkeiten auf – Beziehung als Qualität der Existenz ist nicht mehr möglich, das Rechenbare ist Mittelpunkt der Welt.

 

Zunächst gibt es wirklich eine Vor-Bedingung. Bedingung meint den horizontalen Anspruch des Um-zu, die Kausalreihe, das: wenn dies – dann das! In engen Grenzen hat dieser Anspruch seine Gültigkeit, er wird aber zur pervertierten Ersatzanschauung, zum Götzen, dann, wenn die Dimension der Schöpfung verloren geht, wenn die Grundlage der Existenz nur mehr horizontal verortet wird. Dennoch will ich von einer Bedingung gerade im geistigen Leben (und Leben ist doch nur im Geist Leben) sprechen: das ist das „Zuhören-vermögen“. Immer mehr zeigt sich, dass der heutige Mensch dieses Vermögen nicht mehr hat. Zu-hören meint Auf-nehmen, essen, Mahl halten. Wer dieses Mal-halten nicht vermag, ist schwer krank – obzwar gerade der Unvermögende in diesen Dingen gerade meinen wird, er höre doch genau hin, höre zu. Gerade das ist nicht der Fall.

 

Wer ist nun der, der zu hören „vermag“? Es meint die potentia oboedientialis und meint das „Horchen“  - Karl Rahner nennt diesen Titel in seinem Buch: Hörer des Wortes. Der Hörer ist aber derjenige, der zuvor zugleich der Gerufene ist, er vernimmt den Ruf und daher ist er der An-Gerufene und somit der Ge-Rufene. Wer immer auch „hört“, der hört den Ruf. Welchen Ruf und wer ruft? Im Begriff der „Krümmung“ liegt der Ruf, so auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Denn: wie kommt es, dass der Mensch, unglaublich horizontal weit abgeglitten „plötzlich um-kehrt“ (teschuwa)? Wie kommt es, dass eine alte, eingefahrene und gewohnte Lebensart plötzlich umschlägt? Es gibt rein rechnerisch und wissenschaftlich dazu keinen Anlass, im Gegenteil. Der Umkehrende „vernimmt“ einen Ruf, der ihn zu den Grundlagen seines Da-seins zurück-ruft. Man kann daher auch sagen: Der Hörer ist zugleich der Annehmende, der Empfänger, der schon „praktiziert“ (aktiv im Hören): fiat mihi. Krümmung und Rückkehr gehören daher zusammen. Der verlorene Sohn kehrt heim zum „Vater“, zu seinem Schöpfer, zu seinem Ursprung, zu dem, dem er sich ganz ver-dankt. "Wo bist du" (Genesis 1, 3) ruft der Vater den Adam (uns). Es ruft in den Tiefen der Existenz immerzu (Heidegger, "Welt - Endlichkeit - Einsamkeit") - der Ruf gleicht diesem schweigenden Nebel, der hin- und herzieht und meistens nicht mehr vernommen wird. 

 

Mensch-sein beginnt eigentlich mit diesem Ruf, der allem Hören zuvor-kommt. Wäre dieser Ruf nicht, der Mensch wäre aussichtslos horizontal ver-multipliziert. Somit hat der Ruf auch eine "Richtung": es ist der vertikale Ein-Bruch.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

03.02.2024

 

MYSTERIUM DES WORTES

 

Im Beginn II

 

 

Freitag-Mittag, heißt es, sind wir Menschen geschaffen. Es ist die 6. Stunde, es ist Freitag-Mittag – ob das im Detail so stimmt, ist jetzt nicht maßgeblich. Der Rausch der Welt: Versuchung zum Hier und Jetzt – und alles sei „jetzt erreicht“ – oder erreichbar. Augen öffneten sich, blind zur Einsicht, scharf im blinden Sehend-sein: und der Tod „ist“, das Sterblich sein wird „gesehen“, es meint: es wird das Weggehen hier „absolut“ genommen, als Letztes. So etwas aber verdrängt man lieber im Horizontalen, das doch alles sein will. Lieber die Ein-Richtung, nur die eine (horizontale) Richtung, es nicht herankommen lassen, es nicht zu-lassen: dass es doch „mich“ angeht und nicht ein historisches Faktum. Verdrängt wird die Faktizität des Todes aber viel mehr noch wird die „Auferstehung der Toten“ verdrängt, nicht zuglassen. Man ist dem Gesetz verpflichtet. Gerne habe ich die Fakten des Historischen, schon im Gebet: ein Plappern wie die Heiden, heißt es.

 

Die Schöpfung „sei“ voll-kommen. Der 6. Tag sei sogar „sehr gut“. Es gibt in der Wahrheit nichts zu korrigieren. Korrektur ist: Nicht-einverstanden sein, nörgeln, jammern, es verbessern wollen, ausbessern, die Zustände beweinen, unzufrieden sein, überall ein Ungenügen entdecken wollen: schwarz sehen, persönlich, sozial, international. Todes-Atem, Pest-Hauch: alles sei kontaminiert mit Gift, Abhilfe gibt mir dann in diesem Elend der Rausch, die temporäre Betäubung im Horizontalen: nur nicht weiter (darüber hinaus) denken. Rausch: ich will mich hier und jetzt taub stellen zum Ewigen, will hier und jetzt ein Gefühl haben -  das reicht mir schon.

 

Korrektur? Korrektur der umsonstigen (vollendeten) Gabe? Widersinnig, unsinnig, wahn-sinnig! Eben noch veräußert, der „Haut“ geschuldet – schon in der Sprache. Super-Mensch (Super-bia): hoch aufgeragt, überragend, migdal, der höchste Turm: sie da, aus Magdala; aber zerbrochenes Gefäß, Umkehr. Das Annehmen der vollendeten Gabe ist im Wesen bei Weitem schwieriger als das Planen und Machen wollen. Die Empfängnis wird abgelehnt. Warum eigentlich? „Nehmen“: das Dargebotene besitzen, gestalten, sich einverleiben wollen, meinen: es gehört mir, ist mein Besitz, mir überlassen. Das Überlassene, Geschenkte: be-anspruchen, als Eigenbesitz reklamieren. Ist man schon zufrieden mit der geköpften Gabe?

 

Die Kraft in mir mehr zu wollen als gegeben ist: Einverleibung, nehmen, stehlen, das Geschenkte als Geschenktes missachten: super sein wollen. Es ist Freitag: was heißt Realität? Etwas wird Realität, kommt ins Sein, ist da – eine res, eine Sache, ein Ding, ein: Etwas – sinnlich oder nicht, einerlei. Ich hatte keine „Fragen“ mehr, sagte der Säufer, besoffen von Welt, vom Horizontalen. Ich wollte lieber faul sein, schläfrig dahindämmern, imposant im Ehrgeiz, imperial im Gehabe, erfolgreich am Konto. Nicht genommen haben, nicht gegessen haben: eine Option? Dann aber gäbe es nicht – das, was „ist“. Die Geschichte wäre zu Ende. Dass sich die Augen öffnen, wäre nicht und dass einer im Dreck der Schweineschoten zur Besinnung kommt, wäre nicht möglich – also „Realität“. Milch schon – aber die „feste Speise“ (Hebräer)?

 

Keine Fragen mehr zulassen, keine wirklichen Fragen, das sind solche, die „sich fragen“. Lass´ die Toten ihre Toten begraben: tot sein: ich habe keine Fragen mehr, bin zufrieden, fett an Horizontalem: gib´ mir den „Stoff“ der Welt, das langt mir für den Moment, das reicht schon, ich will nicht mehr, will horizontal bescheiden sein: Fett der Horizontale. Mit dem Nehmen und Essen (Gen 3) schließt sich das Mysterium, das Fragen geht weg. Hast du nie wirklich gefragt, warst du nie lästig an Fragen, Toter? Ich kenne dich nicht! Nicht Realität werden könnte sein: nicht leben, da sein, keine wirkliche Wirklichkeit (Freiheit) bei sich haben. Ich brauche daher einen „Wirten“, eine Basis zur Verwirklichung. Parasitär ist die Macht, die von Ewigkeit her keine Realität werden konnte: Freitag-Nachmittag: 9. Stunde. Nicht aus sich selber leben können: ich benötige den und den und den dazu, um zu sein – fahre in den hinein, dann kann ich sein, mit-sein. Mein gefallenes Sein: nur ein Mit-sein.

 

Wie schmal ist doch der Pfad: das Denken / ein Danken. Das Denken aber auch ein Fluch der denkerischen Korrektur, die Verirrung: das Vollkommene (die Schöpfung) sei zu verbessern, zu verändern, nur zu gebrauchen. Ein anderes Wort für Korrektur: Erklärung. Der Super-Mensch ist krank an Erklärungen, sein Sein ist krank-erklärt. Wie schmal ist doch der Pfad: die Er-klärung / die Ver-klärung. Kreuzigung: der Super-Mensch kann nicht Realität werden, es ist durch-kreuzt, für immer, in Ewigkeit. Der Hass des horizontalen Absolutismus liegt auf diesem erlösenden Geschehen. Unfertig zur Realität ist der Anti-Christ, er wird durchkreuzt, geschlagen. Einer, der geschlagen wird, der will sich rächen, der will Vergeltung, Rache, Blut-Durst. Das Unfertige benötigt die Realitäten, braucht unbedingt die zum Sein Fertigen und Zugelassenen. Freitag: Katastrophen-Tag, Erlösungs-Tag, verkürzter Tag: der horizontale Absolutismus kann nicht Realität werden: Kreuzigung.

 

Warum sollte in die vollkommene Ruhe die Störung kommen? Also die Unzufriedenheit, Depression, Melancholie, Resignation – aber auch: Optimismus, Sozialismus, Progression – einerlei: Störung ist beides, dies oder das. „Nehmen und Essen vom Baum“: ist schon diese Störung. Der Super-Mensch stört dann ohne Unterlass: mit Programmen der Welt-Erlösung. Dass die Dinge „sehr gut sind wie sie sind“: Gelassenheit also, das ist dem Depressiven als auch dem Progressiven ein Gräuel. Einverstanden sein mit der geschenkten Gabe: ich zwinge dich, so zu tun! Nein, was wäre das für ein Geber, der zwingt? Du musst so und so tun, sonst aber…, wehe dir! Im horizontalen Absolutismus wimmelt es von Braven, von Gehorsamen des braven Tuns, von Befehlsempfängern! 6. Tag: Freitag, Kar-Freitag. Gibt es nur den 6. Tag? Kann man nicht glauben, dass das Grab leer ist, schon am und im 6. Tag? Welt vom 7., Welt vom 8. Tag? Realität – Hebräer, 11. Kapitel? Dass es eben nicht horizontal immer so weiter geht, sondern „auf-hört“ – also auf-steht (Auferstehung)? Der 7. Tag ist heilig, ist vollendet – die Schöpfung ist vollendet, ganz, völlig in Ordnung. Jede Störung wäre Aufruhr, jedes eigenmächtige Tun Auflehnung. Voll-endung: es endet, hört auf, legt sich zur Ruh´.

 

6. Tag: sehr gut; nicht nur „gut“ wie die anderen Schöpfungs-Tage – nein, „sehr gut“ – Tag der Erschaffung des Mensch-seins. Wer erzählt noch davon? Und doch hier die Kreuzigung, am Tag, zur Stunde, da alles „sehr gut“ ist? Wer mag das verstehen? Der Verstand scheitert, es gibt hier keinen Zutritt für den Verstand; es ist der Tag der Erlösung, verkürzter Tag – Tag der ewigen Vernichtung des Super-Menschen; bedingter Tag seiner flüchtigen (auf der Flucht) Existenz, die keine Substanz an sich hat. Es hat hier Eile mit dem geschäftigen Tun, man eilt sich zur Vollendung, zum Vollkommenen: es ist jetzt doch nichts mehr zu tun! Korrektur ist doch „Irritation“, gewiss „Aggression“ – Angriff: man ist un-zufrieden und muss es sein, denn das Sein empfindet man als unfertig, unschön, als Mangel, als verbesserungswürdig. Nicht nur das Sein erfährt man in dieser Art, vielmehr noch das Seiende. Der Super-Mensch, kann man sagen, will die Ruhe, die Vollkommenheit, er will die „Vollendung“ nicht wahr-nehmen, die doch dem 6. Tag folgt. Mit dem „Sterben hier“ (was wir so nennen), ist es nicht aus – vielmehr fängt mit dem Sterben hier alles „neu“ an. Wo „diese Ruhe“ anwest, diese Vollendung, da kann man doch nichts mehr tun – jedes Tun wäre Irritation, es meint: jede Absicht wäre Leugnung der Vollendung. Man will im horizontalen Absolutismus: „mehr“ – Quantität: viel, mehr, oft, es zählt das Quantum, die Produktion ohne Ende, das Massenhafte, Neuerscheinung, Häufigkeit – die Zeitung von heute ist schon im Erscheinen von gestern. Quantität ist doch ziellose Bewegung, Bewegung der Jagd, das Jagen ohne Ende und die Beute ist doch gelogen, der Jäger will sie nicht, es geht ihm um die „Bewegung der Jagd“, der Jäger jagt um des Jagens willen, nicht das Erlegte beruhigt ihn. Jagd nach „Weiter so“, Jagd nach Abwechslung, Jagd nach Bewegung, Entwicklung, Zukunft: nur kein Stillstand.

 

Es ist ein Dahin-Rauschen, endlos, horizontal – um des Dahin-Rauschens Willen. Die Lüge der Horizontale ist nicht der vorgegaukelte, wechselnde Inhalt, sondern die „Bewegtheit“ selbst, der Antrieb also: Hauptsache, ich bin in Bewegung. Wer in der horizontalen Bewegtheit aufgeht, meidet den Stillstand, meidet die Kehre, lehnt die Einsicht ab: die Winkel werden weggeworfen. Das Zeitliche relativiert, in Beziehung gebracht: meint das Relativ-setzen, in Beziehung zur Ewigkeit gebracht – es meint: bedeutsam ist das Geringe, das Je-Je-Jetzige. Es gibt eigentlich keinen Anlass zur Korrektur – wer korrigiert, lehnt sich noch auf, weiß es besser, will es anders, hat Pläne der Verbesserung. Und Recht, Gerechtigkeit? Das Wort meint doch: richten, reparieren, gut machen, was nicht gut war oder was kaputt war, gut machen, es wieder zum Leben erwecken. Und das „Jüngste Gericht“? Es wäre doch diese Art der Gerechtigkeit (des Richtens als Gut-machen), dass das Böse zum Guten hin korrigiert wird, repariert wird. Gott, unser Schöpfer, er schenkt die Schöpfung doch nicht irgendeiner Leistung Willen, die ich mich zwingen müsste: ein Zwang, darin das Wort „eng“ liegt, Enge, das ist Angst.

 

Der Richter wäre dann der, der es „Recht macht“, repariert, das Kaputte in Stand setzt. Dieser Richter richtet im Sinne: ich mache es schon gut, ich mache gut, was böse war, ich bringe in Ordnung, was nicht in Ordnung war. Woher kommt dann der Gedanke des Richters, der abstraft? Dieser Gedanke kommt aus der Enge, aus einer Welt also, die nichts Unschuldiges mehr an sich hat – also nichts Kindliches mehr in sich ausprägt. Kindlich meint hier: voll des Zutrauens! Unschuld nimmt das Zeitliche, vergöttert es aber nicht, macht es nicht zum fixierten Götzen. Unschuld schlägt die Sandburg nieder und baut sie jederzeit wieder auf, in drei Tagen! Unschuld kennt den Zeitverlust nicht, weil sie die Zeitlichkeit relativiert, in Beziehung bringt! Schuld dagegen könnte sein: ich sehe im Zeitlichen „Alles“, mehr gibt es nicht – Schuld könnte sein: ich wage es nicht zu träumen (ewigen Raum einräumen) – ich wage es nicht, Ewigkeit „ernst“ zu nehmen. Mein Blick kann sich dann nicht mehr „erheben“, bleibt horizontal scharf, sehr scharf, sehr genau, sehr detailliert: punktuell, scharf korrigierend, rechthaberisch: wenn du nicht das genau befolgst, aber dann…! Jeder kennt das, von Kindheit her! Man lernt es in der Volksschule – lernt „so“ zu tun! Man wird also „gedrillt“, in die Enge getrieben (Eng – Ang), Enge und Angst haben denselben Kern: so soll es sein und nicht anders! Brav ist man, wenn man korrekt ist, den Plan erfüllt! Zeitlebens wird man dann „beschäftigt“ sein mit diesen „Riesen“ der Vorgaben: so gehört es sich!

 

Je enger es einem ist, desto korrekter handelt die Existenz! Und was wäre enger als die „Form“, das ins Sein Gegossene? ER nimmt das auf sich: diese Formung, dieses Gepräge, nimmt es an, trägt es – ist dem nicht entgegen, kein Aufruhr dagegen, nein, Annahme! Gal – Formung, Gestaltung: Gal-iläa, Norden, von der Punktlandung her, vom Aufschlag her.

 

MAN stößt sich daran: ER hat unsere Sünden auf sich genommen! Man frägt nicht mehr nach, was soll das bedeuten? – hat eben keinen Anhalt mehr in der Nachfrage. Sünde: uns ekelt vor diesem Wort – was Sünde? Dass ich die Zeitlichkeit zu ernst nahm, dass ich Schulung so ernst nehmen musste: So gehört es sich und nicht anders! Es auf sich nehmen heißt doch: es annehmen, das Zugetragene zu „tragen“ vermögen, die „feste Speise“ (Hebräer) nicht verweigern - weil es dennoch damit „grund-gut“ ist. Der Verstand kann das nicht verstehen, aber es versteht sich: Hebräer, 11. Kapitel. Es auf sich nehmen, tragen vermögen, heißt doch: meine Vor-Urteile wegräumen, ihnen keine Geltung mehr einräumen, sich von den eigenen Vorurteilen be-freien lassen.

 

ER: Jesus von Nazareth: der Erlöser. Nein, man sollte die Freiheit wagen, einander zu begegnen – frei, ohne Vor-urteile! ER geht „gänzlich“ in die Form, in die gänzliche Veräußerung und ist doch unberührt von ihr. ER geht also in den horizontalen Absolutismus und ist das „Lamm Gottes“. ER: nicht der dort, der Vergangene – ER: mögliche Stimmung, ermöglicht?

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

20.01.2024

Mysterium des Wortes

 

Im Beginn

 

 

Es heißt einmal, wenn ich schon „weiß“, ist es tot, trägt kein Leben mehr bei sich. „Leben“ meint jetzt aber: lebendig (lebend) sein, sich dem Lebendig-sein bei sich selbst öffnen. Das „Gewusste“ aber verhindert dieses Lebendig-sein. Es hängt offenbar auch damit das Fragen, insbesondere das aufbrechende Fragen: die In-Frage-Stellung, damit zusammen. Die In-Frage-Stellung ist Verabschiedung der Aussage, der kühlen Vernunft, der Fest-stellung. Habe ich aufgehört zu fragen? – nicht irgendwer, geht es mich an, bin ich gemeint. Am Ende (im Beginn) ist die Form des Lebendig-seins die des Zwie-Gesprächs. Der Monolog ist also eine tote Form des Seins, eine Form der Ver-Nichtung, der Zerstörung, eine Form, die sich versteckt und Angst vor der Ver-Antwortung hat. Und dort, wo man meint, man hätte Interesse, vielfältige Interessen, dort, wo man meint, man sei doch so sehr aufgeschlossen und es redet sich ohne Unterlass und man wäre doch „so“ interessiert am Anderen, dort zeigt sich der tote Monolog am dichtesten. Es zeigt sich hier auch die Art des Existierens, die sich keine wahre Rechenschaft mehr gibt, die sich dann in endlosen langweiligen Fragen des Immer-schon-gewusst-habens erledigt. „Wissen“ heißt hier dann auch: ich habe Angst, etwas zu verlieren, ich muss es fest-halten, darf es nicht auslassen und hergeben, will es zurückbehalten, aufbewahren, aufspeichern: tote Zurückhaltung. Das lebendige Gespräch hat dann eben die geschickte Notiz bei sich, den Mut auch, das Sich-Zeigende wahr-zu-nehmen, ernst-zu-nehmen: als Zu-geschicktes. So ist das Geschickte doch die Botschaft, die Kundschaft, die der „Bote“ gibt. Dass der Bote von alters her der „Engel“ (malach) ist, verdrängt man ins Sentimentale. Das Sentimentale ist dann auch die Form des heutigen Existierens in der Form der toten Objekt-Sprache.

 

Kurs-Wechsel

 

Jona, Umkehr, Markus, Zwiegespräch: wann? Die Notiz also meint: dass es sich schon ergeben könnte. Es zeigt sich immerzu, gibt sich immerzu, es fehlt aber die Aufmerksamkeit, weil die Ablenkung hier so mächtig waltet (gewaltsam sich einmischt). Hier schon genügt es: was sich mir bietet, es reicht schon aus, es genügt mir Kanaan, der Kaufmannsladen ums Eck, der, der im Tempel aufblitzt, der reicht mir schon: wozu also das Weiter-fragen, das stiftet nur Unruhe und dass der Priester „Unruhe-stifter“ sei, weiß der schon längst nicht mehr. Rauschhaft im hier und jetzt, den Kick hier, das Sentimentale ausgebrochen, zur Form erstarrt, zur endlosen Wiederholung aufgerafft, sprachlich schon eine endlose langweilige Aneinanderreihung des scheinbar Pompösen. Sucht nach dem temporären Zu-Ende-gekommen-sein: schon hier – eben das Faul-sein im Aktiven, Berechneten, Gewussten. „Wissen“ als Faul-sein, als Bequemlichkeit, als Form der Pension, des Ruhe-standes – man will das offenbar. Ekelhaft auch dann die Sprache der objektiven Verlautbarung, das Plärren aneinander, die Vermutung, die doch keine mehr bei sich hat und dann die pornographische Aufforderung nach Beweisen, nach Vergleichen, diese kränkliche Sucht nach Einebnung und Gleichmacherei. Dagegen „lohnt es sich doch, es im Gedanc sein zu lassen“ – es reichte schon: ich sage dir: lass´ es gut sein, lass´ es sein. Mentalität der Begegnung im Zufall? Der Mut zur Begegnung?

 

Was geht mich deine Existenz an, deine Not in der Zeitlichkeit, was geht mich deine Verkrümmung an, was deine Objekt-Sprache? Die, die nur schlafen wollen, es sind doch die, die am lautesten schreien; der Stoiker schreit vermutlich am lautesten.

 

Da sagte der Alte: geh´, du musst weg hier, weg von diesem Toten in dir, es frisst dich, geh´ und meide den Vorwurf, das Tote als Schuldgefühl: schuldig, weil es doch spricht und ich nicht hören will, taubstumm, gelähmt – von oben herab; Hosianna auf den Lippen.

 

Dreißiger Jahre – Südwest-Deutschland; der musste „seinen Weg“ finden und war mutig dazu, einerlei, wie das Gebrüll tobt, einerlei der Anklagen aus den Fußnoten. Beten: ich antworte, fasten: es geht doch nicht verloren, schwindet die Angst vor dem Verlust: Fasten als Angst-Verlust? 27. Oktober 1553: Michael Servet; eine willkommene Ablenkung? Entlastend kommt die Objektsprache, verspricht den Weg, der keiner ist, der ins Nichts führt. 1509 Geburt, 1528 Studium, 1553 Gerichtsverfahren und Hinrichtung. Zuerst 19 oder 20, dann wird er 42-jährig geröstet, wie Kaffee.

 

Das Leiden in Gethsemani: das Leiden am Nur-Horizontalen; es schreit, aber ich bin nicht da, will es nicht, ertrage das nicht, dein Leiden, deinen Schrei. Es ist doch „dein“ Leiden, was geht mich das an in meinem Rausch hier und jetzt? Lass´ mich doch mich weiter betäuben, lass´ mich in meiner toten Ruh´, ich will nicht in deinem Licht stehen, es ist mir nicht greifbar. Geh´, geh´ und komm nicht mehr wieder, komm´ nie mehr wieder – geh´ ins Dunkel der Nacht – sagen meine blutleeren Lippen im Verlies, sagt der Iwan in mir. Der wurde doch gekreuzigt, sagen die Sentimentalen, so ein Unrecht! Der Widerstand heute gegen das Kreuz ist der Aufstand der Potenz zur Sentimentalität, das Weinerliche, das sich so abgeklärt und aufgeklärt anbiedert.

 

Melchisedek: mein König ist gerecht. Hebräer-Brief, Mitte der 80-iger Jahre, ein Leben geht hier zur Neige. Geh´ also weg aus meiner Seele: mein Leben hier reicht mir schon. Und Du gehst, lässt es dir nicht zweimal sagen. Man kann  die Confessiones kaum lesen: sentimental meint man, Schwester Faustyna, auch kaum lesbar. Nein, nicht sentimental, ist doch das Kühle das Sentimentale, das Logifizierte. Eindeutigkeit und Angst vor der Verabschiedung: ein Herzschlag aus Sentimentalität. 1943 dann im Lager: der macht Witze, macht sich lustig über den Ernst des Horizontalen und heute noch wird er geröstet. Man weiß es doch ein-deutig, man sagt also: ich bin tot. Zur selben Zeit klettert Buhl im wilden Kaiser, vom späteren Kaiser zum Kaiser ernannt. Der spätere wettert gegen die Gipfel-Kreuze: ein großer Sentimentaler.

 

Bescheidenheit in aller Munde: ich wollte doch "nur"! "Nur" so wollen, nur so und nicht anders - das ist krank. Der Kranke ist dann auch sehr aggressiv, zeigt das auch und merkt es nicht. Der spürt das vielleicht - ja, das steigert die Aggression: da ist etwas, aber ich komme da nicht ran - ich kann es nicht erklären und einfangen, es lässt sich - verdammt noch einmal: nicht "wissen".

 

1943: der eine wird geröstet und nicht verstanden, der Andere geht nach Brasilien und beginnt neu, der Andere klettert als Kaufmann (Kanaan) durch die Mauk-Westwand und am Semmering werden die Weichen zur Semmel-Diät gestellt. Der Halb-Geröstete kennt das Machwerk der Horizontale und zuckt mit den Schultern; bei den Anderen ist es viel ernster, sie kommen mit dem horizontalen Leben davon.

 

Jahre später: der Zug von Zürich - sie plappert ohne Unterlass, er schweigt sie an: auch eine Röstung. Eine modernere Passion: du plärrst ohne Unterlass und sag´ ich´s  dir, so schreist du lauter. So sag´ ich nichts und hab´ dich lieb.

 

Der Geröstete meint: der Blinde sieht am schärfsten, sieht punktgenau und alles sauber. Der Blinde sieht schärfer als die schärfste Optik aus Wattens. 

 

Ist der Blinde nicht auch aus Krioth? - am Ende ein Gehängter? Violettes 483: die letzten Jahre. Am Ende war kurz ein Historisches, aber nicht massiv - Mitte der 80 iger Jahre.

 

Kriah: Vor-ort, nicht im Zentrum sein wollen. Der Vorort ist heute das Ballungszentrum, der Moloch, die Ablenkung ohne Ende.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

01.12.2023

 

 

Mysterium des Wortes II - 1. Advent

 

 

„Verbergung“ spricht in sich vom „Gebirg“, auch von der Geborgenheit. Vom Gebirge sieht man schon, dass das Gewaltige nicht sichtbar ist. Das Gebirg zeigt „an“, entblößt sich aber nicht der Hinsicht, der Hinschau: es entzieht sich der schnellen Schau, sodass der schnelle Verstand keinen Zugang und Zugriff hat. Meistens lässt man dann diese Dinge in einem kurzen Aufflackern auf sich beruhen. Das ist eben die „Faulheit“, von der schon öfter die Rede war: man stürzt sich dann umso betriebsamer in Dinge, die sich anbieten, die man auch „sucht“ in seiner horizontalen Sucht, in einem getriebenen Daseins-Rausch. Es heißt einmal: Finsternis schafft Behagen im Rausch – der Rausch-Mensch lebt in „Finsternis“, er hat keine vertikale Perspektive mehr, er rauscht in der Horizontale dahin ohne Ende und gibt sich „wiederholend“ das Gefühl der Behaglichkeit.

 

Am 6. Schöpfungstag, heißt es, tritt der Mensch auf: Höhepunkt der Schöpfung und an diesem 6. Tag kommt es am Nachmittag – man sagt um 15 Uhr (Karfreitag) – zur Erlösung. Es ist an diesem Freitag-Nachmittag ein kosmischer Kampf, denn sogleich als der Mensch auftritt, bietet sich für ihn die Gelegenheit zum Super-Menschen – es treten hier auch die „Schedim“ auf, jene Kräfte, die in uns selbst suggerieren: ich kann Ursprung meiner selbst sein, ich könnte „alles“ erreichen – es ist mir „alles“ möglich: ich habe genug Wissen, ich kann soziale Welterlösungspläne kreieren, ich kann irgendwann alle Krankheiten hier heilen, selbst den Tod könnte man mit der traumhaften Todes-Pille besiegen, die es dann für viel Geld in Apotheken geben wird. Man nimmt dann so eine Pille, und die programmierte Pille verändert mein Bewusstsein dahingehend, dass es gar keinen Tod gibt – der programmierte Traum erfüllt sich. Um eine Ahnung von diesem Super-Menschen zu bekommen, höre man sich nur einen Vortrag des Weltwirtschaftsforums in Davos an – jährlich trifft man sich dort, um globale Lösungen für „alle“ Probleme zu suggerieren. Es fehlt bloß an der „Zeit“, aber man macht Testamente, gibt Wissen weiter usf. Auch für dieses Problem hat man eine parate Lösung. Unterm Strich ist uns „alles machbar“ – hier, im bloß Horizontalen und das nenne ich die suggerierte Vollendung im horizontalen Absolutismus.

 

Dieselbe Gefahr spielt schon in der Wüste bei Mose, als die Israeliten das „Goldene Kalb“ kreieren (igul, Kreis). Hier wird der horizontale Kreis geschlossen, sodass man immerzu meint: es stimmt im Leben doch prima, alles geht sich irgendwie hier doch „gut“ aus. Sicher gibt es Schwierigkeiten, aber es lässt sich mit der Zeit „alles“ (nur hier) meistern. Für Gott, unseren Schöpfer, ist dieses Geschehen selbst eine Katastrophe, denn die Schöpfung im Wort ist „frei-gestellt“, nur in Freiheit möglich und wirklich. Jeder Automatismus ist der Schöpfung fremd. Wie wird der Mensch also am 6. Tag in Freiheit re-agieren? Wird er re-agieren, also rück-antworten seinem Gott, der ihn rief oder wird er sich abwenden und dem horizontalen Absolutismus vorantreiben? Es ist keine Frage, die wir zu entscheiden hätten, denn die Katastrophe „geschieht“ immerzu und auch die „Erlösung“ geschieht immerzu. Es handelt sich nicht um einmal dagewesene historische Tatsachen, sondern um Seyns-Geschehen „hier und jetzt“.

Auch das „Jüngste Gericht“ ist nicht nur einmal in ferner Zukunft oder beim Sterben hier (historisch): Jüngstes Gericht ist sicher das auch, aber zugleich „ist“ es schon: je jetzt, in diesem Augenblick entscheidet es sich, wird es ge-richtet (repariert).

 

Die „Heilige Schrift“ ist kein historischer Bericht, sondern „sagt, was ist“ – was also im Seyn je jetzt geschieht. Die Heilige Schrift ist auch kein moralisches Sollens-Werk, ein Moral-Kodex zum braven Verhalten – denn z.B. der König David war doch gar nicht so brav nach unseren Vorstellungen oder der Heilige Petrus, auch kein Braver und doch ein Heiliger, ein „Ganzer“ also (ganz im Sinne der Verbundenheit mit Gott). Wir legen „unsere“ (horizontalen) braven Vorstellungen an das Heilige Wort an und dann stimmt es hinten und vorne nicht mehr. Es heißt einmal, dass ein „Priester“ einer sei, der „Unruhe stiftet“ – es meint nicht die negative Unruhe, den Pöbel-Lärm, das ist der Lärm der öffentlichen Medien und Meinungen, der Tagespolitik, es ist auch der „sinnlose, horizontale Lärm“, jener Lärm aus Nichts, worüber Mose so erschreckt ist, als er diesen Lärm im Lager der Israeliten vernimmt.

 

Der Priester als „Unruhe-Stifter“ meint dagegen in uns selbst auch jene Stimme, die uns aus unserer eigenen Faulheit aufschreckt, unsere eigene Bequemlichkeit und Faulheit anmahnt. „Du hast es dir im Leben faul eingerichtet, du meinst, du seist schon mit deiner Behaglichkeit im Horizontalen bestens bedient“ – da irrst du dich gewaltig, du bist faul und lau geworden, du bist „tot“. „Das“ ist die Stimme des Hohenpriesters, sie spricht „mich“ direkt an und „irritiert“ mich – wenn ich   zulasse.Wenn der Priester – jetzt auch der äußerliche – nicht mehr in dieser Weise „irritiert“, ist er ebenso ein Toter. Zurück zum Freitag-Nachmittag, zum Kar-Freitag: die Schedim entstehen, die Möglichkeit zum Super-Menschen, es ist der Mensch des horizontalen Absolutismus. Das ist keine Vergangenheit, sondern ein Seyns-Geschehen, diese Möglichkeit besteht „in der Zeit“ immerzu und erlebt heute ihren Höhepunkt. Dann, heißt es, greift Gott selbst ein und sagt: Genug, diese Möglichkeit wäre das Ende aller Schöpfung, eine Höllenfahrt ohne Ende. Gott selbst lässt nicht zu, dass der 6. Tag sich vollendet und „verkürzt“ die Möglichkeit zur Fleischwerdung des Super-Menschen. Der Super-Mensch kann nicht Wirklichkeit werden oder anders gesagt: die Schedim können nicht mehr vollendet Fleisch werden, denn der Schöpfer selbst, der Erlöser am Kreuz, bringt die Rettung. Das Heil kommt nicht aus dem Horizontalen, es kommt vom ganz Anderen, vom Erlöser, das Heil ist eben nicht „machbar“ – wie es der h.A. (= horizontaler Absolutismus) suggeriert möchte. Auf ewig hat Jesus, der wahre König, gesiegt. Wodurch eigentlich? Durch seine vollendete Hingabe bis zum Tod am Kreuz – das ist der Sieg. Jean Corbon entfaltet in seinem Werk dieses Geschehen als agonalen Kampf: der Tod wird durch den Tod des Herrn getötet. Das kann man schwer begreifen, bleibt letztlich auch ein Geheimnis – vielleicht, dass da eine „Ahnung“ aufkommt; das wäre viel. Dass der 7. Schöpfungstag in den 6. hereinreicht – also der „Sabbat“, zeigt schon an, dass mit dem sogenannten Tod das ewige Leben nicht aufhören kann – es geht weiter, nicht mehr horizontal, sondern ganz „anders“ als wir uns es ausmalen oder vorstellen könnten.

 

Die Schedim (schwach mit „Dämonen“ übersetzt), haben auf ewig keine Möglichkeit zur Vollendung – sie toben sich zwar schrecklich genug hier aus, aber am Ende, wie es in der Apokalypse des Heiligen Johannes heißt, hat nur das „Himmlische Jerusalem“ ewigen Bestand. Das sollte man bei allen Betrachtungen nicht aus dem Blick verlieren: der ewige Sieg „ist“ schon errungen, die letzte Sicherheit „ist“ schon erreicht – das ist die „Frohe Botschaft“, das Evangelium. Darüber könnte man doch in Freude sein, Dankbarkeit könnte da sein und eine tiefe Ehrfurcht. Der Schöpfungs-Katastrophe ist mit dem Tod am Kreuz genüge getan; man glaube nicht, dass der Vater „blutrünstig“ wäre, im Gegenteil: die Kreuzigung ist reiner „Akt der Liebe“. Das kann der horizontale Absolutismus nie verstehen, wird es auch nicht können. Das tut nichts, und alle „Erklärungen“ hierzu müssen fehlgehen. Es kann nicht anders sein. Die Hybris der Schedim (666) kommt nie zustande, der planetarische Hochmut „ist“ durch-kreuzt und weil die Heilige Schrift sagt, was „ist“, so gilt dies für Alle Zeiten, es meint von „Ewigkeit“ her – Zeit transzendierend.

 

Davon kann schon das irdische Leben, wenn es offen dafür ist, berichten: denn unsere irdischen Pläne sind noch nie „voll aufgegangen“, immer ist etwas Störendes dabei, letztlich auch das Ungemütliche des Sterbens und Leidens. Dieser „Stachel“ lässt sich nicht wegschaffen – es wird nie (zum Glück) gelingen, das endgültig wegzuschaffen, denn das wäre der „endgültige, der 2. Tod“. Man kann das „Kreuz Christi“ in seiner Bedeutsamkeit nicht begreifen ohne den Blick auf den „Vater“ gerichtet zu haben. Jean Corbon spricht im Hinblick auf die „Schöpfung“ von einem Aufgeben des theistisch-rationalistischen Weltbildes zugunsten der „Schöpfung“, die nicht nur war, sondern „stets geschieht“. Der Vater gibt seine eigene „Einheit“ preis, entleert sich zur Gänze (Kenosis), damit Schöpfung (alles, was ist), sei. Und dies geschieht „alle Augenblicke“. Es wurde hier einmal gesagt, dass das in der Schöpfung sein dem gleichkommt, was man in der „Form sein“ nennt. Was hier in dieser Schöpfung Gestalt (Form) annimmt, trägt den Funken der Schöpfung in sich. In die Form losgelassen und eingelassen sein bedeutet aber: leiden. Es meint nicht in erster Linie das abträgliche, blutrünstige Leiden, das Märtyrer-Leiden oder das Leiden an Krankheit.

 

Man denke hier einmal banal an die Natur, die die Gewalten, wie sie sich geben und zeigen, „hinnimmt“. Man stelle sich auch nur vor, eine Kiefer im Hochgebrige sagt einmal eines Tages: jetzt mache ich mit diesen Stürmen nicht mehr mit, Ende, ich will nicht mehr! Die „Natur“ nimmt hin – es meint: es leidet die Natur und so erst zeigt sie das „Schöne“, das „Stimmende“, weil die Natur „empfängt“ und nicht eigenwillig tut. Das meint den tiefen Sinn des Leidens: es wird schon getan, es wird auch schon gerichtet (repariert), es tut sich schon (mach´dir also keine Sorgen). Und der Schöpfer der Welt ist der erste, der „leidet“, weil er seine Einheit mit sich selbst herschenkt damit Schöpfung als Form-werdung sein könne.

 

Am Anfang (im Beginn), jederzeit beginnend und anfangend, da steht das „Opfer des Vaters“ selbst: jederzeit opfert der Schöpfer seine Einheit, damit „heute“ sein kann; das Opfer jetzt als „Geschenk“ verstanden – die Schöpfung ist doch da, her-geschenkt, umsonst gegeben. Will man das noch sehen und was hat das für Konsequenzen, wenn es dann heißt, dass der Mensch im „Bild und Gleichnis Gottes“ sein solle? Die Schöpfung „als“ Schöpfung aber ist das größte Wagnis, mindestens im Mensch-sein. Wird der Mensch als Bild und Gleichnis Gottes „antworten“ und wie fällt seine Antwort aus? Wahre Antwort kann nur aus „Freiheit“ sein, ein Gezwungenes ist nicht wahr, ist nicht echt. Denn das Sich-wegschenken zur Gänze ist doch nichts anderes als „Liebe“. Der Sinn der Welt-Schöpfung ist auf „Liebe“ gegründet, auf „umsonstiger  Liebe“, eine andere gibt es gar nicht und die Antwort auf diese Schenkung kann nur im „Empfang umsonst“ liegen, in der Dankbarkeit also (ohne Eigenleistung). Das Wort „Liebe“ versteht man nicht mehr oder man versteht darunter ein „Gefühl“ – Liebe (dem Sinn nach) meint auch im Hebräischen schon: allumfassende Einheit. Und was hat das jetzt mit dem „Leiden“ zu tun? Im Sein der Schöpfung stehen heißt in sich schon ein „Leiden“, das Leiden ist Ausdruck der Schöpfung, denn im Sich-schenken (die Einheit gibt sich auf, schenkt sich weg: das ist das „Lieben“) liegt doch zugleich die Sehnsucht des Gebers nach der Gabe, die Sehnsucht, dass der Beschenkte mit seiner gesamten Existenz das Glück der Wiedervereinigung (Einheit) erfährt – also die „Einheit mit seinem Schöpfer“ sucht und empfindet. Gott „opfert seine Einheit“, damit Andere diese Einheit „erfahren“ können. Es muss das „höchste Glück auf Erden sein“, der tiefste Sinn muss darin liegen diese Einheit zu wollen und zu empfinden. Das ist „der“ Sinn des Lebens, dazu wird die Schöpfung je jeweilen (von Augenblick zu Augenblick) ins Leben gerufen. Frage: will ich ein Gerufener sein, empfinde ich mich als Gerufener? Will ich diese Einheit mit dem Schöpfer überhaupt, mit dem Geber der Gabe? Was für eine Frage ist das überhaupt? Das Geschöpf hat die Möglichkeit (der Mensch) auch „Nein“ zu sagen, das abzulehnen.

 

Das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“ zeichnet dieses Ur-bild der Schöpfung selbst: in der äußersten Ferne (man kann auch sagen: im Tiefsten der Hölle) ereignet sich dennoch und allen Überlegungen zum Trotz das Wunder der „Umkehr“ (teschuwa): das flüchtende Geschöpf ermisst den Ruf, kehrt heim und „erlebt“ das Fest der Vereinigung. Der Sohn (ben adam) kehrt „frei-willig“ zurück, nichts zwingt ihn, er ist kein Automat. Per Naturgesetz ist das „unmöglich“: der Sinn der Reue, der Sinn der Einsicht, der Sinn auch der Umkehr – das alles sind Dimensionen, die den Raum des horizontalen Absolutismus aufbrechen – un-erklärlich sind diese Dimensionen, sie zeigen in die Dimension der reinen Gnade, in den vertikalen Einbruch, der immer die Stimmung anzeigt: es ist viel mehr, als du dir es audgemalt hattest! Schöpfung im Seyn bedeutet: Gott, der Schöpfer, gibt seine Einheit mit sich auf, gibt sich hin und das ist die Geburt der Schöpfung. Hingabe nennt man mit einem anderen Wort: Opfer. Opfer ist daher in erster Linie nichts „Negatives“. Heute versteht man unter Opfer leider nur etwas Abträgliches, etwas, was man vermeiden will. Wenn Gott seine Einheit vermeiden wollte, dann hätte er sie nicht ge-opfert: Seyn wäre nicht!

 

„Opfer“ hat auch den tiefen Sinn der „Hingabe meiner Vorstellungen“: erst in dieser Hingabe wird der Raum der „Begegnung“ eröffnet, in diesem Raum der Begegnung darf das „Wort“ ansprechen und zusprechen, sich mir kund-tun, Kunde und Botschaft bringen. Die Gefahr des Sentimentalen und Weinerlichen liegt in nächster Nähe zum Sakralen: man glaubt, man müsse sich dann „so oder so“ verhalten, „dies oder jenes tun“, „solches oder dieses“ sagen usf. Das alles ist meistens „sentimentaler Ausdruck“ einer frommen, rein horizontalen Gesinnung.

 

„Mysterium des Wortes“ heißt dieser Zyklus: das Wort will sich im Raum der Begegnung schenken, indem es Bedeutsamkeit stiftet. Das Weggeben der eigenen Vorstellung, das Zurücktreten vor diesem Mysterium (was man auch mit „Demut“ oder „Ehrfurcht“) übersetzen könnte, ist das Eintreten in den Raum der „Freiheit der Kinder Gottes“. Freiheit heißt dann eigentlich: er-leiden dieser Begegnung. Ein alter Sinn des Leidens liegt auch in dem Wort: ich mag dich leiden – ich kann dich gut leiden!

 

Das ist ein ganz anderer Sinn, der in diesem „Wort“ liegt, er meint nahezu das Gegenteil vom Abträglichen. Je mehr also einer empfängt, umso mehr leidet er, umso mehr steht er in der „Freiheit“.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

25.11.2023

 

 

Mysterium des Wortes - Christ-König

 

 

Es heißt einmal, dass das „viele Reden“ eine Gefahr sei. Es meint auch, dass das „Diskutieren“ im Grunde eine sehr gefährliche Sache sein kann insofern, als man sich dabei von der „Sache“ distanziert. „Sache“ meint hier: das Wesentliche, worauf es ankommt, welcher „Sinn“ da ist. Es meint den Gesamt-Sinn des Existierens, des Daseins überhaupt, die Frage: wofür und wozu? Fehlt dieses "Insgesamt an Sinn", ist das Existieren grund-los, losgebunden und ausgeliefert: es befindet sich, ob es darum weiß oder nicht, in einer existentiellen Gebundenheit, einer Gefangenschaft, in einer grund-losen Un-Freiheit-

 

Im Zeitalter der äußersten Beliebigkeit klingt das so, als wäre dieser Gesamt-Sinn nach eigenem Gutdünken: jeder wie er will und mag! Die Rede: macht ihr nur wie ihr wollt! – ist ein Erbe der grundsätzlichen Entwurzelung, ein Stammeln des Existierens, das nicht mehr „menschlich“ heißen kann – es kommt einer tierischen Daseinsform viel näher. Der Gesamt-Sinn erschließt sich im „Gemeint-sein“, es eröffnet sich „Bedeutsamkeit“. Bedeutsam kann nur das „Wort“ sein und wenn sich das Wort erschließt, offenbart es sein Geheimnis. „Wort“ ist alles und ohne Wort wäre nichts. Jede Bewegung, jeder Augenblick, jede Wahrnehmung (ob still oder artikuliert) – all das „ist“ Wort. Die „Sache“ ist so Mysterium des Wortes, oder anders gesagt: die „Bedeutsamkeit“.

 

Anders gesagt (und wenig begriffen): Leben "ist" Wort und Wort "ist" Leben. Es gibt kein Leben "außerhalb" des Wortes. Das ewige Wort (tewa, lógos) über-liefert Leben: Gott spricht: und es "ist", Leben kommt ins Seyn.

 

Bedeutsamkeit ist nicht jener Sinn, den man sogleich meint: dies und jenes hat eben diese und jene Bedeutung (Ende und aus). Jeder hat dann so seine eigenen Bedeutungen. Nein, „bedeutsam“ ist alles und die Bedeutsamkeit kann man sich nicht „machen“, sie ist schon „da“ – vom Ewigen Schöpfer je jetzig „geschenkt“. Man kann sich (und tut es auch), sich dieser Bedeutsamkeit verschließen, um sie gar nicht mehr wissen, auch nicht wissen zu wollen. Es gehört zum ewigen Opfer Gottes selbst, dass er jeden Tag auf´s Neue die Schöpfung schenkt: sich also selbst weg-gibt, damit hier etwas „sei“. Wäre dieses Opfer Gottes nicht, es wäre „nichts“. Und Gott verlangt nichts dafür, nichts von uns, damit diese Schenkung sei – sie ist „umsonst geschenkt“, ohne Bedingung.

 

Jean Corbon (Liturgie aus dem Urquell) schreibt in wenigen eindringlichen Worten, dass der „Vater“ bangt, hofft, dass da wer wäre, ein Geschöpf, das „antwortet“, und zwar nicht in einem kalten Aussagesatz, sondern antwortet auf das All-Bedeutsame, antwortet mit dem gesamten Habitus je jeminigen Existierens, das nur ein „Danken“ (eucharistein) sein kann. Kein fromme Minute in der Woche, sondern ein Durchflutet-sein von Augenblick zu Augenblick. Es geht hier um „Leben und Tod“: wer ist ein „Toter“? Ein eigentlich Toter ist einer, der die Verbindung zum Ewigen Schöpfer, zu seinem Vater im Himmel, verloren hat oder anders auch gesagt: dem die All-Bedeutsamkeit (der Gesamt-Sinn) nichts mehr angeht. Man glaubt, einer sei dann „tot“, wenn er hier  - wie man sagt – verstorben ist und dann am Friedhof liegt. Aber das stimmt eigentlich nicht: der „geistige Tod“ ist der eigentliche Tod und man kann hier auf Erden körperlich 60, 70 Jahre leben und doch schon längst "tot" sein. Es ist, wie es bei „Johannes“ heißt, der „Geist“, der lebendig macht und das Fleisch nützt nichts (Joh 6,63). Mit anderen Worten: man beklagt heute das „verwesende Fleisch“, das Vergängliche beklagt man und wird darob weinerlich und sentimental. Keiner aber „weint“  über die „Toten im Geiste“.

 

Es ist nicht leicht, davon etwas zu sagen, denn die Bedeutsamkeit im Wort wird vielfach unterschlagen: das Wort ist verkommen zum nutzlosen Gebrauch. Man „achtet“ (8. Tag) das Wort nicht mehr, weil der Himmel „kupfern“ ist, es regnet nicht mehr aus den Himmeln, die Erde ist „dürres Land“. Ein Kartäuser schrieb einmal ein Buch, das überschrieben ist: Viae Sion lugent - die Wege nach Sion trauern (weil keiner mehr zur Feier kommt). Das meint den "kupferenen Himmel". „Kupfern“ ist das Existieren hier dann, wenn es keinen „Bezug mehr zum Schöpfer-Gott“ gibt – dann regnet es nicht mehr aus den „Himmeln“. In der Welt von Babel (gegenwärtig) herrscht diese Verwirrung der Sprache: jeder spricht sein eigenes, stummes, totes Gebet. Der Tote spricht dennoch sein (totes) Gebet. Denn man kann schon sagen, dass der Mensch „immerzu betet“, meistens weiß er das gar nicht, selbst der sogenannte Atheist oder Nihilist betet, denn „in der Welt sein“ bedeutet schon „beten“. Die heutige Auffassung von „Gebet“ ist so verkommen, dass man eine ganz dumme Vorstellung davon hat. Man meint, „Gebet“ sei ein ausdrückliches, braves Aufsagen von Gebeten, das „Vater unser“ z.B. Aber das wesentliche Gebet ist schon das Existieren selbst, es ist eine Antwort auf die Hingabe Gottes selbst, der sich, damit Schöpfung sein kann, entäußert, sich selbst vergisst (kenosis) und so den Raum des Seins eröffnet. Und alles, was in diesem Raum je ans Licht kommt, antwortet schon (betet also). Das Existieren in sich ist ein „Gebet“, es ist das sich vollziehende Gebet im Grunde, am Grunde. Freilich will man das so nicht verstehen, weniger noch erkennen. Man lehnt das auch ausdrücklich ab.

 

Das „ausdrückliche Gebet“ ist daher nur eine Folge des grundsätzlichen Betens, des Betens als Grund-Existieren, das gar nicht verlautet sein muss. Wenn daher einer bekennt: ich bete nicht – so ist das schon sehr komisch, denn mit seiner Aussage befindet er sich grundsätzlich im Widerspruch zu seinem Dasein (das immerzu betet, antwortet). Sicher ist aber auch, dass dieses Beten (Antworten) im Dasein meistens vielfach verkrümmt und krank ist. Aber auch das kränkeste Dasein betet (antwortet) noch immer und dass es darum nicht weiß, ändert nichts daran.

 

Es ist also ein großer Irrtum der letzten Jahrhunderte zu meinen, es gäbe so etwas wie Atheismus, Nihilismus usf. Vielleicht beten gerade jene Atheisten besonders intensiv mit ihrer Existenz, denn sie suchen einen „Sinn“, sind unterwegs zum „Sinn“. Das Krank-sein (wovon zu zeigen sein wird, was es meint), ist in sich nicht schlecht, im Gegenteil: es zeigt immer eine Grund-Störung zum Schöpfer-Gott hin an. Schlimmer ist jene Form von Krankheit, die ich das „Krank sein an Bedeutsamkeit“ nennen möchte, sie ist eine Form des verkrümmten Daseins, die also solche gar nicht gesehen oder empfunden wird. In den letzten Jahrhunderten, vielleicht auch schon beginnend mit der antiken Philosophie, hat sich ein Geist groß gemacht, der vielfach das „Bedeutsame“ hindern will und heute, in unserer Zeit, äußert sich das im Extrem der „Beliebigkeit“. Man sagt sich dann: alles hat die Bedeutung, die „ich“ kreiere.

 

Das stimmt in einer gewissen Hinsicht und entlastet die Existenz von seiner Grund-Verantwortung seinem Schöpfer-Gott gegenüber. Bedeutsamkeit aber meint hier: geschenkte Bedeutsamkeit, zukommender Sinn-Zusammenhang. Die wahre Bedeutsamkeit im Wort kann niemals kreiert werden, denn sie ist schon umsonst da (geschenkt). Es kommt aber darauf an, diese schon da-seiende Bedeutsamkeit gewähren zu lassen – sich dafür bereit zu halten und sie zu empfangen. Das entspricht einem Zulassen der Zusprache an Bedeutsamkeit, ein „Hören wollen an Sinn“. Bedeutsamkeit hat den Sinn des „Klar werdens des Wortes“, es schenkt seinen Reichtum dem, der „empfangen will“. Schon, dass das Wort „ge-achtet“ sein sollte, sagt: es ist „heiliges Wort“ (ganzes Wort, den Gesamt-Sinn gebend, stiftend). Der 8. Tag ist der „heilige Tag“ und wenn ich etwas achte, dann heilige ich es, bringe es immer in Beziehung zum Schöpfer, denn alles was „ist“, ist aus ihm. Etwas ver-achten ist dann eine sehr schlimme Sache, denn man zerbricht den Bezug zu Gott.

 

Noch einmal zurück zum vielen „Reden“: das besinnungslose (bedeutungsarme) Reden birgt die Gefahr, dass man sich von der je schon geschehenden Bedeutsamkeit suspendiert.

 

Man diskutiert dann auch gelegentlich zum Zeit-vertreib, das ist eine ganz „kranke Daseinsform“, so zur anregenden Diskussion und danach geht man in sein Alltagsgeschäft über, bis einem wieder langweilig wird und dann trifft man sich wieder zum Gedankenaustausch. Man redet dann seinen Redeschwall und macht sich gar nicht bewusst, was da gerade passiert. Dass jedes Wort in sich ein Geheimnis birgt, warum und wieso es so in mir kommt wie es da ist, das könnte Anlass zum „Fragen“ sein. So könnte sich auch Bedeutsamkeit erschließen und wie schon gesagt ist, ist jedes „Ereignis“ im Wort. So steckt in jedem „Wort“ eine Botschaft, die gehört werden will. Der Bote gilt von alters her als der „Engel“. Leider ist das Wort Engel so verkommen, dass man es natürlich vielfach missbraucht. Der Engel (malach) ist der „Bote“, der die Botschaft über-liefert.

 

Der heutige Mangel an Offenheit für die ewige Bedeutsamkeit ist die schwerste aller Erkrankungen, es ist die Krankheit als Daseins-Form ohne Gesamt-Sinn. Das viele „Herumreden“ führt zu nichts (gemeint sind eben auch die „anregenden Diskussionen“) – auf dass geredet wird. Dass alles, was „ist“,  in Gottes großem Zusammenhang geschenkt ist, kann man schwer begreifen und gar nicht „erklären“: man kann (und sollte es) glauben. Und wie im „Hebräer-Brief“ sich erschließen könnte, ist dieses „Glauben“ die höhere Wahrheit, weit höher als eine horizontale (philosophische oder wissenschaftliche) Wahrheit sein könnte. Aus diesem Gesamt-Sinn kann nichts heraus fallen oder verloren gehen und dann ist es auch klar, dass mit dem „Sterben hier“ (was man so nennt) es nicht „aus“ ist: denn das Leben ist „ewiges“ Leben (Zeit und Raum haben hier keinen Zugriff).

 

G-lauben im Sinne der höchsten und einzigen Wahrheit meint schon im deutschen Wort: er-lauben, mir und der gesamten Schöpfung erlauben, es zulassen, dass da ein Gesamt-Sinn waltet, der mich am Leben erhält. Von diesem „Gesamt-Sinn“ kann man einen Anderen nicht überzeugen, schon gar nicht mit Argumenten oder in Diskussionen. Dass einem sich dieser Gesamt-Sinn „erschließt“, das ist das größte Wunder, unerfindlich, nicht zu begreifen. Der Gesamt-Sinn meint das „Mysterium Gottes“. Ein Mysterium ist nicht rational argumentativ zu erschließen, das „Denken“ hat hier keinen Zugriff. Und so nenne ich das Mysterium den „Entzug Gottes in der Welt“ oder wieder anders gesagt: die Verbergung Gottes in der Welt. Diese Verbergung findet am Kar-Freitag am Kreuz statt: Gott selbst entzieht sich dem Zugriff des „horizontalen Absolutismus“ und hat ein für alle mal (Raum Zeit enthoben) die Schöpfung „geheilt“ (zum Vater zurückgebracht). Im Mysterium des Kreuzes liegt die höchste Wahrheit, der letzte Sinn. Die Bedeutsamkeit an Schöpfung konzentriert sich am Freitag-Nachmittag in ihrer vollendeten Form. Mit Jesu Tod am Kreuz, kann man sagen, voll-endet sich die Schöpfung aus dem Vater.

 

Verstehen kann man diese eben geschriebenen Worte kaum, zu groß sind die Abstände und Vorurteile und Widerstände.

 

Von der „Verbergung“ (dem Entzug) soll im Kommenden dennoch ein Wort gesagt sein.

 

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

11.11.2023

 

SPRACHE

 

 

Im Folgenden soll das Wesentliche der Sprache „als“ Sprache zur Sprache kommen. Das Kommen der Sprache spricht sich aus. „Kommen“ ist Sprache als „An-kunft“, das, was sich je jeweilen zu-spricht, wenn einem (wem?) das Hören-können (das Empfangen-können, die Bereitschaft dazu) möglich geworden ist. Damit ist die Bedingung zu dieser Möglichkeit die Aufgabe in mehrfacher Hinsicht: das Sich-aufgeben (auf den Weg machen, wie man ein Paket aufgibt), dann das „Aufgeben“ im Sinne meiner eigenen, eingeengten (angstenden) Welt, die engen horizontalen Maßstäbe werden relativ gesetzt und zwar in Relation zur Wahrheit und Wahrheit ist immer hier gemeint als: Offenbarung der Wahrheit in Gott, der Gott des Alten und des Neuen Bundes – dieser ist „absolut“; relativ gesetzt ist damit auch das Philosophieren, was man so nennt – Aufgabe hat aber auch hier den Sinn des „Weges“, der je jemeinig zu gehen ist. Relativ gesetzt ist damit die Verantwortungslosigkeit der Horde, der Vielen: „je jemeinig“ meint dann: jeder steht mit seinem eigenen Dasein (mit seinem Namen) vor Gott und trägt diese Ver-Antwortung, ob er es wissen mag oder nicht, ob er es ablehnt oder nicht – die schon gegebene Antwort (Gabe) wartet auf meine Ver-Antwortung. So ist jede Existenz ein Singularetantum gegenüber seinem Schöpfer-Gott; solange diese Verantwortung nicht „Fleisch“ ist, solange flüchtet der Mensch vor seinem Schöpfer.

 

Die Sprache spricht schon als Sprache, sie sagt sich zu und das Wort er-öffnet seine Ansage. Das Wort aus dem Prolog des Heiligen Johannes spricht: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.

 

Welche Übersetzung hier genommen wird, ist zweitrangig, auch der Vulgata Text oder die griechische Übersetzung aus dem Hebräischen soll hier keine Bedeutung haben. Das „war“ meint eigentlich: immerwährende Präsenz. Im Hebräischen hajah (sein) liegt zugleich das „war“ und „wird sein“, also die Zeittranszendenz. Damit ist die Gefahr der Objektivierung und die der Objektsprache abgewiesen. Immerwährende Präsenz meint dann: von Ewigkeit her, von der Hauptsache her gesehen, die Quintessenz, im Beginn, immerwährend anfangend, beginnend, sich tuend, nie starr, Leben schenkend, Schöpfung schenkend, immerzu anwesend geschehend. Dieses geschehende wahrende Sein schenkt sich immerzu, würde es das nicht, wäre nicht Sein. Diese geschehende Schöpfung am Nullpunkt des Seins nenne ich die: Dichtigkeit im Seyn. Seyn mit „y“ ist bei Heidegger ein wichtiges Wort. Seyn so geschrieben soll vor-erst offen gehalten werden in seiner Bedeutungsfülle, die sich je jeweilen erst zu-sagt (zu-schenkt). Das Empfangen der je jeweiligen Bedeutungsfülle verlangt die Ver-Antwortung als Empfang. Antwort geben meint daher in erster Linie „schweigen vermögen“, hören wollen: sich ein-schenken lassen (sich be-schenken lassen). Denn das Können entspringt aus dem „Wollen“. Wer „will“, der „kann“.

 

Unter Objekt-Sprache verstehe ich den sinn-losen Gebrauch (die geistlose pure Nutzung der Wörter oder der jeweiligen Sprache); darunter fällt auch der bloße Gebrauch der Sprache mit der distanzierten Verwurzelung, mit der Angabe der Herkunft. Die Objekt-Sprache hat sich in dem Moment erledigt, da die Sprache „lebendig mich anspricht“. Objekt-Sprache ist immer ein „Machen wollen“ und sehr weit davon entfernt, das „Wort zum Wort kommen zu lassen“. Die Gelassenheit zum Wort ist dementgegen das Zulassen seiner Lebendigkeit, die Raumeröffnung seiner Bedeutsamkeit, die von sich her schon zeigt, wie es sich zeigt und was es zeigt. Diese Gelassenheit zum Wort ist nie möglich ohne das „Vertrauen zum Wort“ und beide versammeln in sich den Mut zur Bedeutsamkeit. Gelassenheit, Vertrauen und Bedeutsamkeit zum Wort ereignen aus der Lebendigkeit zum Wort, zusammenfassend: den Zug der Beziehung zum Wort. Ein leider sehr vernutztes Wort nennt dies alles: Liebe zum Wort.

 

Die Liebe zum Wort ist somit das „Leit-Wort“, es geht voran und zieht und leitet und zeigt an. Die Voraussetzung, dass es das „darf“, ist das Opfer meiner eigenen Voraussetzungen, in gewisser Weise ist es der Kontroll-Verlust meiner eigenen Oberhoheit, der Verlust meiner Maßstäbe und wieder anders gesagt: die Bereitschaft, sich etwas sagen zu lassen. Und zwar nicht nur irgend-etwas, sondern das Wesentlichste, das Dichteste „in Wahrheit“. Solange hier „Widerstände“ kommen, und die kommen garantiert und sie kommen immer aus dem Horizontalen (d.i. das Kausale, die causa efficiens, das Entweder-oder, der haubackene Verstand, die gesunde Meinung, das Hören-sagen, die Experten-Meinung, die eigene Vor-eingenommenheit usf.), solange verbleibt das Existieren in dieser Objekt-Sprache und geht von ihr als Basis aus. Spürbar ist die phänomenale „Kühle“ der Objektsprache. Es ist das Bekannte: über alles kann man reden und alles kann irgendwie besprochen werden, so aus einer sicheren Entfernung, aus einer sicheren Distanz – es sagt: das eben Gesprochene geht mich doch eigentlich nichts an.

 

Prekär wird diese gelebte Objektsprache in Bezug auf die „Heilige Schrift“. Dann waren es damals die Pharisäer, die Saddzuzäer usf., die Jesus immerzu geplagt haben. Was geht mich das jetzt in meiner Existenz an? Oder: damals war mein Großvater eben der und der – aber was geht mich das eben „jetzt“ an?

 

Die gesamte Welt-Erfahrung geht vom Boden der Objekt-Sprache aus und so lernt man es schon in der Schule „so“ zu sein: man lernt aus der sicheren Distanz diese Grammatik jener Sprache und „denkt sich nichts dabei“ – es ist ganz normal so zu sprechen, jeder tut das und wer sich nicht daran hält, der ist ein Analphabet. Die „Vorlage“ der Objekt-Sprache ist der erlernte und bewusstlose Gebrauch derselben, das Un-Vertrauen in das Wort selbst. Dass das "Wort" selbst lebendig sein könnte, das kommt dem h.A. gar nicht in den Sinn.

 

Das Wort (der lógos), hat in sich das Leben, es ist immer „lebendiges Wort“, wäre es das nicht, wäre nichts. Daher haben die Redner der in sich distanzierten Objekt-Sprache jederzeit eine unausdrückliche oder sogar ausdrückliche Vorlage bei sich, eine „Konstruktion“ des eigenen Un-vertrauens in das Wort. Oder, wie es viel häufiger der Gebrauch ist: die Sprache wird besinnungslos (besoffen) benützt. Das ist dann der entfernteste Fluchtpunkt zur Lebendigkeit im Wort. Konstruieren ist immer ein eigenes Tun und Machen, ein Nicht-zulassen der Zusage im und aus dem Wort, das sich mir je jetzt schenken will.

 

„Sprache“ meint jetzt nicht mehr nur die artikulierte, sondern meint „Schöpfung insgesamt im Wort“. „Alles was je jeweilen im Sein ankommt, ist Wort“ – in diesem weitesten und engsten Sinne ist nichts ohne Wort. Der Mensch könnte ohne das Wort nicht sein. Die Dichtigkeit im Sein (Ge-Dicht) ist zugleich Dichtigkeit im Wort: es ist die „Gleichung“ der Wahrheit im Sein, es meint das Ernst-nehmen der je jeweiligen Zusage der Ankunft.

 

Dass sich das Wort von sich her schon er-öffnet meint: es offenbart sich. Lebendes Wort kann also in sich nur „Offenbarung“ sein. Es lebt, dieses Wort, weil es sich sinnstiftend zuspricht: es erschafft je jeweilen Sinn, stiftet Sinn-Zusammenhang (Bedeutsamkeit). In den schon bereiteten Raum der Sinn-Stiftung eintreten heißt: antworten, Verantwortung übernehmen.

 

Die Frage stellt sich (wenn sie sich überhaupt stellt): wenn die Schöpfung im Wort (Weinreb) „bedeutsam“ ist, dann ist „alles“ bedeutsam, geradezu im Sinn auch der Über-zeitlichkeit. Es gibt dann einfach keine „Zeit“, die nicht bedeutsam wäre. Bedeutsamkeit hat in sich den „Bestand“: das Stehen in der Bedeutsamkeit. Die bloß horizontale Zeitrechnung misst dagegen in den gewohnten Dimensionen: sie hat ihr Sein zum ewigen Sinn „getrennt“, eingeteilt und alles aus der Perspektive des Vergangenen, des Kommenden und des eben Geschehenden. Was dann vergangen ist, „ist“ nicht mehr – mit dem Bedeutsamen ist es aus und vorbei. Man redet dann und meint es auch so: Es war einmal….. oder: in jener Zeit…., oder: damals usf.

 

„So“ zu leben (ich nenne das den „horizontalen Absolutismus") bringt eine existentielle Entlastung mit sich: man hat eine gute Ausrede, um sich der Verantwortung dem Schöpfer-Gott gegenüber zu entziehen, weil man zu „faul“ geworden ist, dem Bedeutsamen zu antworten, was zugleich das Eingeständnis mitbringt, dass die Nur-Horizontale etwas sehr „Relatives“ ist, etwas „Vorüber-Gehendes“ und das Sinnstiftende im Ewigen, Sich-nicht-zeigenden liegt. Der „horizontale Absolutismus“ (kurz: h.A.) lebt ohne den Ewigen Sinn, der sich je jeweilen zu-sagt, der also niemals fixiert vorliegt als Objekt einer Anwendung. Der Mensch im h.A. ist also „faul“ zur Verantwortung und weil man das Sinnlose im h.A. nicht ertragen kann, so sucht man jederzeit die Ablenkung der unendlich vielen zeitlichen Angebote, die für den Moment eine emotionale Punktlandung versprechen, dennoch immer den „blauen Montag“ hinterlassen. Die Sprache des h.A. ist daher immerzu die Objekt-Sprache, es ist die Satelliten-Sprache ohne Bedeutung, es ist die Wegwerf-Sprache, die Benutzer-Sprache, der man sich keiner Rechenschaft gegenüber ausliefern muss. Sie ist zugleich auch die Sprache des Dahindämmerns, der Schläfrigkeit, der Faulheit.

 

Es ist gesagt worden, dass „alles bedeutsam“ im Wort der Schöpfung sei, und das immerzu. Ein Beispiel: man liest immer wieder eine Todesanzeige, der und der „ist tot“. Ich weiß nicht, ob man sich dabei überhaupt noch etwas denkt, etwa: warum lese ich das jetzt, was hat das mit mir zu tun, was meint hier „tot“ usf. Bedeutsames Fragen wäre schon: was hat das gerade jetzt mit mir zu tun, welche Bedeutung hat das?

 

Der h.A. zuckt bloß mit den Schultern und meint, solches Fragen sei doch übertrieben – man nehme solche Todesanzeige nur zur Kenntnis, reiner Zufall, es hätte auch ganz anders sein können. Dieses: es hätte auch ganz anders sein können ist eben die Grundausrede der Faulheit im h.A.

 

Die Sprache „als“ Sprache ist vielleicht die zärtlichste Pflanze der Schöpfung, sie verlangt die Behutsamkeit der Aufmerksamkeit, sie ist „weg“, wenn man sie „als“ Ankommen des Seins nicht achtet. Das „Achten“ meint jetzt: von jenseits des horizontalen Absolutismus, so wie der 8. Tag der „heilige Tag“ genannt wird. Das Gegenteil von Heiligkeit ist die „Faulheit des horizontalen Absolutismus“. Und es ist gerade in der Leistungsgesellschaft des h.A. doch sehr merkwürdig, dass weder der Sprache noch der Heiligkeit „ge-achtet“ wird und dass der Mensch des h.A. sich selbst als Leistungsbürger niemals "faul" nennen wird.

 

„Achten“ könnte man dagegen nie „leisten“, man steht entweder „in“ der Achtung (vgl. Heidegger: das Stehen in der Lichtung des Seyns), weil man ge-löst ist vom h.A., oder man findet sich im Getriebe, auf der Jagd (Nimrod, Esau, Ägypten). Entweder ist man Freier, oder Sklave und das ist noch „schief“ gesagt: denn man ist doch beides zugleich und der „Weg“ muss doch gewegt (gewagt) werden.

 

Wenn die „Sprache als Sprache zur Sprache kommt“, dann gibt es kein Vorbereitungs-Programm (keine als-ob-Mentalität). Im h.A. fällt man von einer Probe in die andere und wenn es hoch kommt, gibt es vielleicht General-Proben (als-ob). In der Sprache aber, jetzt genommen als „Stehen in der Achtung“, steht man jederzeit in der Ur-Aufführung, also im „Anfang“: der „achte Mensch“ ist immer ein „Anfänger“, er kann sich der Bedeutsamkeit des Augenblicks nicht entziehen. In principio (im Anfang), im Beginn: in der "Hauptsache": je jetzt.

 

Im Kommenden soll von diesem „Entzug“ etwas zur Sprache kommen, von dieser „Versuchung“ zum Sich-entziehen von der Bedeutsamkeit. Die Grundbedeutung von Versuchung ist das „Wunder“ (heute würde man sagen: das Spektakel, das Feuerwerk, das grandiose Event, das Außergewöhnliche usf.). Versuchung ist nciht nur Verführung, sondern meint tiefer gesehen: Lust zum Wunder. Der Mensch ist immer „versucht“ (und abgelenkt) zur Faulheit des äußeren Spektakels, zur Faulheit des „Wunders“. Wenn der Sinn der Heiligkeit darin liegt, im Gesamt „heil, ganz“ zu werden (zu sein), in der Achtung (= Lichtung) zu sein, heißt: in der Dichtigkeit der Bedeutsamkeit – dann ist das Gegenteil der Heiligkeit die „Faulheit zumWunder“ (des h.A.).

 

Der Sinn der "Sprache als Sprache" ist der, dass sie als solche "fertig", absolut wahr in sich, gegeben (geschenkt) ist - sie ist dem Menschen über-liefert - das meint "Offenbarung". Die Sprache als Sprache ist mit einem anderen Wort gesagt: voll-endet - wie jede umsonstige Gabe "vollendet" ist. Es wird darauf ankommen, diese Gabe zu entdecken und sie auch empfangen zu wollen (Empfängnis).

 

Das Wort voll-enden zeigt 1. die Fülle und 2. das Zu-Ende-gekommen-sein. Beides ist schwer vor-stellbar in der Zeit, die doch immer wegfließt. Dass die Bewegung des Lebens "endet", das will man nicht zur Kenntnis nehmen, verdrängt es gut und doch ist zugleich eine Sehnsucht da nach Vollendung, nach Ruhe, nach ewigem Frieden, nach der "Fülle", nach dem Vollkommenen. Ein Vor-Geschmack dieser Vollendung liegt im "Wort", die Sprache "als" Sprache spricht aus die "Vollendung": die Sehnsucht des Menschen nach Vollendung, nach der Fülle seines Seins, sie zeigt sich schon im "Wort der Sprache" an. Légein (lógos) meint das Ein-sammeln, das "Lesen" (gemeint ist z.B. die Weinlese) - in der Vollendung ist "alles" ein-gesammelt, eingeholt, nichts geht verloren; was im Zeitlichen verloren scheint, ist von Ewigkeit her schon "geborgen", "eingesammelt".

 

Die eingebildete Grund-Angst des Menschen vor "Verlust" ist grund-los: diese Angst ist die Quelle aller Betriebsamkeit. Sie ist die Grund-Angst des horizontalen Absolutismus, jene negative Kraft, die erdschwer, horizontal formt. Jeder Augenblick aber ist von Ewigkeit her geborgen, eingesammelt.

 

Es heißt einmal, der Mensch sei hier "exiliert", ein Vertriebener, wie es in Genesis 3 gesagt ist. Er ist hier verwirrt, horizontal-empirisch ausgerichtet, seinen Geschmack (ästhetisch) nährend und seine eigene Macht verfolgend: es sind die Exile von Babel, Persien und Medien, von Jawan und Edom.

 

Die Grund-Stimmung, aus der heraus der Mensch im Exil agiert, ist die "Angst vor Verlust", die Grund-Angst auch, dass er sein Leben "verlieren" könnte, obwohl er genau weiß: er wird hier gehen müssen. Aber wohin? Die horizontale Verlust-Angst suggeriert eine Ende und Aus - dann wird man sentimental und weinerlich.

 

Es wird darauf ankommen, die Vollendung in der Fülle der Schöpfung, dass eben nichts verloren geht, groß werden zu lassen. Der "Vater" bringt doch nichts ins Seyn, damit es dereinst im Nichts verschwindet!

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

02.11.2023

Be-Dingt (Johannes, VT75) - oder: vom Wohnen im Zwischen

Absichtslosigkeit des Seyns: bedingungslos un-bedingt

 

 

Ein Ding, heißt es einmal bei Heidegger: dingt. Was ist ein „Ding“? Dinge, meint man, seien eben tagtägliche Gegenstände, Sachen, wertvoll, banal und dass die Dinge „dingen“, das hat sich eben ein Philosoph ausgedacht. Ding meint eigentlich: es ist da etwas mit einer messbaren Form, ich kann dieses Ding „beschreiben“. Beschreibung ist schon jenes Tätig-werden in „Bildern“ (Vorstellungen). Man macht sich von einem Ding ein „Bild“, kreiert (erschafft) in den Beschreibungen eine ganze Bilderwelt, die für real gehalten wird (unhinterfragt geschieht das). Tatsächlich ist dieses „Kreieren“: in die Realität setzen. Wenn man sagt, etwas sei „be-dingt“, so heißt es: man hängt dann an den Bildern der Dinge, die man erschafft. Es meint: vom Bild „abhängig“ sein, be-dingt sein. M.a.W.: in der eigenen Seins-weise begrenzt werden, von den Be-Ding-ungen gesteuert und gelenkt werden, in gewisser Weise bedeutet das auch eine Gefangenschaft von den Bildern der Dinge. Auch der andere Begriff des Un-Bedingten (das Nicht-Bedingte) ist bekannt (aber nicht er-kannt). Un-Bedingt meint: nicht-abhängig-sein von der äußerlichen Erscheinungsform der Bilder der Dinge. Sie sind zwar da, ich nehme sie wahr, aber ich kann un-abhängig davon sein. Das Un-Bedingte zeigt also in eine andere Dimension, in ein Etwas, das sich im Bedingten nicht zeigt, aber „präsent“ ist. Ökonomisch ausgedrückt ist in jedem Ding ein „Mehrwert“ enthalten, der sich nicht präsentiert.

 

Das Un-Bedingte ist gelöst vom Bedingten, gelöst also von der Norm des Normalen, es ist befreit aus der Gefangenschaft der kreierten Bilder der Dinge. Es meint: ich sehe in jeder Sache nicht mehr das Bedingte, die äußere Form, das Sich-darbietende, sondern das Un-bedingte. „Sehen“ heißt dann aber nicht mehr sinnenfällig sehen, sondern das Sehen im Sinne der Ein-Sicht. Das „Ein“ der Ein-Sicht ist das Einigende des Zusammenhanges, des Bedeutsamen also. So kann man das Un-Bedingte das Bedeutsame im Bedingten nennen. Es hat mit jedem Ding eine „unbedingte“ besondere Bedeutung, die sich der Ein-Sicht zeigt.

 

Im Zwischen leben heißt dann: in der Spannung zwischen Bedingtem und Unbedingtem  leben und es nicht mehr unternehmen zu „erklären“. Das Be-dingte lässt sich in gewisser Weise erklären, bestimmen, berechnen, kalkulieren. Es bleibt so in seiner Erklärung horizontal und geht ins Uferlose. Ins Uferlose der Erklärungen gehen bedeutet: es wird „langweilig“, es ist die Wiederkehr des Immerzu-Gleichen, also das, was man schon zum Voraus immer gewusst und berechnet hat: man steht distanziert (objektiviert) im Irrgarten der Horizontale. So bekommt das Rechnen mit dem Ding immer das berechnete Ding. Man spürt dabei, wie Heidegger das einmal in seiner Vorlesung von 1929: Welt – Endlichkeit – Einsamkeit / erklärt: wie die tiefe Langeweile am Grunde des Existierens wie ein schweigender Nebel hin- und herzieht. Heidegger kennt aber in dieser dritten Form der Langeweile nicht die Verirrung in den horizontalen Absolutismus. „Rechnen“ meint hier nicht explizit das Mathematische, sondern die Seinsart der Alltäglichkeit, es meint z.B. das Sich-Sorgen-machen, Erwartungen haben, Wünsche und Absichten verfolgen.

 

Erklärung als horizontales Phänomen kann man auch übersetzen mit: Absicht. Jede Erklärung trägt in sich die Handschrift einer „Absicht“ und mit der Absicht einher gehen die Gründe, das Um-zu, die Planbarkeit: es muss sich auszahlen. Absicht, Erklärung, Ziel und Zweck, Mittel usf. – es sind alles Handwerkszeuge kaufmännischer Gesinnung. „Ab-sicht“ trägt in sich: ich habe etwas davon, es bringt mir etwas ein, es ist nicht umsonst, ich habe einen Gewinn in vielerlei Hinsicht. Die Motivation der Absicht liegt im: es ist letztlich um meiner selbst willen. Diese „Sicht“ der Absicht hat sich im bloß Horizontalen (Zeitlichen) fest-gemacht. Die Augen öffnen sich in diesem Moment für das Feuerwerk des Zeitlichen und zugleich schließen sie sich für die Dimension der Ewigkeit. Absichts-los tun und handeln wäre ohne jene egoistische Motivation, im Gegenteil – absichtslos sein wäre das Eintreten in einem Raum der „Überraschung“, also die Beziehung einer Position des Unberechenbaren und damit wäre auch das Langweilige des Immer Gleichen gebannt, denn jeder Moment in der Zeit trüge das Un-Bedingte in sich, das darauf wartet, ent-deckt zu werden. Im bloß Horizontalen regiert, kann man sagen, das bloß „Be-Dingte“ und mit jeder Absicht und Erklärung fordert man einen bildhaften (verständlichen) Beweis seiner eigenen Absichten, man sucht die Bestätigung der eigenen „schlanken Ontologie“. Man lebt in der Horizontale be-dingt, jederzeit berechnet und absichtsvoll und meistens zu eigenem Nutzen.

 

Kann man un-bedingt (absichtslos) existieren? Schon die Frage bezeugt die Antwort. Was bedeutet un-bedingt leben? Es meint: nicht mit Bild und Einbildung und Erklärung gebunden sein (einen Bund mit jenen haben), nicht belastet mit Absicht und Beweis. Belastet mit Absicht und Beweis meint: entweder – oder, entweder das Gute oder das Böse, entweder Leben oder Tod, entweder dies oder das. Der eindimensionale Mensch startet immerzu von einem Pol des Entweder-oder und ist am Ende frustriert. Er hat die Einheit verloren, ist blind und taub für das Eins-sein und verloren entweder in dies oder in das, am Ende ist er immerzu am Erklären, auch am Erklären mit der Formel: Um das geht es! Man spürt die Abständigkeit aus dem Gedicht (Dichte) des Seyns: dass es sich lebt, sich zusagt, sich erzählt, dass es sich fügt: das kann der eindimensionale Mensch nicht mehr sehen, er ist: er-blindet. Ein Zugang aus der Welt des horizontalen Absolutismus, ein Ausbruch aus ihr, zeigt das „Spiel“. Ein Spiel kann man nie planen oder berechnen, vielleicht hat man die Absicht, das Spiel zu gewinnen, aber es bleibt immer ein Wagnis, das Spiel ist in sich „offen“ und muss es sein. Man sagt, der Satan sei ein Spiel-Verderber, es meint: er mag das Spielen nicht; das Leben, so meint er, sei hier (horizontal) viel zu ernst, nämlich „todernst“, als dass man es mit dem Spiel vergeuden sollte. Tatsächlich: die Logik der Nur-Horizontale kennt nur das Leisten, die Absicht, den Lohn, das quid pro quo, das Entweder oder, das Brav sein oder das Böse sein usf. Es ist hier genau der Begriff des „Abstrakten“ (Hegel): entweder ist dieser da ein „Mörder“ oder ein „Heiliger“, dass einer aber beides zugleich sei, das ist dem horizontalen (abstrakten) Verstand ein Greuel. Tod-ernst ist der Mensch dann auch in seinen Bildern und Festlegungen, die ihm als absolut gelten. Es fehlt dem dürren Menschen (abgemagert in seiner eigenartigen schlanken Ontologie) der Spiel-Raum, die Beweglichkeit also, es fehlt ihm die geistige Öffnung. Wer also nur mehr das Horizontale kennt, verkrümmt sich abstrakt zur Fixierung und ist in der Verkrümmung zugleich Opfer derselben – ein Teufelskreis.

 

Es heißt, dass das „Verhalten“ eines Menschen nicht lügen könne, im Verhalten zeige sich sein Wahr-sein. Halten nennt man seit jeher das „Hüten“; das Ver-halten eines Menschen ist in sich das Bewahren und Hüten dessen, was einer „ist“ – der Mensch hütet (hält) sein Seyn. Dieses Hüten kann nicht lügen: es zeigt sich wie es an ihm selbst ist. Man kann hier auch sagen, dass der Mensch – ob er es weiß oder nicht – die Geister in ihm hütet, die er hütet. Ist der Geist der „Absicht“ mächtig, ist es der Geist der Leistung, der Belohnung, ist ein Geist der Unverzeihlichkeit präsent und stark, hütet einer bei sich den Geist des horizontalen Absolutismus? Ist es vielleicht der Geist der Erlösung, des Wohlwollens?

 

Woher kommt eigentlich der Geist der Absicht?

 

Zugleich sei die Frage gestellt: was bedeutet die „Bedeutsamkeit“ in einem und was meint dann die Verobjektivierung im Erklären (das Nichtbedeutsame)? Eine weitere Frage: „ist“ etwas nur dann, wenn es bedeutsam für mich ist im Sinne des „Erlebens“? Es meint: ich kann z.B. ein Leben lang Bücher über Erlösung lesen und gescheite Vorträge darüber hören – aber die Erlösung „ist“ nicht bei mir und in mir, sie ist kein Seyn in mir. Sicher ist der Zeitgeist prägend, nach und nach blieb in den letzten Jahrhunderten von den 4 Gründen (Metaphysik) die causa efficiens bestimmend – die Wirkursache. Wenn dies und dies, dann das und das. Eine „Absicht“ steht dahinter. Es ist das Zeitalter der Großen Wende und der massenhafte Einzug in die Horizontale. Der Schöpfer-Gott wird wegrationalisiert, verdrängt vom Erfolg der „Absicht“ im Horizontalen. Mit dieser Absicht stirbt in gewisser Weise das „Spiel des Seyns“. Damit wird es im Habitus der Gesellschaften zunehmend tod-ernster. Nicht zufällig wird „Bildung“ verpflichtend, die Schulen kommen. Absicht haben heißt: rechnen, denken, überlegen – rational sein wollen und demgemäß handeln, Ziele erreichen: seyn um-zu. Die Früchte der Absicht stellen sich süß und verlockend dar und in vielerlei Hinsicht genießt man diese Früchte. Dass sie wieder morgen weg sind, das interessiert den horizontalen Augenblick wenig. Mit der Absicht also kommt das Machen-wollen, davon auch das Wort „Macht“ spricht. Absicht haben heißt zugleich: sich vom Absichts-losen entfernen, sich vom Geschehen-lassen distanzieren, sich vom Seyn-lassen wegwenden: also keine Gelassenheit er-kennen im Sinne des bräutlichen Erkennens.

 

Wenn in der Absicht das quid pro quo gilt, so sieht der Horizontale jederzeit in dieser Weise. „Sehen“ meint jetzt die gesamte Seinsverfasssung ist derart absichtsvoll (distanziert) geprägt. Mit dieser Verfassung wird der Mensch zunehmend beziehungs-los, in erster Linie empfindet er sich als Satellit, der zunehmend gesellschaftlich gesehen auf Kollisionskurs unterwegs ist. Es stellt sich hier die Frage: was meint absichtsloses, machtloses (ohnmächtiges), umsonstiges Existieren. Mit den Augen des horizontalen Absolutismus gesehen wäre das Urteil klar: es ist im Leistungsbetrieb ein unzumutbares, faules und keinen Gewinn bringendes Existieren – es hat keinen Wert, bringt mir und dir nichts. Nehmen wir für einen kurzen Moment an, die Kantischen ästhetischen Koordinaten Raum und Zeit gehörten zur Seinsverfassung des Menschen, sodass er aus dieser „Haut“ nicht heraus kann. Kant war, wie mir scheint, selbst Opfer seiner eigenen Denkart. Die Bestimmung (das Urteil) in Raum und Zeit hinterlässt dann jederzeit den Eindruck, dass es „so oder so“ sei (eine fixierte Darstellung, ein Bild). Im horizontalen Absolutismus (kurz h.A.) ist schon die Sprache in sich ver-objektiviert, also distanziert. Dieses: so ist es, so genau verhält es sich, gibt eine scheinbare Gewissheit, also eine scheinbare Beruhigung. Vielleicht ist es so, dass der Mensch in sich selbst, im Innersten bei sich, eine Un-ruhe hat, einen großen Aufruhr; er ist sich dessen gar nicht bewusst. Und um diesen Aufruhr wenigstens nicht zu bemerken, beruhigt er sich mit der Objekt-Sprache, er be-gnügt sich damit. So hat er jederzeit eine Schein-Befriedigung, die ihm doch für den Augenblick ent-lastet und schlafen lässt am helllichten Tag.

 

Frage: was ist das Wesen dieser innersten Un-Ruhe im Menschen? Möglich, dass er darum weiß, dass er gar nicht „so“ lebt wie es von Ewigkeit her bestimmt ist. Im Christentum nennt man das „Erbsünde“, es kommt dem gleich, was man das „Essen der verbotenen Frucht“ nennt. Dazu wäre einiges zu sagen. In der Objekt-Sprache leben bedeutet horizontale „Punktlandungen“ zu erleben, also Schein-Befriedigungen zu sammeln in Urteilen, Erklärungen, Nachplappern (heute Expertenmeinungen nachplappern) usf. Der heutige Mensch scheint eine ungeheure Sehnsucht nach diesen horizontalen Punktlandungen zu haben, weil er in sich spürt: es stimmt mit mir gar nicht. Die Schein-Ekstase der Definition, der Erklärung, des schnellen Urteiles usf. genügt aber für den augenblicklichen Rausch. Man sucht dann die Zustimmung, den Applaus der Anderen und ist für den Moment „befriedigt“, hat scheinbaren Frieden. Die Dramatik oder Tragödie aber ist: dieses sinn-lose Spiel geht ins Uferlose (ins Un-endliche) – man kommt an kein Ende damit und oft endet es in Depression, Rechthaberei, oft in Sinnlosigkeit. Der Aufenthalt in der bloß horizontalen Objektsprache hängt schicksalhaft mit der „griechischen Tragödie“ zusammen, gemeint ist hier nicht eine literarische Gattung, sondern die Tat des „Alexander“.

 

Mit der Frage des Parmenides wird ausdrücklich die Frage nach dem, was „ist“: die Seins-Frage. Es folgt eine Verwirrung nach der anderen, eine Verstrickung löst die andere ab und im 20. Jahrhundert ist die Philosophie so zerstreut und verwirrt, dass man diese Speise kaum mehr aufnehmen kann. Bliebe es bei den Verwirrungen, wäre das nun doch vielleicht ein „Blut-Boden“, der doch Lebendiges bringen könnte. Dann aber ist die Tat von „Alexander“: kurzerhand durchtrennt er den Knoten und von nun an gibt es die Trennung – das Mysterium „ist“ nicht mehr, weil der Mensch das Mysterium in sich abgetrennt, getötet hat. Somit hängt der Mensch aufgehängt: entweder ist er Stoiker, dann kann er mit der horizontalen Welt nichts anfangen, er verachtet sie, oder er wird optimistischer Empirist oder aber, wie es heute gelebt wird: egalitärer Impuls-Mensch (Hedonismus). Er könnte freilich zugleich alles sein, das aber ist für den abstrakten Verstand nicht „machbar“. Die Tragödie des Alexander kommt dem Töten des Erlebens gleich, die „Dichtung im Seyn“ geht verloren, die Objektsprache gewinnt (scheinbar), der Mensch hat ein Mittel gefunden, Punktlandungen zu setzen, die ihn für den Augenblick, für die Horizontale, befriedigen und beruhigen. Aber die „Unruhe“ (der innere Aufruhr) bleibt, lässt sich nicht zum Schweigen bringen – durch die Jahrhunderte hindurch. Mit der Legitimierung der Objektsprache geht das „Bedeutsame des Gesamt-Sinnes“ verloren; das Gedicht im Seyn wird verlassen. Das „Mysterium“ (der Knoten) wird durchtrennt, auch bei uns selbst. Mit dem Geheimnis der Schöpfung kann man nichts mehr anfangen und dass das rationale Denken den Knoten entwirren könnte, das zeigt die Geschichte des Denkens, ist von vornherein eine Sackgasse. Und vielleicht freut sich einer daran, von dem es heißt, er wäre der „Engel, der immerzu zu viel gedacht hat“, der also seine Behausung im Distanzierten der Objektsprache hat, der auf die horizontale Punktlandung setzt und der immerzu „kurzen Prozess“ macht: eben das Durchschlagen des Knotens (Mysteriums).

 

So kann man schon sagen: die Jahrhunderte in der Folge werden immer „bedeutungsloser“ (bedeutungsärmer); es meint: das Bedeutsame ist in der Dichtigkeit des eigenen Seyns abhanden gekommen und wo es „rational“ gesucht oder erklärt wird, da wäre die Verirrung doch am größten. Mit dem Sterben der eigenen Bedeutsamkeit wird der „sentimentale Mensch“ geboren: man sucht von außen her Zugang zum Innerlichen, wird weinerlich, emotional – aber nur für den angestrengten Moment, für die heilige Minute in der Woche des Alltags. Die „Wiederholung“, von der Nietzsche spricht, die ewige Wiederkehr des Gleichen, sie ist im sentimentalen Menschen am Höhepunkt: er will mit sinnlosen Mitteln das Sinnstiftende erreichen und scheitert immerzu. Dafür hatten die Griechen ein Empfinden: Sisyphos.

 

Die „Semmering-Kultur“ bringt das Drama von Alexander zum Höhepunkt; auch heute gibt es diese komischen Leute, die schon einen Höhepunkt erreichen, wenn sie „wie damals“ ihre weinerliche Lebensart zelebrieren. Die „Dichtung im Seyn“ also: Dichtung im Seyn meint „Nähe“, ein Gespräch eigentlich mit dem Du, dem Schöpfer, der alles erschaffen hat und geschaffen hält, dem nichts entgleitet, in dem alles „gesammelt ist“ (légein, lógos). Ist dieses „Wohnen“, dann ist es – ist es nicht, dann ist es nicht; obzwar der Schöpfer deshalb nicht weg ist, es ist umgekehrt: ich bin „weg“; also nur mehr im Horizontalen unterwegs. Und es ist doch sehr eigenartig, dass gerade Menschen, von Berufs wegen oder auch nicht, die das Wort Gottes im Mund führen, doch nicht „ganz dicht im Seyn Gottes“ stehen, also beziehungs-los reden: das sind dann die Erklärungen, Überzeugungen, so, als müssten sie sich selbst erst von außen her „überzeugen“. Wie wäre es anzunehmen, dass das Wohnen im Gedicht des Seyns Gottes genügte, das meint das Wohnen am „Nullpunkt“ des Existierens, es meint den Verzicht auf die eingebildete Dignität meiner eigenen Vorherrschaft: das wäre das „Opfer“, dieser Verzicht.

 

Mit diesem Opfer wäre doch eine Antwort da und diese Antwort ist doch in sich nichts anderes als: Ver-Antwortung übernehmen; den Gesamt-Sinn also nicht unerwidert lassen. „Opfer“ wird heute – wie sollte es anders sein, wiederum „sentimental-weinerlich“ verstanden. „Opfer“ meint doch „Verzicht“, Verzicht in erster Linie auf die eingebildete Dignität der eigenen Vorherrschaft. Der sentimentale Mensch ist manchmal bereit, „etwas“ zu opfern, nie aber seine eigene Kontrolle und Oberhoheit. Seine eigene Planung und Erklärung opfert er nicht, das käme ihm wie Selbstaufgabe gleich. Opfer (im Hebräischen „korban“) meint nicht nur Verzicht, sondern zugleich das „Näher-kommen“ zu Gott). Wer „opfert“, der opfert nicht „etwas“, sondern bringt seine gesamte Existenz in das Ge-Dicht des Seyns. Die Welt ist dann bedeutsam in jeder Hinsicht, aber von Ewigkeit her bedeutsam. Sentimental geneigt ist der Mensch zugleich voller „Schuldgefühle“. Entweder lamentiert er über das Vergangene, fühlt sich schuldig bei dem, was doch nicht mehr „ist“ oder er bangt um die Zukunft, sorgt sich um das, was auch nicht „ist“. Er ist also sentimental ob seiner Vergangenheit oder sentimental in der eingebildeten Zukunft. „Weinerlich“ (sentimental) ist also der Mensch des „Selbstmitleids“, er ist im Wesen ein „purer Egoist“, kreiselt er doch ständig um seine eigene Befindlichkeit, er kann seinem Egoismus (seiner Befindlichkeit) nicht entkommen. Selbstmitleid, kann man sagen, ist doch die dümmste Form des Egoismus: man be-findet sich als „Opfer“ der Umstände und beklagt eine Welt des Äußerlichen – die Anderen sind dann Schuld, dass ich so „bin und geworden bin wie ich bin“. Im Zeitalter der Selbstbegaffung im ausgehenden 19. Jahrhundert erreicht diese Daseins-Form des weinerlichen Selbstmitleids einen Höhepunkt. Das Erstehen der Psychoanalyse gibt dieser Form eine pseudowissenschaftlichen Ausdruck.

 

Zusammenfassend: der Mensch des horizontalen Absolutismus ist jederzeit zur Punktlandung im bloß Horizontalen geneigt, er ist zum „Fallen geneigt“ (zum Sturz, ruina). Punktlandung bedeutet jetzt aber: eine sinnliche Verdichtung empfinden, ein horizontales Erlebnis erfahren, eine zeitliche Sinnstiftung erhaschen – und die Objekt-Sprache ist Grundlage für diese Seins-Art der Verkrümmung. Denn die Objekt-Sprache vermittelt das Pseudogefühl einer Wahrheit und entlastet für den Moment das Dasein vor seiner Verantwortlichkeit dem Schöpfer gegenüber. Wie man vor dieser Verantwortlichkeit flieht, vor seinem Schöpfer, so flieht man auch das Sterben – es geht dann auch sehr „sentimental-weinerlich“ bei den sogenannten Trauerfeiern zu. Heute wünscht man sich auch keine Beileidsbekundigungen mehr, man will die Trauerfeier hygienisch-sentimental halten und freilich im Voraus alles „geplant“ haben.

 

Der Mensch der Punktlandung aber „vergisst“, will schlafen und berauscht sein, weil er sein eigenes horizontales (weinerliches) Dasein nicht erträgt; das Vergessen ist die Vernebelung, das Dahindämmern, das Sich-für-den-Augenblick-beschäftigen. Gesuchte Punktlandung heißt dann auch: den Gesamtzusammenhang (die Einheit in Gott dem Schöpfer) aus dem Blick verlieren, nicht mehr „wach sein“ zur Einheit. Es ist das Leben ohne vertikalen „Sinn“. Und das ist der Sinn der „Faulheit“: faul ist gerade der Leistungsmensch, der Mensch des horizontalen Absolutismus ist wesentlich „faul“, träge zur Dichtigkeit im Seyn, träge, Ver-Antwortung zu übernehmen, dem Schöpfer zu antworten. Paradox: für den Leistungsmenschen ist freilich der faul, der im Getriebe des h.A. nicht mehr mitmacht.

 

Die Einheit in Gott lässt sich rational nicht befriedigen, sie bleibt ein „Mysterium“ und ist doch anwesend, stört den horizontalen Menschen in seinen Berechnungen: lieber ist dem Horizontalen dann seine eigene Kalkulation und Planung für den Augenblick wenigstens, er verlässt sich lieber auf seine Rationalität, denn das Mysterium ist ihm zu ungeheuerlich, es bedroht seinen engen Horizont. Man schaltet also gewissermaßen den Schöpfer aus und möchte lieber nur horizontal leben, planen, erklären und so werden auch „Anfang“ und „Ende“ rein horizontal erklärt. So erklärt man auch das „Sterben“ und plant es. „So“ zu leben bringt den Menschen eigentlich an den Rand des „Wahnsinns“ – es ist das Leben „ohne Sinn“. Die Dramatik ist hier auch die, dass gar nicht mehr die Frage existentiell gestellt ist; wenn die Sinnfrage gestellt wird, wird sie „theoretisch“ gestellt, objektiviert, entfernt von der eigenen Existenz als Thema, das mal und mal interessant scheint, als Lückenbüßer der eigenen Langweiligkeit. Man zitiert dann sentimental Frankl und kennt ein wenig seine Sinn-zentrierte Logo-Therapie, wird sentimental und weinerlich, weil der doch so viel im KZ mitgemacht hat und hat dann bei sich das erhebende Gefühl, ein wichtiges Thema besprochen zu haben (eines unter unzählig vielen anderen).

 

„Punktlandung“ meint doch Erklärung, Berechnung: ich will es „wissen“. Nach der Dignität dieses eingebildeten Wissens wird nicht gefragt, man ist zufrieden mit einer „Erklärung“ und wenn heute die sogenannten Experten (die Gescheiten) Erklärungen abgeben, dann reicht das schon: man glaubt das, nimmt das für bare Münze – Ende und aus. Jede „Erklärung“ schenkt eine Schein-Sicherheit, die dem Flüchtling vor Gott eine augenblickliche Unterkunft gewährt. Die heutige horizontale Erklärung ist aber morgen schon wieder von vorgestern. So läuft man zeitlebens im Hamsterrad der Erklärungen und sehnt sich nach „Vergessen“: nach Rausch, nach Taub-sein, nach Abwechslung.

 

Es gehört zum horizontalen Menschen, dass er es aufgegeben hat, das Unmögliche zu sehnen. „Ewiges Leben“, z.B., das ist ihm etwas Fantastisches, er mag sich das gar nicht ausmalen, austräumen. Man hört die Worte manchmal und schaltet ab. Man muss doch Realist sein, handfeste Dinge bewerkstelligen, tun, was Hand und Fuß hat – zum Träumen sind wir nicht geschaffen. Und erst die Erzählungen aus der Heiligen Schrift: damit kann ein Horizontaler gar nichts anfangen und auch die vielen Theologen sind sehr verlegen mit diesem Buch. Mit der Schrift des Alten Bundes kann man nichts mehr anfangen: die Texte werden gelesen, aber kein Sinnzusammenhang ist da; so liest man die Texte bedeutungslos und wird darob verlegen. Ebenso mit den Schriften des Neuen Bundes. Man spürt: es ist eine ungeheure Blockade da zum Unbegreiflichen, eine Blockade zum Un-Erklärlichen, denn dass z.B. der 100 jährige Abraham und die neunzigjährige Sara noch den „Lächerlichen“ (den Unmöglichen), den Isaak, bekommen, das kann man rational nicht erklären. Und damit ist es auch schon zu Ende, die Geschichte ist eben ein Märchen, etwas für Zurückgebliebene, die können das glauben oder auch nicht.

 

Und so ist es doch mit allen Erzählungen der „Schrift“. Man ist heute (und vielleicht war es immer so) in einer tiefen, tiefen Verlegenheit. Bestenfalls bemüht man sich, eine Verbindung zur sogenannten Realität herzustellen. Oder: wie tief ist doch die Verlegenheit beim Begriff der „Heiligen Dreifaltigkeit“? Der Vater im Sohn, der Sohn im Vater und beide im Heiligen Geist? Der horizontale Verstand könnte irre werden beim Lesen des Johannes-Evangeliums und dass die Passion des Herrn die Erlösung der Menschheit besagt, wer kann das noch horizontal begreifen. Da der leidende und zu Tode gekreuzigte Menschensohn, der dann verherrlicht zur Rechten des Vaters sitzt?

 

Der horizontale Verstand scheitert und er muss es; er kann rational hier nichts mehr „erklären“, „berechnen“ oder horizontal „unterbringen“. Mit der Irritation des Mysteriums wird man horizontal dann eben so fertig, dass man dieses unterbringt im „Eck des Christentums“ – das ist etwas für Frömmler, für Gläubige; es wird auch in das „Belieben“ gestellt: jeder wie er mag und will. Ein Leben „ohne Be-dingung“ ist im horizontalen Absolutismus – so scheint es ihm selbst – nicht möglich. Es würde bedeuten: ohne Bedingtheit zu leben, sich nicht vom Anschein der Dinge berücken zu lassen, also frei zu sein für das Unerklärliche: gelassen zu den Dingen und offen für das Geheimnis (Heidegger). Ohne Bedingung meint: ohne Absicht. Wer ohne Absicht lebt, der hat eigentlich keinen „Plan“ mehr, der hält das Unmögliche jederzeit für „wahr“. Das „Absichtslose“ erwartet auch keinen Lohn, es ist nicht mehr eingespannt in das Leisten-müssen, es hat keinen Ehrgeiz bei sich, sondern kann die „Dinge seyn lassen“.

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

14.10.2023

 

 

Verhaltung – Erklärung – Sein-lassen (VT Johannes, 11)

 

 

G.W.F. Hegel sagt einmal in seiner Rede über das „abstrakte Denken“: Mir selbst ist es schrecklich genug, wenn einer zu erklären anfängt, denn zur Not verstehe ich alles selbst. Dieses Wort von Hegel ist mehrfach (speculativ) auszulegen: einmal meint es das „Erklären“ überhaupt (die Deklaration), weiters das Aufmerken über das Wort als den Stillstand „im“ Wort und dann meint es auch – pejorativ: das Sich-verlieren in der Oberfläche des Wortes im Sinne der besinnungs-losen  Aufnahme ohne Weiteres: also der oberflächliche Gebrauch der bloßen Wörter „zum“ Gebrauch.

 

„Wenn einer zu erklären anfängt“: was meint Erklärung? Im Wort selbst liegt das „Klären“, das Klar werden, das Sich-lichten im Sinne des „Licht-werdens“. Frage: Wenn es sich „lichtet“, braucht man dann noch das Erklären im Sinne der Darlegung der Verhältnisse, der Überzeugungen? Hegel meint doch oben in erster Linie das Erklären als: ich überzeuge jetzt mit meinen Argumenten den Anderen von meiner Wahrheit, der soll gefälligst meine Wahrheit verstehen und annehmen, denn mein Argument ist schlüssiger, wahrer, der dort soll einsehen, dass ich es „weiß“! Warum haben wir diese Neigung zum Erklären in jenem Sinne? Diese „Haltung“ ist eigentlich sehr aggressiv, der Andere soll regelrecht erschlagen werden von meinem Argument – ich lasse den Anderen nicht „sein“, ich ge-wahre ihn nicht (lasse ihn in seinem Sein nicht „sein“), er soll sich gefälligst ändern aufgrund meiner Argumente und Erklärungen. Nun eine unbegründete Behauptung: wer sich „erklärt“, ist beziehungslos. Diese Beziehungslosigkeit ist dem Erklärendem gar nicht bewusst – seine gesamte Seins-Verfassung ist ohne Beziehung. Hier ist die Stelle zu fragen: was heißt Beziehung? (nebenbei: die in der Philosophie gehasste „unbegründete Behauptung“ ist mir sehr lieb, sie ist sicher ein Kennzeichen von „Wahrheit“). Nun, was meint Beziehung? Beziehung könnte sein: Sehnsucht der Sprache, Eröffnung des Wortes, Sich-sagen-lassen, Hören-wollen, Still-sein, Schweigen vermögen, Ankunft ermöglichen, den Augenblick ge-wahren: das Wort „achten“.

 

Das Wort „acht-en“ bedeutet: das Wort „heiligen“ (ist doch der 8.Tag der heilige Tag, der Auferstehungs-Tag, der Sonn-Tag, der Tag, der hier in der horizontalen Welt nicht sinnlich wahrnehmbar ist, aber die Horizontale maßgebend durchwirkt). Was meint „beziehungs-los“? Im hier gemeinten Sinn meint es, dass der Mensch seinen Ursprung, seine Herkunft, am Ende seine ewige Bestimmung verloren hat. Er frägt nicht mehr nach dem Gesamt-Zusammenhang, nach dem Gesamt-Sinn, er frägt nicht mehr „nach“, sicher auch nicht mehr nach dem „Sinn“ des Wortes, das doch auf Nachfrage wartet, das bettelt um Nachfrage. Wir lesen Texte, Sätze, Romane, Schriftliches – wie es kommt: aber wir fragen nicht mehr: was meint das eigentlich, was „bedeutet“ das, was „meint“ dieses Wort eigentlich?

Mit „Babel“, so heißt es, kommt die „Sprach-Verwirrung“: keiner versteht mehr die Sprache des Anderen: jeder lebt also nach eigenem Ermessen und mit dem „Messen“ stirbt es sich; wer nur mehr „misst“, der ist ein Toter (längst bevor er ver-endet). Mit der Beziehungslosigkeit fängt das „bloße (entblößte, prostituierte) Gerede an (also das Erklären wollen und müssen, ein Zwang fast). Je mehr solches Gerede, desto weniger Beziehung. Was heißt Beziehung? Beziehung meint: dies hier und jetzt ist mir nicht gleichgültig, nicht egal. Hier und Jetzt meinen Zeitlichkeit: hier und jetzt geht mich an und wenn es mich an-geht, ist es mir wichtig, nicht egal. Beziehung meint als Sinn-Fälligkeit, Sinn-Eröffnung, zu fragen: was meint das jetzt, was sagt es mir: dieses Hier und Jetzt, dieser mir zugeschickte Augen-Blick? (ist nie ohne Bedeutung) Zur Beziehung gehört unbedingt ein „Überschuss an Fantasie“, ein Vermögen zum Träumen. Aber das T-räum-en genommen jetzt als: Raum ein-räum-en, es meint: Raum schaffen , es meint: aus-räumen, leer-machen, Sich-leer-machen. Wer sich also aus-räumt, der schafft Raum. Wofür?

 

Raum für das Un-Bedingte, das Ewige, Raum für den „Sinn“ – Raum für die Bestimmung, Raum für den, der alles erschaffen hat und am Leben erhält. Ein-räumung ist Hören-wollen, acht haben auf die Bedeutsamkeit, Kräftig-sein zur Fantasie. Die Fantasie ist kein Hirngespinst oder eine schlechte Tagträumerei. Ich möchte Fantasie übersetzen mit: Mut zur Realität oder anders gesagt: dem „Geist“ entsprechen. Das Wort „Fantasie“ ist leider (wie die gesamte Sprache) erstarrt in Worthülsen. Man meint daher: Fantasie entspricht nicht der Realität. Das ist ein Erbe der letzten Jahrhunderte, gipfelt dann im Positivismus usw. Man meint dann: real ist das, was mit den Sinnen gemessen und konstatiert werden kann. Fantasie meint aber ursprünglich: Einräumen von Wahrheit, Einräumen von Gesamt-Wirklichkeit – ein Fähig-werden zur Wahrheit, ein Durchbruch zum wahren Seyn, ein Durchbrechen zur „Schöpfung im Wort“. Anders gesagt: fähig sein zu glauben, zu hoffen, zu lieben. „Diesen“ Raum der Fantasie „realer“ zu nehmen als die sogenannte eindimensionale Welt, wahrer zu nehmen als den horizontalen Absolutismus. Man sagt: mit der Zeit der Aufklärung beginnt das Zeitalter der Fantasie-losigkeit. Es ist genau auch der Beginn des „Zeitalters der Erklärungen“ (nicht zufällig ist daher Hegels Bemerkung über das Erklären). Wer immerzu erklärt, hat keine Fantasie mehr und die heutigen Erklärungen sind heute abends schon wieder alt, man muss morgen wieder neue Erklärungen verlautbaren. Mit den Erklärungen nimmt es kein Ende mehr, jede Erklärung verlangt nach einer weiteren und am Ende steigt eine Depression hoch (vor lauter Erklärungen).

 

Hier ist auch die Stelle, die „Distanzierung“ zu bemerken: je mehr erklärt wird, desto satter steht man in der Distanz zur Dichtigkeit des Seyns, man hat Abstand genommen, versteckt sich im Exil einer eingebildeten Sicherheit. Wenn die Beziehung zum ewigen Sinn verloren geht, beginnt also das Zeitalter der Erklärungen. Es ist zugleich das Zeitalter des „Taub-seins“, des „Nicht-mehr-zuhören-könnens-und-wollens“. Jeder hat seine eigene Überzeugung und die will er dem Andren aufzwingen. Man hört einander nicht mehr, will sein Eigenes los sein – das reicht. Damit ist man dann auch schon zufrieden. Noch einmal: was meint Beziehung? Beziehung heißt eigentlich in erster Linie: nachfragen nach dem „Wort“ – denn, wie es heißt: im Anfang ist das Wort (Joh). Was heißt Anfang? Beginn, in der Haupt-Sache, im Wesentlichen, im Lebendigen, im Lebenden, im Ewigen – das heißt Anfang.

 

Anfang (in principio) ist also nicht ein horizontales Phänomen, sondern ein die Horizontale einbehaltendes Ereignis von Ewigkeit. „Ewigkeit“: was meint Ewigkeit? Genau hier ist das Fragen nach dem „Wort“: was eröffnet es mir, was will es mir zu-sagen? Der „Mensch“ ist Mensch nur  „im“ Wort: erst dann, wenn die Sprache spricht, ist der Mensch „Mensch“, also: wenn die Sprache an-klingt, einen (meinen) Gesang spricht.

 

Man sagt: der Mensch spricht und also ist er das „sprechende Wesen“. Aber „spricht“ der Mensch überhaupt, weil er es vermag, „Wörter“ zu benutzen und könnte es nicht sein, dass er zwar Sprache benützt und er aber in der Benützung der bloßen Wörter sein Mensch-seins ablegt, gar nicht die Würde des Mensch-seins anerkennt? Dann wäre das Wort nicht nur Wort nach der Sprache, sondern „Wort“ des Lebens. Das Wort spricht erst dann „als“ Wort im Anklang. Und dieser „Anklang“ zeigt sich im Erstaunlichen des Wortes und das Erstaunliche ist das „Sich-eröffnende“: die Einladung zum Anklang oder die Eröffnung des Gastmahles (Platon). Dass der Mensch die Sprache „hat und benützt“, verbürgt noch lange nicht, dass er sie auch „sprechen lässt“. Das klingt so, als ob die Sprache sprechen wollte, der Mensch aber vor lauter Gerede und Laut-sein nicht die Sprache zur Sprache kommen lässt. Also ein „Zu-lassen der Sprache“, ein Warten auf das Wort – modern ausgedrückt: ein eher passives Sich-zurück-nehmen, damit die Sprache im Wort zur Sprache kommen könnte. Notwendig wäre dazu die „Eröffnung“ und die Eröffnung ist das Offen-stehen für den Empfang. Wenn aber das Seins-Geschehen (der Zirkel auch des Da-seins) geschlossen wird des im „Alle-Augenblicke-zu-Ende-kommen-wollens“ im Nur-noch-Horizontalem, wird die lebendige Sprache zur bloßen Objekt-Sprache, zu etwas Totem. Es meint die panische Fixierung und Festlegung, das Festhalten-wollen dessen, was doch nicht bleiben kann, die Klammerung an das Vergängliche, es meint die Sentimentalität in allen Fixierungen. Reine Objekt-Sprache ist wesentlich ohne Beziehung. Man frägt in der Objekt-Sprache nicht mehr nach dem „Sinn des Wortes“, man weiß schon immer (so meint man), was die Wörter sagen, was sie meinen, wie man sie korrekt gebrauchen sollte. Das Offen-stehen für den Empfang des Wortes wäre das „Erstaunliche“, das nämlich: dass die Sprache spricht. Und die Sprache „spricht“ ihr Wahres dort, wo es plötzlich zur Kon-frontation kommt, wo es also mit dem Herkömmlichen und Gewohnten zur Kollision kommt, wo plötzlich Fragen kommen wie: was meint das eigentlich – was bedeutet das eigentlich – was ist der „Sinn“ dieses Wortes, woher kommt es, gerade jetzt und hier? In diesem Augenblick der Eröffnung wird man zum „Wort“ (lógos) beziehungs-fähig. Erst dann gibt man der Sprache Gelegenheit, sich aus-zu-sprechen – erst dann, könnte man sagen, ist der tierische Körper zum Mensch-sein (Leib) gekommen.

 

So ist die „Sprache als Sprache“ wesentlich mehr ein: Hin-hören-können-und-wollen, also gerade gar nicht ein Reden nach Art der Objekt-Sprache. So müsste man und könnte man sagen: Es spricht sich aus. Wer ist Es? Die Sprache „als“ Sprache (es spricht sich aus), zeigt in einen unzugänglichen Raum, am Ende in das Mysterium der Sprache, also in das Geheimnis der Sprache, aus dem her und in das hinein der Mensch „als“ Mensch be-stehen kann. Stehen heißt nicht mehr Liegen, sich aus der Horizontale in die vertikale Dimension heben. Sprache und Be-stehen haben denselben Sinn. Solange der Mensch ein Höriger der Objektsprache bleibt, solange kann er nicht aufrecht-gehen und die deutsche Sprache kennt auch denselben Sinn des Aufrichtig-seins und meint damit: wahr-sein. Erst im Erhoben-sein zur Vertikale ist der „Mensch Mensch“. Der Mensch, scheint es, hat sich kaum aus der Horizontale erhoben, er benützt bloß die Sprache und weiß nicht um den Sinn der Sprache. „Im Anfang war (ist) das Wort“ – es meint: in der Haupt-Sache, im Beginn, also: jederzeit ist das Wort die Haupt-Sache und ohne das Wort wäre Nichts. Der Anfang als Beginn einer rein horizontalen Zeitlinie ist damit auf-gehoben, sinn-los geworden. Der Sinn besteht im Wort als Haupt-Sache und ohne diese Haupt-Sache verfällt die Sprache in bloße Objekt-Sprache in eine Zufälligkeit des Verschwindens. Und weiter heißt es: und das Wort war (ist) bei Gott. Hier freilich ist es mit dem bloßen Objekt-Menschen schon zu Ende, denn vor dem Wort „Gott“ flieht man heutigentags entweder in eine selbstgebastelte Beliebigkeit oder man verfällt in eine Gelegenheit zur Aggression.

 

Wenn man aber bereit ist hinzuhören, dann meint es: in der Haupt-Sache „ist“ das Wort in Gott und aus Gott, denn: Gott „ist“ das Wort. Und weil es Gott ist, so ist das Wort ein „Mysterium“, eine unzugängliche Quelle allen Seins. Es hilft hier gar nicht weiter, wenn man den Johannes Prolog ins Lateinische oder Griechische übersetzt – es bliebe dieselbe Objekt-Sprache. Die Haupt-Sache ist doch die Sache aller Sachen und ohne sie wäre am Ende auch die Objekt-Sprache nicht möglich. Die Nacht ist doch zur Nacht ermächtigt nur aus dem „Licht“ (das schon leuchtet in der Finsternis). Das Haupt nennt man doch auch den Kopf und ein Ge-Köpfter ist – so sagt man: tot, er ist ein Ent-Haupteter. Der Rumpf liegt leblos herum und so ist es doch sinngemäß mit der Objekt-Sprache: sie dröhnt und lärmt leblos durch die Vergänglichkeiten und der Träger der Objektsprache ist mehr tot denn lebendig.

 

 

ZWISCHEN-EXKURS / ZÄSUR

 

DARUM GEHT ES!

 

Erklären – Ver-Haltung – Absicht – Zeichen – Be-Herrschung

Wider das Erklären (Verobjektivierung)

Das Ein-Räumen, oder: die Flucht vor der Verantwortung im Seyn

 

Die Redewendung (Formel): Darum geht es! – begegnet vielfach und sie gehört sowohl zur Alltagslogik als auch zum schillernden Ausdruck des Philosophierens, sie gehört überhaupt zur Logik des Verstandes, der Vernunft. Jede Predigt lebt (so scheint es) von dieser Stoßrichtung: darum geht es! Und nehmen wir für einen Moment an, es ließe sich das Worum dieser Frage erschließen. Man hätte dann eine rationale Antwort so in der Art: es ginge um das Umsonst der Liebe (F. Ulrich). Nehmen wir weiters an, man könnte dieses Umsonst sehr gut herleiten, dem Gedankengang auch folgen. Was dann? Es war ein weiterer „rationaler“ Zugang, der eine Konstatierung fordert, der wir folgen können oder auch nicht. Man vergisst das Konstatieren wieder, es wird abgelöst von anderen alltäglichen Chroniken der rationalen Angebote. Es bleibt hängen in einer Objektivierung, die mich eigentlich nichts angeht. So ist man gerade auf der Suche nach dem Wesentlichen das „Wesentliche“ los geworden, man hat so gerade den Raum der Dichtigkeit, den Raum der Ver-haltung, den Raum der „Haltung“ verlassen.

 

Man entkommt dieser Formel: darum geht es! nicht, dessen sollte man sich bewusst sein. Daher kann jede Äußerung am Ende nur ein „lebendiger Dialog“ sein, der sich selbst mit-einbegreift. Um den „Verlorenen Sohn“ zu verstehen, muss man selbst der „Verlorene Sohn“ seyn, es bei sich Kund-tun-lassen, dieses Lebendige zu-lassen. Die Versuchung der Formel: darum geht es! läuft oft und oft in einem Überzeugen- und Recht-haben-wollen aus (auch mit den besten Intentionen). Darum-geht-es! kommt einer Fluchtbewegung vor der eigenen Endlichkeit gleich, man hat noch eine Einbahn vor sich, noch einen horizontalen Sinn gefunden, der mitunter vom Vertikalen (objektiviert) sprechen mag und so hat man dann das erhebende Gefühl, doch noch „eine Wahrheit“ gefunden zu haben, die der andere gefälligst einsehen „muss“ (zu seinem eigenen Wohlergehen).

 

„Darum geht es!“ ist eigentlich eine Deklaration, also eine Erklärung. Man sieht hier keine Verwirrung, denn warum sollte eine Erklärung fragwürdig sein? Das Erklären (auch das Sich-erklären) meint wesentlich ein Abstands-phänomen, eine Fluchtbewegung in das Neutrale der Objektivierung, allererst auch in der Sprache, im Wort. Das Gegenstück zur sachlichen Verobjektivierung sei: die Ver-Haltung (darin schon die Haltung, der habitus) angezeigt ist. Ver-Haltung und Objektivierung stehen  diametral zueinander und wenn in der Ver-Haltung schon das Verhaltene, das Ansich-halten anklingt, das Schweigen und das Geläut der Stille (Heidegger), so zeigt sich im Erklären auch das Laute, das Veräußern, die Präsentation, der Verkauf, letztlich der Verrat. In der Ver-Haltung spricht das Ver-Halten und wenn das Ver-Halten ohne eigene Absicht oder Deklaration geschieht (Es verhält sich also), dann dichtet es sich, dann lebt es sich schon in der Dichte der Wahrheit.

 

Erzählen (Ein-räumen) von Ver-Haltung ohne Absicht: also gerade ein Nicht-Wissen, ein Nicht-Erklären. Sobald der Mensch anfängt mit dem verobjektivierenden Erklären, insofern nimmt er schon Abstand von der Dichtigkeit seiner eigenen Verantwortung der Schöpfung gegenüber. Das Objektivieren hat in sich schon diesen Entlastungs-Faktor in dem Sinne, dass er (der je jetzige Augenblick) mich jetzt und hier nicht angehen muss, ich kann nach meinem Urteil leben, so, wie es mir gefällt. So flieht der Mensch die Verantwortung und flieht in das „Thema“, in die „Erklärung“, in das, worüber man unzählige Bücher lesen kann, worüber man jahrzehntelang Diskussionen führen kann: alles endlos, ohne Ende und nie kam es in dieser Art zur Einräumung der „Entschiedenheit“, zum Augenblick, der mich jetzt und hier anspricht und angeht. Mit der Erklärung beginnt der un-eigentliche Weg der Zerstreutheit in die endlose Weite der Differenz und Analytik. Im Rausch der Erklärungen verliert man sich, weil kein Ende in Sicht ist. Verlieren, Verlust, Verlorenheit: alles ein Sinn des Fliehens ins Objektivierte. Man sagt im Deutschen auch: dieses „zählt“ (auf das kommt es an), das „zählt“! Vom Zählen kommt auch das Er-Zählen. Das Erzählen hat im Grunde mit der Zahl zu tun, es meint nicht ein bloßes kaltes Rechnen, das wäre das Gegenteil vom „Zählen“, das sich von sich her uns zu-zuzählt. Im Grund meint das Zählen als Erzählung: das Wort eröffnet seinen Raum der Bedeutung von sich her. Das Wort hat Leben in sich, darum auch die Rede vom lebendigen lógos. Man lernt aber in der bloßen Horizontale die Wörter zum bedeutungslosen (bloß eindimensionalen) Gebrauch; Tisch = Tisch (weiter nichts mehr). Man frägt auch gar nicht mehr, was ein Tisch „seyn“ könnte. Dieses „Mehr“ an Bedeutungs-Sinn ist weitgehend verloren gegangen. Dieser Verlust dauert schon Jahrhunderte an und ist in einem zugleich der Verlust des Mysteriums. Heidegger spricht das entwurzelte Zeitalter einmal an: die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis. Es ist insgleichen die Absage an das „rechnende Denken“, also die Absage an das Kalkulieren, Rechnen, Berechnen, Planen, die Absage an die eigene Absicht.

 

Im engen Zirkel des horizontalen Absolutismus kann keine „heitere Gelassenheit“ aufkommen, denn das Fantastische wäre zugleich der Tod des horizontalen Absolutismus. Die Frage stellte sich nach dem „Erklären“ und man kann sagen, dass der heutige Mensch an den unzähligen Erklärungen, die er in sich aufnimmt (frisst), irre und krank wird. Es ist kein Zufall, dass bei jeder Gelegenheit irgendein sogenannter Experte befragt wird, eine Experten-Erklärungen unter unzählig vielen anderen. Und auf so eine Erklärung hält der bloß Horizontale sehr viel, er verstoffwechselt regelrecht diese Erklärungen, nimmt sie als Brot des Lebens in sich auf; er kennt nichts anderes mehr, hat keine Distanz-Möglichkeiten. Depression und Niedergeschlagenheit, todernste Mine und Resignation, das alles sind Phänomene der geköpften Horizontalität. Verobjektivierte Welt hat klare Grenzen, Abgestecktes, innerhalb dieser Grenzen ist Bewegung möglich, aber ein „Durchbrechen“ dieser Grenzen ist hier nicht möglich. Das Durchbrechen der Horizontale geschieht einzig im Einfall des Vertikalen, Raum und Zeit sind darin aufgehoben. Aus der horizontalen Perspektive gesehen nimmt sich das Seyn als Starres aus und doch be-wegt der Geist des Daseins das Seyn, erweckt das Seyn zur Lebendigkeit. So ist das „Wort“ mehr nur als Wort: es öffnet seinen Reichtum an Bedeutsamkeit und es ist der „Geist“ im Wort, der ver-lebendigt. In der Frage: Was bedeutet das eigentlich? – liegt schon der erste Funke an Nachfrage, nach Sinn-stiftung und es kommt das Leben aus dem Über-maß, ein un-messbares Leben.

 

Es heißt, dass das „Wort“ die Kraft habe, ewig zu machen (Siwan, 13). Wozu dann diese unzähligen Deklarationen der Veräußerung des Wortes? Welche Bedeutung können diese noch haben? Wer so frägt, frägt schon von jenseits der Grenze, er frägt aus der Atmosphäre des Bleibenden, des Unveränderlichen, des Ewigen. Dann ist eine alte Welt gestorben: die Welt des Anbeweisens, des Erklärens, des Überzeugen-wollens, des Argumentierens – diese ganze bisherige horizontale Logik, sie ist am Sterben. Noch hat sie Zugriff, doch sie weiß nur zu gut, dass ihr Ende schon da-gewesen ist. Es bleibt die wesentliche Frage nach der Dichtigkeit im Leben: das Leben hat ewigen Sinn, wenn das Bedeutsame ge-achtet wird. Im Achten zeigt sich schon das, was horizontal nicht mehr fassbar ist und dennoch gerade das Bestimmende des Horizontalen bleibt. Mit der Nach-Frage nach dem Bedeutsamen beginnt der Neue Weg der „Beziehung“. Jetzt erst nimmt man Beziehung zum Wort auf und dann ereignet sich das Eigene des Wortes: es stellt sich dar, bietet sich an und ist aus sich her nicht mehr zu berechnen. Man kann das ewige Wort nur annehmen als umsonstige Gabe, als Gratis-Gabe, es fällt einem zu: der Große Zu-Fall. Welche Haltung nimmt der Mensch der Aufgabe hier ein? Es gilt ihm das Wort als zugesagtes, also die: Zu-Sage. Mensch der „Aufgabe“ heißt jetzt nicht mehr Mensch nach Lohn und Leistung, er hat damit aufgehört (es aufgegeben) nach Berechnung und Absicht zu existieren, weil das Erlebnis, dass alles „gewaltig in Ordnung“ ist, dämmert. Das ist zugleich das Erstaunliche im Horizontalen, dass der ewige lógos zugegen ist und so unternimmt man es, zu „seyn“, der man ist. Die bloß horizontale Seinsweise der Distanz wird aufgegeben, man erscheint dann nicht mehr so, wie man eigentlich nicht ist (es ist die Seinsweise der Scham), sondern so, wie man ohne Absicht und Leistung „ist“, oder mit einem anderen Wort: wie man von Ewigkeit her ist. Die exilierte Seinsweise wird aufgegeben und man wagt es dann, zu „seyn“. Aus der Distanz lässt sich diese Seinsweise nicht mehr beschreiben (Verobjektivierung), es ist ja gerade das Kennzeichen des Distanzierten, dass er sich in Erklärungen flüchtet. Der Auszug aus Ägypten ist dieses Frei-werden zum zwanglosen Seyn, zu der Bestimmung, die einem von Ewigkeit her be-stimmt: umsonst (ohne Leistung) zu seyn. Enge, Zwang, Angst, Kontrolle, Leistung, Absicht, Erklärung, Distanz – das alles sind Phänomene der Nur-Horizontale, dazu gehören auch Niedergeschlagenheit (Ausgebrannt sein), Depression usf.

 

Der exilierte Flüchtling muss sich dann auch horizontal betäuben: Drogen, Alkohol, Massen-Event – und zwar in einer Endlos-Schleife, bis das Existieren abschnappt. Man spürt aber die „Lüge“ im Existieren sehr wohl, spürt tief, dass mit mir selbst etwas grundlegend nicht in Ordnung ist, dass mein bloß horizontales Existieren so in dieser Art und Weise sinnlos ist. Man wagt nicht mehr das Erleben des Bedeutsamen in Dichtigkeit; man müsste dazu nicht mehr „ganz dicht“ sein, also porös und durchlässig werden für die je jeweilige Zu-Sage, für das An-Sagen des Zu-Gesagten. Denn das Bedeutsame ist von Ewigkeit her und kann in sich nicht un-bedeutsam sein. Auch das, was dem Horizontalen grob und hässlich erscheint, ist wesentlich gut (das bonum). Es ist die Frage, ob der heutige exilierte Flüchtling vor Gott imstande sein könnte, seine Fantasie un-bedingt bedeutsam sein zu lassen. Un-bedingt: weil an keine horizontalen Bedingungen mehr geknüpft. Der Mensch fantasiert in der Horizontale Horizontales und so kommt es ihm auch, was er wünscht, bekommt er immer. Wenn ich „Erlösung“ wünsche, so ist sie da, ich bekomme sie, unverdient. Erhebt sich noch die Fantasie ins Un-bedingte, verlässt sie die Schwerkraft der Horizontale entgegen allem Anschein? Das wäre das „Wagnis des Erlebens“, das Dichten im Gedicht des Seyns. Aus dem Großen Zusammenhang kann kein Geschöpf herausfallen, von Ewigkeit her ist alles darin einbehalten; selbst der größte Sünder bleibt im Wahren, Guten und Schönen. Selbst in der größten Verirrung leuchtet das Ewige Licht. Freilich, wo das Licht leuchtet, da tummeln sich auch die Fliegen; die Fliegen aber aus sich selbst, können kein Licht anziehen, ohne Licht könnten sie nicht sein.

 

Wer es aufgegeben hat, seine Fantasie durch die Horizontale und über sie hinaus zu erheben, hat sich selbst dazu verurteilt, er erscheint dann im Exil so, wie er eigentlich „nicht ist“: also mit Maske (lebenslang Maskerade). Wie ich nackt an mir bin, so kann ich mich nicht zeigen.

 

Fantasie sagt eigentlich: Geist (creator) sein, davon das Wort „kreativ“ stammt, es meint die Schöpfung, das Schöpfen, zugleich auch das Gesund-sein, alles dieselbe Bedeutung. Es gibt aber eine schlechte Fantasie, wenn man so sagen kann, eine, die sich nur nach eigener Absicht und Logik auslebt. Das Kennzeichen der schlechten Fantasie ist ihre Beziehungslosigkeit, sie kann der ewigen Zu-Sage nicht Stand halten, hört sie gar nicht, es ist ihr im Wesen nichts bedeutsam, daher fehlt ihr das Erstaunen, es fehlt ihr die Zwiesprache mit der Schöpfung, mit dem je jeweilen Zugeschickten.

 

Kann man jetzt auch sagen: Darum geht es? Es scheint, dass man dieser Formel nicht entkommt und es zeigt schon, dass diese Formel: Darum geht es? – mit einem anderen Wort übersetzbar ist: mit Sehnsucht. Bleibt diese Sehnsucht verobjektiviert, ist sie bedeutungslos, fantasielos, am Ende Geist-los. Und das Bedeutsame ist doch in erster Linie das „Wort“; jetzt aber in dem ganz großen Sinne genommen: Schöpfung im Wort.

 

Die gesamte Schöpfung, jedes Geschöpf: alles ist im „Wort“ und ohne das Wort wäre keine Schöpfung. Denn Gott „spricht“ und es „ist“ (kommt ins Seyn). Die gesamte Offenbarung ist Wort Gottes. Dass die Wörter heutigentags nur mehr leere Worthülsen sind, ausrangierte Vehikel einer grob erlernten Sprache, rein veräußert, das sagt noch nicht, dass sie ihre Würde verloren hätten. Denn das Wort als Geschöpf Gottes trägt in sich den Funken seiner göttlichen Herkunft und dieser ist unauslöschbar. Wenn der späte Heidegger einmal sagt: die Sprache spricht – so meint das jetzt, dass das Bedeutsame des Wortes gesucht wird und insofern ist der Mensch „unterwegs zur Sprache“. Vielleicht nimmt er das Sprechen des Wortes dann wahr, wenn er am verschwiegensten ist, also im An-sich-halten der Verschwiegenheit. Wie schwer fällt es, dem Schweigen zu ent-sprechen?

 

Darum geht es? – Das Erleben im Bedeutsamen muss nicht mehr überzeugen, vergewaltigen, verobjektivieren, erklären, predigen, argumentieren usf., es „zeigt“ (Zeichen), in dem es „ist“: es „ist“, weil es „ist“.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

 

Gabe und Vergebung

 

02.07.2023

 

Der Text entsteht 1980/81. Ulrich ist 50 Jahre alt. 50 Jahre, das bedeutet: das Unvorstellbare wird ansichtig, wird Fleisch, wird lebendig, ist gegenwärtig, die Grenze ist überschritten. „Gabe und Vergebung“: Biblische Ontologie (Metaphysik) – es geht um das Ganze, um die wahre Wirklichkeit. Ulrich ist in dieser Zeit wesentlich bei Weinreb versammelt (gesammelt). Es ist daher sehr sinnvoll, mit Weinreb Ulrich zu erfassen, denn was ihn hier bewegt, stammt aus jener Versammlung (Sammlung), zu der wir jetzt auch gehören, wenn uns das Hören-können gelingt. Möge Gott, der Allmächtige, in seiner Gnade uns diese Besinnung zur Versammlung gewähren.

 

Die Bedingung sei von Anfang an: die Gefangenschaft im Gehorsam auf Christus hin als wahre Freiheit (Oster, XV). Der eigene Anspruch sei ganz demütig, still, zulassend. Daher zählt nicht die Quantität, das Werk umfasst mehr als 800 Seiten Ontologie, sondern es zählt das Empfangen können des „lebendigen Wortes Gottes“. Lebendiges Wort Gottes ist personal, mich meinend, mich be-wegend: den Weg im „Be-wegen“ zulassend. Versammlung ist jederzeit Sammlung im Wort, sich vom Wort befruchten und verletzen lassen. Wer nicht mehr verletzlich ist, kann weder hören noch sehen, er ist zu, der Deckel ist auf dem Herzen. Gott wird es fügen wie es sich fügt. Vertrauen darauf, dass Gott es von Augenblick zu Augenblick schenkt – sei jederzeit unser Sinn.

 

Gelobt sei Jesus Christus

 

Vorweg soll es also keine Spekulation oder Diskussion geben, das wäre eine große „Versuchung“. Es geht um das „Sein als Gabe“. Der Mut zur Armut als Leer-sein ist die Bedingung des Hören-könnens, das Vernehmen können des „Wortes“. Was sagt mir das „Wort“ hier und jetzt, öffnet es sich, zeigt es mir seinen Zuspruch, bin ich gefasst?

 

Der Sinn unserer Unterredung sei: ich bin Gott so nahe gekommen, dass ich dem Sinn meines je jemeinigen Daseins gewiss werde. Es fällt von hier an alle Diskussion weg, das Diskutieren wird hinfällig, weil es die Zeit vergeudet. Über die „Wahrheit“, sagte einmal ein Bischof, gibt es keine Diskussion. Diskutieren ist wesentlich Abstand nehmen, flüchten, Flüchtling vor Gott sein – eigentlich sein wie Esau, wie Nimrod: also Jäger sein, immerzu auf der Jagd im Zeitlichen sein. Der Jäger jagt um des Jagens Willen, er hat kein Interesse an der gefangenen Beute, es geht ihm nur um die Bewegung des Jagens, ist die Beute gefangen, sucht er vehement nach neuer, frischer Beute, das ist sein Daseins-Sinn. Genauso ist das „Diskutieren“ ein Jagen, ein Weglaufen vor der Wahrheit Gottes, vor seinem Seyn als wahres Wirklich-sein. Man müsste sich sonst stellen, Antwort geben, sich ver-antworten vor Gott – und das will man nicht. Warum will man das nicht? Das ist am Ende ein Geheimnis des Bösen, es ist nicht zu begreifen und nicht zu wissen. Das Böse ist präsent, es wirkt und es hindert uns, Verant-wortung unserem Schöpfer gegenüber zu übernehmen. Der Hinderer (der Böse) will immerzu die Sehnsucht nach Gott durchkreuzen, vorwiegend „logisch“ kalkulierend. Daher ist das „Diskutieren“ (alles Argumentieren, also auch alles Philosophieren) wesentlich gefährdend, wesentlich Abstands-Phänomen.

 

Dass ein sogenannter Philosoph wie Ferdinand Ulrich das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“ auf über 800 Seiten auslegt, ist in dieser Hinsicht eine „Gefährdung“ in sich, im oben genannten Sinn, also eine Versuchung.

 

Im Wort "Ver-Suchung" steckt das "Suchen" und wer sucht, der ist wesentlich nicht in der Ruhe, er hat keine Ruhe -  er sucht sie vielleicht, weil er sie nicht hat, weil ihm etwas fehlt, er ahnt dieses Fehlen, daher sucht er, ist sozusagen zeitlebens auf der Jagd (Esau, Nimrod). Dass Heil und Heilung schon umsonst geschenkt sind, das kann der Jäger nicht empfangen, dafür hat er wesentlich kein Sensorium. "Unruhig" wird also der Jäger zeitlebens sein müssen, er wird keine Ruhe finden können.

 

Das "Wort" spricht immerzu, es öffnet sich mir zu und oft könnte ich vernehmen, den Zuspruch, die Wort-Gewalt, die Schichtung des Wortes, das Ge-Schichte. Bitten wir um diesen "Mut zum Wort".


 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

 

LEIB IV

(Ostern 2023)

 

 

Vom Satan war die Rede und es heißt, dass überall da, wo Beweise der Wahrnehmung (der Horizontalität) eine Rolle spielen, Satan am Werk sei. Der Satan gönnt das Eins-sein nicht, diese Verbindung (der Bund) mit Ewigkeit, das will er hindern. Man muss das klar haben – man muss es freilich nicht, sollte es aber. „Diese Frucht nehmen“ heißt eigentlich: alles, was mich ausmacht, daran hängen (das ist der Sinn vom Aufnehmen, Essen, vom Zu-sich-nehmen, vom Verstoffwechseln). Es geht weniger um diese Frucht, sondern mehr um das „Nehmen“ und dieses „verbotene Nehmen“ ist schwerlastig, es kommt einem Sucht-Nehmen gleich. Man setzt dabei wirklich seine gesamte Hoffnung (oder was davon übrigblieb), in dieses fortwährende Aufessen dessen, was sich „hier anbietet“. Es ist zwar morgen wieder vorbei und es muss repetiert werden (Semmering), aber das verdrängt man lieber. Also: dass man grundsätzlich hier fortmuss, das verdrängt man lieber. Wer sein gesamtes Existieren auf horizontalen Absolutismus setzt, der „stirbt“, dieses Nehmen ist daher absolut tödlich. Man hängt sich „so“ an der Zeitlichkeit auf, erhängt sich an ihr. Hatte man nie „anders“ gekonnt? Dieses Nehmen der verbotenen Frucht ist ein Essen als Aufnehmen des horizontalen Absolutismus, ich verleibe mir die Zeitlichkeit ein im Sinne von: ich ver-einige es mit mir, mit meinem gesamten Empfinden – etwas Anderes ist gar nicht mehr möglich. Mit dem horizontalen Absolutismus fängt die tiefe Nacht an, das Empfinden: jemand, der keine Seele mehr hat, der ist am Einschlafen, der nickt, der weiß schon immer besser Bescheid, der ist klug in allen Angelegenheiten und kann beurteilen zu je besserem Vorteil. „Scheitern“ (Umkehr) ist in diesem Absolutismus kaum möglich. Und es ist ja, wie mir jetzt wieder einfällt, vom Semmering die Rede und jetzt auch vom Beginn der Waage, die sich neigen könnte, aber sie neigt sich - scheint es – nicht mehr; es fehlt generell diese Möglichkeit, wird weder beachtet noch geachtet.

 

Wenn einer gesagt bekommt: es hängt „jetzt“ (und nicht irgendwann) alles von dir ab, ob du alles, was ist, zurück bringst, die geschenkte Gabe auch ver-gibst im Sinne der Ver-Gebung (speculativ), dann klingt das sehr ernst, eigentlich zu ernst für das Gemüt. Es liegt aber darin genau das Antwort-geben, das Antworten; denn auf das Antworten „wartet“ der Schöpfer seit Ewigkeiten, kann man sagen. Zeitlichkeit spielt dabei nur eine täuschende Rolle, denn für das Wesentliche gibt es keine Zeit. Die Antwort an Gott duldet keinen Aufschub, sie erfolgt „jetzt“ oder gar nicht. Antworte ich oder nicht? Bin ich mir dessen bewusst? Wie wird sich die Waage neigen? Und sie kann sich doch nur nach einer Seite neigen, wenn es gewichtig wird. Bleibst du kalt und meinst: was geht mich das an, wie ich mich entscheide, das tut doch nichts? Doch, es ist wesentlich entscheidend, ob und wie ich antworte, ob es mir ein Anliegen ist oder nicht. Antworte ich nicht, dann baue ich mir eine Villa am Semmering und am Ende bin ich der Erhängte. Im Zeichen der „Waage“ stehen heißt: vor die Antwort, vor die Entscheidung für oder gegen Gott gestellt sein, zu wissen, was das bedeutet, was das für Konsequenzen hat. Und es wird ein Kampf sein, einer auf Leben und Tod. Das Fasten als „Festen“ meint im Wesen: ich gebe jetzt Antwort: ich sehe, es ist Gottes großes Geschenk, unverdient, mir gegeben. Antworte ich? Das eigentliche Antworten ist das Form-sein als Offenbarung. Das ist zunächst schwer zu begreifen, denn die Zeitlichkeit wird dabei suspendiert. Die Kantischen (aisthesis) Grund-Ausrichtungen (Raum und Zeit) werden entkräftet. Und in diesem Antworten liegt ja schon dieser Halt im Sich-enthalten. Die Entsagung (Enthaltung) ist die Zusage, nicht künstlich etwas herzustellen um es in sich aufzunehmen, mag es noch so sinnvoll und stilvoll (Semmering) aussehen. Entsagung hat sehr viel wenn nicht gar alles mit „Klärung“ (dem Klar werden) zu tun. Das ist die Nüchternheit als Offenbarung, die ungeschminkt ist was sie „ist“. Es war weiter oben vom „Ende der Tage“ die Rede und man denkt sich (dem horizontalen Absolutismus gegenüber treu) dann: in weiter Ferne, in Zukunft, irgendwann einmal. Man kommt aus der Verstrickung in die Zeitlichkeit hinein dabei nicht heraus – das könnte man einsehen. Aber das Ende der Tage ist: „je jetzt“.

 

Kann man das einsehen? Das Ende der Tage ist dann, wenn es mit dem horizontalen Absolutismus in einem „aus“ ist, wenn diese Diktatur zwar weiterhin Rosen streut, aber sie ist innwendig kraft- und saftlos geworden. Das Ende der Tage: ist in „diesem je jetzigen Moment“ – ist das erschreckend, kann man das glauben oder schiebt man dieses „Je Jetzt“ wieder weg? (wie man es bisher getan hatte). Wenn man den Ernst des Je Jetzt wegscheibt, dann entschuldigt man sich wieder, hat wieder Ausreden, hat noch andere wichtige Dinge zu erledigen, zuerst noch dieses, dann jenes – ja später vielleicht, dann, wenn ich alt bin (so die Ausreden). Vorher noch diese und jene Urlaube usf. Also: Jeden Moment, je jetzt, ist das „Ende der Tage“ (sich nicht vertrösten auf nachher, das ist ein Trugbild). Bist du noch Tier oder Mensch – Mensch jedenfalls dann, wenn dir das bewusst ist. Mensch bist du nur, wenn du „Verantwortung“ trägst und übernimmst: also Antwort gibst! Wenn du es nicht kannst und nie getan hast, dann „tue es einfach“ (überlege nicht lange hin und her – und schon gar nicht: philosophiere darüber).

 

Je jetzt immer die Wahl: Verantwortung übernehmen oder nicht? Antwort geben oder nicht? Diese Verantwortung hat die „Ruhe (Stille)“ zur Voraussetzung; wer nicht mehr zur Ruhe kommt, der kann keine Antwort geben, der richtet sich nach Lust und Laune und nach der Norm – der hat die Ruhe in sich getötet. Mit der Stimmung: es wird schon alles irgendwie gut ausgehen tötet man den Ernst der Antwort; das ist heute so eine gängige Generalausrede geworden – irgendwie haben alle Recht und jeder wird schon gerettet werden. Die Zeit am Semmering ist auch jene Zeit, in der die Priester ausgerottet werden, es sind seelenlose Seelen, die am Grunde nicht mehr wirklich gestört werden können, denn sie haben ihren festgefahrenen Lebenssinn in der Emotion des sogenannten Tiefsinnigen ausgelagert. 1903 – das Bild ist sehr einprägsam und Sinnbild dieser Ausrottung der Priester in uns selbst – werden die weißen Kartäuser-Mönche mit militärischer Gewalt aus der Großen Kartause vertrieben. 1903 ist aber im Grunde „je jetzt".

 

Zeichen des Endens. Das Enden: ein Auf-hören. Ein Leben endet, sagt man. Was ist dann, wenn ein Leben endet? Dann, sagt man auch, hat es seinen Lauf „vollendet“. Im Wort „Voll-endung“ liegt ja auch dieses „Enden“ und man spricht doch gerne von Vollendung, träumt davon. Man macht sich aber das Enden (das Aufhören) in der Vollendung nicht bewusst. Ein anderes Wort für Vollendung meint „Höhepunkt“. Wenn wir den irdischen Lauf beenden, ist dieser Lauf komplett (voll)-endet. Es gibt solche Momente im Leben, da meint man: besser geht´s nicht, eine Steigerung ist nicht mehr möglich, dieses Werk scheint „voll-endet“. Und dann aber kommt die große Ernüchterung (wieder): der blaue Montag, also der Alltagstrott – war alles eine bloße Einbildung? Und so nimmt man neuen Anlauf, immer wieder und immer wieder die Enttäuschung: es war nicht die Voll-endung! Fromme Menschen, sagt man, verlegen diesen Höhepunkt der Vollendung auf die lebendige „Begegnung mit Gott“, das ist dann auch zugleich der Sterbetag. Eigenartig: auch das macht man sich kaum bewusst: jene Vollendung (die Begegnung mit Gott) ist im Irdischen gar nicht möglich. Für manche Heilige hat es das schon gegeben und insgeheim (vielleicht) beneidet man jene um die Heiligen Offenbarungen, die sich bei manchen gar nicht so ausnehmen wie man sich das so ausmalt. Eile und Ungeduld sind horizontale (rein irdische) Phänomene, angeheizt von einem metaphysischen Verlangen nach dem Erleben von Vollendung. Ich möchte Vollendung „er-leben“ und man will es gar nicht hören, dass das Weggehen (das Sterben) eben die Bedingung der Möglichkeit der Vollkommenheit ist. Gerade wenn ich sterbe, erlebe ich ja die Vollkommenheit nicht mehr, ich gehe weg, bin weg, bin spurlos verschwunden (meint man). Der Glaube aber lebt gerade von dieser „Hoffnung“, der nicht hier sichtbaren. Die „Große Hoffnung“ (es gibt auch eine kleine, irdische) erwartet gerade die Auferstehung von den Toten, das „Leben der kommenden Welt“ – wie es im Großen Glaubensbekenntnis heißt. Die Große Hoffnung setzt gar nicht auf den horizontalen Absolutismus, mit dieser Hoffnung wird diese Welt (Zeitlichkeit, Endlichkeit) endgültig „relativ“ gesetzt, also relativiert. Heute geht dieses absolute Relativieren verloren, davon will man nichts hören und sehen und es ist dann schon dieses Ärgernis am „Kreuz Christi“, denn wo das Kreuz aufleuchtet, da wird einem sofort klar: es ist auch mein Sterben und Weggehen gemeint – aber das soll noch lange nicht sein, irgendwann muss es schon sein, aber bitte nicht „jetzt“. So verdrängt man ohne Unterlass das Kreuz Christi und damit das eigene Kreuz, man bastelt sich die Vollendung „hier und jetzt“. Ein Gefühl dafür kann man von den hochschwingenden Reden in Davos bekommen, Weltwirtschaftsforum: wir bauen uns die vollendete Welt selbst, wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Zutaten, wir schaffen das! Wir können also auch die „Vollendung“ (freilich jetzt ohne Enden und Aufhören) bauen! – sodass man alles „hier“ noch erleben kann.

 

Die Kar-Woche beginnt, für Viele ein bloßes Datum. Früher noch galt sie als die „Heilige Woche“ – die Kar-Tage sind die Tage der „Klage“. Was heißt das: klagen? Und was hat das Klagen mit dem Heiligen zu tun? Man sagt auch: die Karwoche geht dem Oster-Sonntag entgegen, dem Höhepunkt des Liturgischen Jahres. Wieder ein „Höhepunkt“, wieder diese Voll-Endung. Wenn etwas endet, beginnt das „Neue“ (die Erneuerung, Umkehr, Kehrtwende). Am kommenden Gründonnerstag wird der horizontale Absolutismus in seiner Vollkraft da sein, dieser irdische Schein vom Sinn des Existierens, diese Lüge, dass man ein Recht auf Genuss, auf Sorglosigkeit, auf Erleben, auf Gesundheit usf. hätte. In den Jahreszeiten ausgedrückt könnte man sagen: es sei Hochsommer, Höhepunkt der Herrlichkeit, die Vollendung im Irdischen greifbar. Und während diese massive Lüge vollgerundet wird, während dies passiert, erlöst der Herr am Kreuz diesen horizontalen Tod. Die Kar-Tage zeigen die ungeschminkte Realität: Tod und Auferstehung. Und doch scheint hier alles anders: denn gerade Tod und Auferstehung stehen hier im Zentrum, werden nicht verdrängt. Der Oster-Sieg des Herrn ist gerade der Sieg über den Tod und über alle Vergänglichkeit (Zeitlichkeit). Wer die Kar-Woche mit der Gesinnung des horizontalen Absolutismus begeht, verfehlt ihr zentralen Sinn: Tod und Auferstehung. Man ist sich dessen klar bewusst und verdrängt es nicht. Die Versuchung, den ontologischen Zirkel „hier“ zu schließen, wird klar durchschaut, man ist sich dessen klar bewusst.

 

Den Zirkel des Seyns hier schließen bedeutet: den Kreis des Lebens hier abschließen und so abrunden, dass die Vollendung „hier“ erlebt werden kann, zumindest soll man das Gefühl, dass es sich so verhält, haben, also: das Paradies auf Erden, Wohlstand bis zum Geht-nicht-mehr, pausenlose horizontale Feuerwerke, ein Event ohne Unterlass, ein nie aufhörender Höhepunkt, das Beherrschen aller Krankheiten, Wohlstand für alle auf dieser Welt usf. Ein „Geheimnis“ darf es in so einer positiven Welt einfach nicht geben, das gehört sich nicht. Und einen rechten Winkel (Flügel) darf es in einem „Kreis“ nicht geben und wenn der Zirkel geschlossen wird, dann ist es vorbei mit dem Flügel (Engel). Wer im geschlossenen Zirkel lebt, der ist der Herrscher dieser Welt und die Welt wird ihm zu Füßen liegen: er sagt A und die Welt sagt automatisch B und das in allen Dingen und sollte es doch nicht so einfach gehen, so redet man sich heraus: das haben wir bisher noch nicht gewusst aber bald werden wir auch das noch wissen und bewältigen. Der Mensch des geschlossenen Zirkels setzt seine gesamte Energie und Hoffnung auf den horizontalen Absolutismus. Setzte man früher in den Letzten Dingen auf Gott, so setzt man heute auf den horizontalen Absolutismus – das „Goldene Kalb“. Un-Geduld spielt dabei eine erhebliche Rolle: ich will und muss es heute, hier und jetzt erleben – Punkt! Ich will nicht auf übermorgen warten, auch nicht auf ein ewiges Leben nach dem Tod. Und es gibt zum Glück die Spiel-Verderber, die sagen: das, was ihr euch da zurecht macht, das ist es nicht! Der Bruder der Ungeduld ist das Zwingen, das Erzwingen: wenn es schon nicht jetzt und hier von selbst kommt, dann hilft man eben nach und so zwingt man die Welt nach eigenen Kriterien. Längst hat man das Vaterhaus (Gott) verlassen. Un-Geduld führt bei sich auch: Geschrei und Lärm, das Geschrei des Erfolges, das Geschrei: wir schaffen das schon, wir haben es in der Hand! Es ist ein Lärm ohne Inhalt, ein Gebet ohne Liebe, kalt und erfroren. Lärm ohne Inhalt, es ist ein Geschrei ohne Wirklichkeit, ein Aufblitzen und sogleich wieder verschwinden – eine Seifenblase nach der anderen. Das ist das Wesen der Dämonie: etwas erscheint und verschwindet wieder, es hat keinen Bestand als „Wirklichkeit“. Wenn das Böse, wie T.v. Aquin sagt, ein Mangel an Gutem ist, dann ist eben die Dämonie Mangel an Seyn, Mangel an Wirklichkeit. Man kann sagen: der Dämonie fehlt es an Substanz; darum muss sich das Dämonische an das Substantielle hängen, damit es kurzfristig erscheinen und sich melden kann.

 

Anders gesagt: der Dämonie fehlt die „Einheit mit Gott“, sie ist verloren in ein losgelassenes Fragment (was gerade ansteht), das irgendwie versucht, Geltung zu erzwingen – wenigstens für einen verschwindenden Moment. Wenn sich das Fragment behauptet, sagt man, zerbricht die Einheit (das Eins-sein) mit Gott; dann braucht man Gott nicht mehr, man tut alles selber, man weiß alles besser, es gelingt alles ohnehin nach Plan, es ist nur mehr eine Frage der Zeit. Und weil die Zeit ein ungeheures Maß bekommt: man hat heute so viel Zeit, dass man gar keine Zeit mehr hat (!) – wird der Mensch ganz von Zeitlichkeit gebildet und man muss sich jetzt fragen: sind das überhaupt noch Menschen? Sind diese Wesen nicht in der Zeit ersoffen? Berauscht und besoffen von Zeit, vom Kommen und Gehen: mehr ist nicht da und damit, scheint es, gibt man sich zufrieden. Der höchste Anspruch wird dann das „Beschäftigt-sein“ sein – Hauptsache: ich bin beschäftigt, ich habe zu tun, das ist noch zu erledigen usf. Und es ist die Angst, die an das verlorene Fragment bindet: man will diese Welt eigentlich nicht verlassen und klammert. Ein ewiges Leben, Unsterblichkeit, Gelobtes Land: schön und gut, aber bitte nicht jetzt, später einmal. „Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt“ (Credo): für Viele nur mehr eine leere Schlussformel, man sagt es so daher, aber man glaubt gar nicht daran, es hat kein Leben, es ist nicht ernst damit. Wenn es „so“ ist, dann regiert im Hintergrund die Angst und diese Angst richtet das Existieren auf das Vergängliche aus, es zu halten, wenigstens für Augenblicke. Für den Angst-Menschen verschwindet alles hier mit der Zeit und er selbst auch, ist er ja durch und durch in Zeit ersoffen, glaubt an diese Zeit und hängt sein Herz daran. Der hintergründige traurige Blick in den Gesichtern – dieses Depressive in allem: wir schaffen das schon! – es ist diese Angst vor dem Verschwinden. Freilich sagt man das nicht und gibt es noch viel weniger zu – das gehört sich nicht. Ist die Angst vor dem Sterben da, ist sie Realität, dann stirbt man auch – denn zum Glauben hatte man nie gefunden. Ich habe es öfter erlebt, bei Begräbnissen: man ist hilflos, ratlos, willkürlich emotional, oft sehr depressiv, fassungslos. Die Bestattungsunternehmen machen da ihr großes Geschäft: schöne Musik, alles nach Wunsch und Plan – unvergessen.

Man spürt schon, dass da etwas grundsätzlich nicht stimmt – aber man ist hilflos, kann nicht anders. Und so vergisst man und ist froh zu vergessen, der Alltag kommt wieder, bis es wieder einmal kurz explodiert und dann ist man wieder rat- und hilflos.

 

Der Schock sitzt dann tief, besonders dann, wenn man, wie man so sagt, „mitten aus dem Leben gerissen“ wird. Aber stimmt das – wird man nicht oftmals vielmehr aus einem „hier tödlichen Dasein“ gerissen? Kommen diese horizontalen Grundkoordinaten überhaupt noch ins Wanken – oder sit man so besoffen, dass man nicht mehr aufwachen will und kann? So sagt der Angst-Mensch: der und der ist gestorben, verschwunden, weg, nicht mehr da. Man macht sich das kaum bewusst, was das eigentlich bedeutet „so“ zu sein und „so“ zu reden und es „so“ auch zu meinen. Wenn der Tod „diese Realität gewinnt“, ist der Tempel Gottes in einem selbst zerstört, dann ist die Verbindung mit Gott zerrissen und das ist heute fast zur Gänze der Fall. Und die Verbindung mit Gott ist auch nicht machbar oder herstellbar, das wäre wieder so eine Hybris des Menschen, der meint: wir schaffen das schon! Nein, die Realität ist eine ganz andere: wir „sind“ die Bedürftigen und in erster Linie sind wir bedürftig nach dem Erlöser.

 

Der Zyklus „Leib“ meint das Leiben als Lieben umsonst. Im Jüdischen ist es Brauch, dass man vor den Feiertagen des Pesach (am 14. Nisan) -  das ist der heutige Mittwoch – alles Aufgeblähte, den gesamten Sauerteig wegschafft und verbrennt; nichts darf davon übrigbleiben. Mit dem Aufblähenden (Sauerteig) ist am Ende der gesamt horizontale Absolutismus gemeint, diese todbringende schlanke Metaphysik ohne Gott. Man lebt dann eigentlich vom „Ungesäuerten“ – vom Brot des Himmels: von dieser Heiligen Hostie. Der lebendige Erlöser ist hier real zugegen: bin ich mir dessen bewusst, lebe ich wirklich davon? Oder ist der Sauerteig noch nicht entfernt?

 

Vom Ungesäuerten wirklich leben hieße: ich überlasse alles zur Gänze meinem lebendigen Gott, der mich am Kreuz erlöst hat, alles übergebe ich ihm – denn er „sorgt“ für alles. Das ist der Glaube, das ist die Realität, das ist die wahre Wirklichkeit: das feiern wir zur Gänze, in vollem Ausmaß – das „ist“ Ostern.

 

Gelobt sei Jesus Christus und Maria

 

 

(Weiterführung: Kar-Tage)

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

LEIB  III

(Ostern 2023)

 

 

Ende des letzten Jahrhunderts, Fin de siecle, Semmering. Es war vom Essen (vom Zu sich nehmen) die Rede und auch vom „Fressen“, das Schlingen und Würgen (Leib I, Leib II). Am Endpunkt wird das Viele das Wenige, das bisher Berechnete wird unberechenbar: ein Mysterium. Es wird also die Uniform abgelegt und so ist man verwundbar geworden. Ende des Jahrhunderts meint jetzt: Ende der Tage – und das wiederum kann nur heißen: Ende „meiner“ Tage. Der Sinn der herkömmlichen Zeitlichkeit ist hier aufgehoben: was wir als „später“ auffassen, das „ereignet“. Das „Ende“ hier meint keine Zeitlichkeit mehr. Der Sinn des „Endens“ ist ein anderer geworden. Er meint: „je jetzt“ – der geheiligte Augenblick.Zeit aber ist für das Gemüt immer: Begrenzung und jede horizontale Zeitlichkeit ist doch wesentlich: Begrenzung, fängt an, hört auf, geht weiter, war, ist und wird sein. In dieser Begrenzung liegt der Sinn der Versuchung: Einschränkung, Beschränkung, Ausgrenzung, Behauptung, Verdrängung usf.  -  der Kampf ums Dasein. Der Normalzustand des Existierens entspricht dieser begrenzten Seins-Weise, man hat sich so sehr an die Begrenzung gewöhnt, dass man gar nicht mehr auf die Idee kommt: es könnte „Anderes“ seyn. Wer aber an sein begrenztes Leben „glaubt“, dem wird und ist es auch „begrenzt“. Weil wir die Glaubenden „sind“ (auch Atheisten und Nihilisten glauben), bildet es sich, zeigt sich – und wer Beschränkt-sein glaubt, dem wird Beschränkt-sein „seyn“. Die ganze Welt hat dann Grenzen: eben weil wir das glauben, weil in unserer Behinderung Anderes gar nicht möglich wird. In dieser Gesinnung sind frühere Generationen, die wir hier nicht mehr sehen oder hören, einfach nicht existent, sind tot, weg, verschwunden.

 

„Tot“ aber ist der Mensch jener beschränkten Gesinnung: in ihm selbst ist nichts Lebendiges mehr, kein Glaube, keine Hoffnung da, keine Sehnsucht nach Ewigkeit da. Es gibt also Momente, wo die Ewigkeit auf einmal ins Leben, in die Zeitlichkeit auch, hereinblitzt. Und dann ist die Zeit durchbrochen; man bemerkt bei sich: es war ein Traum, ein Tag-Traum und der Traum ist doch Raum, der „ein-räumt“ (Platz macht). Und wir sind es doch selbst, die wir ein-räumen können, Platz machen. Das ist der Sinn vom Fasten: Platz machen der Wirklichkeit, die von Ewigkeit her ist und wirkt. Der Traum ist kein psychoanalytischer Appendix zum besseren Verständnis einer konfusen Horizontalität, im Gegenteil. Das Träumen mein Ein-Räumen, leer werden, weniger werden damit das, was Seyn ist, von Ewigkeit her sein „kann“. Jener Sinn vom Träumen meint die dichtere Realität: eben das Gedicht. Dies alles hat mit Sentimentalität nichts zu tun, sondern mit Realität. So meint das „Gedicht“ das Dickicht der Wahrheit im Seyn. Das Fragmentarische hat keine Realität als solches, sondern gehört immer zum Großen Zusammenhang, der aber im horizontal behinderten Blick leicht verloren geht.Jedes Leben: jedes Seiende – als  in sich vom Ewigen her sehen – das heißt: es „so“ achten von Ewigkeit her, das will der Satan hindern. Der Satan will hindern, dass jedes Seiende von Ewigkeit her Bedeutung in sich und aus sich heraus hat. Vom Satan spricht man nicht mehr, seine Realität wird abgelehnt, das ist etwas für Vorgestrige.Also: Gerade auf die  kleinsten Dinge achte! Wie esse ich, wie trinke ich – nur weil es jetzt schmeckt, gesund ist, gesund macht?Oder esse ich dankend die Welt und zwar umfassend,  nicht nur teilweise oder stundenweise?

 

Mischvolk: das Himmelsbrot ist fade, langweilig – es fehlt einem die Würze des beeindruckenden Lebens. Es fehlt der Kick, das Losgelassene, die Erregung, es fehlt der Rausch – wofür lebt man denn eigentlich wenn nicht für das? Dass alles umsonst geschenkt ist, und zwar in Vollendung, das ist langweilig. Es kommt der Überdruss. Dass wir hier auf Erden in Vollendung alles haben, weil es so „ist“ – ist so ein Leben langweilig? Das vollendete Himmelsbrot ist langweilig, man benötigt die berauschende Information: da tut sich was! Man sollte sich das einmal klar machen. Man hat eigentlich alles erhalten und jetzt beginnt das Große Schreien nach interessantem Leben, nach Abwechslung usf. (Semmering-Existenz).

 

Man muss sich das klar machen: Gottes-Begegnung in Vollendung, diese Begegnung ist immer vollendet: ewiges Leben: geschenkt, umsonst! Und jetzt beginnt das Große Schreien! Es ist eine Un-Ruhe da, woher diese, warum diese – wir essen doch das Himmelsbrot, oder nicht? Das ist Exodus, das Seyn in der Wüste, der Aufstand, das Geplärr nach Ablenkung.„Als ob“: Pseudo-Existieren;  wir tun „als ob“; zunächst immer die Überschwemmung, darauf folgt die Betäubung, ein Hin- und Her. Aber die Pseudo-Existenz geht unter, die Lust-Existenz stirbt, sie selbst wird ekelhaft, diese Speise, sie ist ungenießbar geworden.

 

„Ekel“: es ist nicht das, was man sich davon versprochen hat – dann ekelt einem! Die Wurzel des Ekels ist das Nichts! Sobald die Ewigkeit nicht mehr in uns lebt, werden wir sehr tüchtig zum Leben hier, zum horizontalen Absolutismus: tüchtig zum ekel-haften Dasein.

 

 

FASTENZEIT

 

Die Fastentage (Fest-tage, das Fasten ein Festen) sind also, von der Seite der Ewigkeit betrachtet, Feiertage, wenn man das Ewige als Zentrum allen Lebens erkennt. Ich nehme keine Daten dieser Welt mehr in mich auf, esse sie nicht mehr, verstoffwechsle sie nicht mehr – es sind doch Daten der Zeitlichkeit. Dass man fasten darf, dass man überhaupt fastet, ist also eine Ehre der Ewigkeit. Man mutet mir im Fasten zu, dass ich die Freude des Jenseits schon hier im Zeitlichen sehen kann. Die „Nahrung“ ist nun nicht mehr Nahrung der Zeitlichkeit, sondern die der Ewigkeit.

 

Fasten: die Ausschaltung der Ausschließlichkeit dieser Welt aus dem Leben oder: der Bruch mit dem endlichen Absolutismus. Die zeitliche nwird relativiert auf die ewige Welt. Man ist einer, der zwar in dieser Welt lebt aber nicht mehr von dieser Welt ist (isst). Ich aber möchte es im Ewigen erleben, im Bleibenden: das ist Fasten. Man hört einfach auf, Fresser von Zeitlichkeit zu sein. So lebt man als „Getaufter“, als „Beschnittener“.Er lebte also 40 Jahre im Fasten (es heißt: die  ganze irdische Zeitlichkeit über).Etwas ist „un-gewohnt“: das Wohnen Gottes in der Welt, das Sein bei Gott ist auch un-gewohnt, nicht bewohnt, man ist es nicht gewöhnt. Es ist eine „neue Erde“: die Maßstäbe der Zeit werden durch die „Stimme des Herrn“ (durch sein Wort im Seyn) beherrscht. Wir warten alle: auf ein Aufhören von Tod, Krankheit, Unrecht.Wenn wir uns wahrhaft sehnen  (Sehnsucht), nach dem hier Unmöglichen, so leben wir das. Wo diese Sehnsucht fehlt, ist keine Wahrheit anwesend.Gott mit ganzer Seele lieben bedeutet: es ihm  „ganz“ überlassen, von ihm geliebt zu sein (ein David) sein. Es also Gott ganz überlassen, seine Liebe verwöhnt genießen – bis zum Äußersten, heißt: die eigenen Vorstellungen streichen. Sonne und Mond sollen „schweigen“ – Zeit und Raum sollen bei uns nicht mehr mitreden. Dann ist Abraham nicht tot, nicht weg, dann sind meine Großväter nicht einfach weg, sie sind da: sehne ich das oder überlasse ich das wieder meiner Horizontalität? Welcher Geist lebt in uns? Ist es der Heilige Geist?

 

Jeden Menschen das sagen lassen und leben lassen, was der aus seiner Herkunft her sagt und lebt – es zulassen. Denn Leben ist doch Leben als Ausdruck im  Je jetzt. Der Traum ist das Einräumen des Ewigen. Mach dir keine Einbildungen oder Vorstellungen: das kräftigste Bild ist das Tun selbst, es ist dicht (Dichtung). Es wird um die Relativität gehen, um das Einsehen, dass unsere Maßstäbe enorm beschränkt sind. Was ist „Kraft“? Eigentliche Kraft ist die göttliche Seele in mir und inwieweit sie tragsam sein darf. Der Prozess aus der Zeit, was wir „Entwicklung“ nennen, ist aus der Wahrnehmung des Äußeren. Wenn man gelernt hat (das Lernen!) nur „so“ zu leben, sündigt man. Die „offenen Augen“ (Gen 3): man ist dann „offen für“ (auch allerlei Unsinn). So ist es auch, dass das Böse als lebender Gegensatz zum Guten die Einheit (das Gelingende, den Zusammenhang) stören und zerstören möchte. Jede „Störung“ also ist nicht nur eine Fehleransammlung, ein negativer Zufall, sondern ein dezidierter Angriff des Bösen. Wer sein Leben als Einheit mit Gott empfindet, der lässt den störenden Riss nicht mehr gelten, lässt ihn nicht mehr zu sich. Glaube ich an diese Einheit (Einigkeit), dann „tut sich Gutes immerzu“. Ist die Beziehung zu Gott nicht – dann ist die „Sucht“ da. Sucht hat kein „Enden“ – es geht in der Sucht immer weiter so und ohne Ende. In Beziehung sein zu Gott heißt: in der Einheit sein, die alles umfängt: alles ist zu gleicher Zeit da – das ist Ewigkeit. In der Ewigkeit seyn besagt: Zeit und Raum sind relativ auf Ewigkeit.

 

Dann hat doch jeder Tag ein Mysterium und spricht sich als Ewigkeit aus. Frage: bemerke ich das und wenn ich es bemerke, was dann? Ist schon die Frage-Form: was dann nicht eine reine Illusion, eine Zeit-Frage? Es ist wirklich die Frage, ob ich dem Augenblick ausweiche oder Stand halten kann. Stand halten kann ich nur im Wach-sein; dem Betäuben entgegen. Das Wach-sein ist das Aufgeweckt-sein, das Staunen im Seyn. Te-oma, Dydimus, Zwilling, Thomas: Thomas, der Zwilling, der Dritte. Thomas, der Zwilling. Zwi: die Zwei. Vom Stamm „Levi“: lewaja (geleiten, Begleiten, Begleitung, Mitgang, Geleit). Das Leben ändern, das „neue Leben“. Levi be-gleitet, dass hier schon das Ewige einbezogen ist. Diese „Kraft“ in einem, das ist Levi (der Levit, auch der Priester).   Zwillings-Bruder: der Arme, der Waise, die Witwe, der Levit – der „Arme“ im Geiste – die wunderbare Schickung, der Zu-Fall. Aus dem Zu-fall leben: also von Ewigkeit geleitet leben. Leben aus dem Großen Zu-Fall. Das Vergessene nach-holen, her-holen, da-sein-lassen.

 

Zwilling – zwi: zwei. Der Zwilling sieht aus wie Einer, es wären zwei und sind doch Eins. Thomas: im Zeichen von Levi. Gott vermeiden? Gott duldet das Vermeiden, immer noch – so ist die Liebe: sie duldet den Irrsinn. Im Zeichen von Levi heißt: im Zeichen der Wende, im Zeichen des Neuen, im Zeichen der Umkehr. Umkehr ist das unfassbare Zeichen im Zeitlichen, ein reines Wunder. Es „endet“: das Enden lastet an uns, man verdrängt das Enden, will, dass man bleibt, dass es nicht aufhört. Es endet oft grausam, man stirbt einen Tod, den man sich nicht aussucht – er aber kommt gewiss. Endet es dann? Für den Horizontalen in uns endet es, hört auf und davor graust es einem. Der Mensch fürchtet daher „jedes Ende“ und so will er auch seine Lebensphasen nicht beenden; der Süchtige will von seinem Laster nicht lassen, frei davon werden – es damit be-enden lassen.

Man sagt, alle Aggression in uns – welche auch immer – komme aus dem Widerstand gegen das Aufhören, gegen das Enden. Wenn also jemand einen anderen hasst (wie man sagt), so liegt dennoch die Wurzel dieses Hasses in einem selber: man ist mit sich selbst nicht klar und im Reinen, fühlt sich hilflos ausgeliefert, ist nicht im Frieden, also in der Freude des Seyns. Das Los-lassen ist für den, der nicht „glauben“ kann, schrecklich; so muss man das Enden im Horizontalen verdrängen und zum Verdrängen gibt es genügend Mittel. Hat der Mensch „hier“ eine Wahl? Ist ihm diese Wahl des Wählens „bewusst“? Weiß er, worum es hier geht (um Leben, ewiges Leben und Tod, ewigem Tod)? „Wählen“ heißt hier: das Vermögen zum Glauben können – und das ist kein trockenes Wissen, nichts Philosophisches oder Wissenschaftliches. Das „Erscheinen“ keusch zur Kenntnis nehmen und danken. Die Seifenblase der Zeitlichkeit zerstiebt – man weiß es, verdrängt es und ist ratlos. So tut man besoffen weiter wie immer. Und der Böse hat Freude an der Verzweiflung, lacht über uns, die wir uns an Zeitlichkeit hängen; immer und immer wieder. Man muss es also „geklärt“ haben: Zeitlichkeit spielt im Angesicht der Ewigkeit eine untergeordnete, ver-dankte Rolle. Wird Zeitlichkeit im Hinblick auf Ewigkeit nicht verdankt, dann äußert sich die losgelassene Aggression. Was ist denn Zeitlichkeit verglichen mit Ewigkeit? Kann ich die Zeitlichkeit dankbar los-lassen, weil doch alles aus Ewigkeit besteht? Aggression, Depression, Entmutigung: das alles sind zeitliche Phänomene, sie erzählen vom verlorenen Menschen, der sich in der bloßen Horizontalität verirrt hat.

 

Wenn man weiß, dass man selbst „vollendet“ ist, vollgefüllt mit Ewigkeit, dann erst kann man los-lassen und hergeben, schenken und auch sich schenken. Das Gefühl der „Fülle der Erfüllung“ kommt zuerst und wenn diese Grund-stimmung in einem nicht lebendig ist, dann erst bekommt das Defizitäre seine Chance alles im Umfeld zu vergiften, „nicht zu gönnen“. „Diesen Fokus“ klar zu haben, darum wird es gehen. Vielleicht versteht man dann auch besser, was „Heiligung“ meint.

Gott vermeiden? Es hieße, dieser möglichen Beziehung mit Gott überhaupt (wesentlich) ausweichen. Es könnte sein: wir sind schon eine Einheit im Ewigen (mit Gott) und jetzt begegnen wir uns in der Zeitlichkeit, mit all dem, was Zeitlichkeit heranschwemmt. Aus der Ewigkeit kommend danken wir dafür, weil die Vollendung schon „ist“ (auch wenn es hier nicht so aussieht wie Vollendung). Wir können uns jederzeit Grund-freuen, weil es sich vollendet verhält, auch wenn es mir nicht danach ist und auch nicht so aussieht. Das „Werden“ trägt eine Versuchung in sich: man könnte versucht sein, etwas zu „machen“.

 

Es heißt: der Überfluss an Liebe ist die Waffe, wodurch der Böse am Ende untergeht! Wieder-holung: Wiederholung in der Zeit ist ein Zeichen von Ewigkeit. Durch Wieder-holung baut sich „Wohnung“. So gibt es das „Wunder der Wiederholung“ – die Ein-Wohnung. Mit dem Tod hören alle Fluchtbewegungen auf: dann ist man wach, nüchtern. Und die Philosophie ist doch auch eine oft perfide Flucht-Bewegung. Der Tod soll – wenn er schon nicht verhindert werden kann – doch wenigstens stimmungsmäßig Ereignis sein. Die Verführung zum Rausch geht eben bis ins Allerletzte, auch bis in die eigene Vor-Stellung: wer bist du, großer Gott? Ich will zuerst „wissen“ (mich absichern), dann wollte ich schon tun. Oder: ich tue einfach – auf das Wissen (die Versicherung) kommt es nicht an und die höchste Versicherung (wenn schon), die es hier geben kann, das ist das „Tun ohne Lohn, das Tun umsonst“, für nichts. Dieses „Tun für Nichts“ ist eine echte Liebes-Handlung, ein Sigel der Ewigkeit. Ich tue nicht „weil“, sondern ich tue um des Tuns willen!

 

Traurigkeit und Gleichgültigkeit? Dann ist Langeweile da, man wohnt in der Langeweile – alles ist gleich-gültig. Auch Gott ist dann fade, gleich-gültig. Das „Geheimnis“ ist der Feind der Langeweile, das Geheimnis ist der Anfang der Liebe. Das Geheimnis lässt alles „neu“ sein, keine Langeweile hat da Platz. Hölle, heißt es, ist das Leben in der Langeweile. Wenn Liebe fehlt, ist Hölle da. Langeweile ist da, wenn Gerede da ist, wenn sich die Denkspirale dreht, wenn die Fluchtbewegung angetreten wird: das ist „dieser“ Semmering, dieser langweilige Semmering. Und gestern war überraschend Besuch, ein alter Mann läutete, er suche eine alleinstehende Frau, eine, die hier leben musste, mit Vögel. Aber hier lebte keine solche Frau und der Alte meinte dann, dass die Kerzen vor der Türe schön seien, er wiederholte das und verabschiedete sich. Ich traf ihn kurz nachher unten wieder, wir grüßten uns. Der Alte würde nicht zum Semmering passen, er war viel zu frisch, zu lebendig dafür. Und es spielen dabei die Jahre zwischen 1874 und 1938 in Österreich, in Wien, eine besondere Rolle. Und das ist doch „die“ Zeit am Semmering. Und auch das Jahr 1783 spielt eine große Rolle. In Königsberg spricht man dann von der „Kritik der reinen Vernunft“, vom Siegeszug des Denkens, und sei es wenig später (Hegel) auch dann „speculativ“.

 

Hier fängt die Zeit der Langeweile, der Depression und Melancholie an – wenige Jahrzehnte später wird sich das bei Schopenhauer und Kierkegaard äußern und dann am Semmering zum Höhepunkt verblassen. In neueren Dokumentationen spricht man von einer Re-vitalisierung des Semmerings, man ist ganz nostalgisch, will sich wieder und wieder berauschen, will die Uraufführung: lass´ mich vergessen – neu erleben. Vielleicht mit neuartigen Getränken aus Reichenau, mit dem Aufputz von damals – eben das alte Verweste neu beleben. Aber eine Mumie bleibt eine Mumie. Oder ist es  gar anders, wie bei Ezechiel?

 

1938 war „vor“ der Besetzung Österreichs, meint man, doch die österreichische Seele war doch meistens „besetzt“, oder?

 

Wir „tun“ Dinge, die wir wenig oder gar nicht erklären können und wir wissen auch gar nicht, „warum“.

 

 

(Weiterführung „Karwoche 2023“: Wer in Zion wohnt, stirbt niemals, zu keiner Zeit)

 

 

Die „Welt“ als Gabe – Geschenk. Wie gehe ich damit um? Verschlinge ich die Welt, verliere ich mich, erhebe ich Ansprüche oder: kehre ich um, gehe zurück, kehre heim? Hier ist der Mensch wirklich „frei“ zu entscheiden und zu handeln.

 

 

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

 

LEIB  II

(Ostern 2023)

 

 

Jahrhundertwende, sagen wir am Semmering: Südbahn-Hotel, Panhans, noble Gesellschaft, die Sonntage werden lieber in der hohen Gesellschaft verbracht. Baron Nathaniel Rothschild lässt 1884-1889 sein Schloss in Reichenau an der Rax bauen, es bleibt ein Fragmentbau. Der Rothschild wollte den nüchternen Habsburgern schon zeigen, wer die Mächtigen sind, die das Sagen haben – es war dann seine Schwester, die ihm das abgewöhnte – daher blieb es beim Fragment. Die Psychiatrie am Rosenhügel, auch ein Kind vom Rothschild. 1889 fällt, sagt man so, Nietzsche in den Wahnsinn, werden Heidegger, Wittgenstein und Hitler geboren. Zeitgleich lebt in Frankreich die Heilige Therese von Lisieux, sie tritt bereits 1888 als 15 jährige in den Karmel von Lisieux ein, und wird am 10.01.1889 in Lisieux eingekleidet, im September 1890 dann die Profess, sie kehrt in die Ewigkeit im September 1897 heim. In jener Zeit vor der Jahrhundertwende lässt der Selfmade Millionär Viktor Silberer sein Schlössl am Semmering errichten. Es ist das erste elektrifizierte Schlösschen am Semmering – er verkauft den Bau nach dem 1. Weltkrieg, sein Sohn wird sich später erhängen. 1889 verliert Rothschild – so heißt es – die Freude am Prunkbau in Reichenau und schenkt das Fragment kurzerhand einem Verein für Brustkranke. Es ist die Zeit der aufkommenden Überhitzung des Psychischen, man spürt dieses Überspannt-sein heute noch an den Bauten am Semmering und Umgebung. Es ist das Spürbare am Doppel- und Dreifachleben, am Liberalismus, die Hoffnung setzt man auf das Titanische, das später (1. Weltkrieg) auch untergehen wird. Man wurde Industrieller, vielleicht Bankier, je nachdem. Der Sohn kennt den Vater als Bankier, wie Herbert Silberer seinen Vater kennt.

 

Oft waren die Angestellten damals noch blaublütig, Grafen und Gräfinnen. Der eine Graf war der Sohn aus der Ehe des Professors mit der geraubten Frau, usf. Wer kennt denn alle diese Beziehungen, Schieflagen, Umbrüche, Zusammenhänge? Und doch gibt es diesen „Großen Zusammenhang“, den keiner wirklich durschauen kann. Und wer weiß schon, dass mein Ur-Ur-Großvater Anfang des 18. Jahrhunderts Begegnungen hatte, die heute maßgeblich für mich sind – mit Leuten aus der Monarchie, mit Flößern aus dem Dachstein Gebiet, mit der schönen Gesellschaft in Reichenau und am Semmering? Wer kennt denn diese Großen Zusammenhänge wirklich? Aber wer mit ganzem Herzen sucht, also mit ganzer Seele, dem kommt dieser Große Zusammenhang, jener, wo andere sagen: Zufall, bloßer Zufall. Wer sucht und „sich“ einsetzt, der findet immer das Gesuchte, es spricht sich ihm zu. Fragen wir überhaupt noch nach diesen „Großen Zusammenhängen“? Wer „hier“ nicht frägt, bleibt Phantast, wer aber seine Existenz der großen Frage öffnet, der ist wahrhaft Realist und das wäre doch heilsam in einer durch und durch fantastischen Welt, nicht wahr? Der Fantast in uns ist jener, der das Blendwerk des Zeitlichen und Vergänglichen für alles nimmt, dem es auch verschwindet für immer, der wirklich überzeugt ist: dieser da, der ist gestorben – aus und Ende. Dass der Verstorbene aber viel intensiver auch hier lebt als vorher, das kann der Fantast nicht glauben, dazu müsste er Realist sein. Der Realist ehrt das Heilige, es ist ihm wesentlich, er hat eine Verbindung. Fehlt diese Verbindung, ist das Leben ohne Sinn. Ist einer ein intellektueller Fantast, dann glaubt er durch Philosophie, Magie, Psychotheorien irgendwie das Geheimnis des Seyns aufschließen zu können – aber das ist der größte Irrtum des Fantasten. Der Realist hat die Sehnsucht, ihm kommt es durch Sehnsucht. Freilich scheint alles verdreht und so verdreht es sich ja schon seit Jahrhunderten. Heidegger hat einmal darauf aufmerksam gemacht, z.B. beim Sinn des Griechischen ousía, was man dann als existentia im Mittelalter gebraucht und in der Neuzeit wendet es sich dann wieder in der Bedeutung. So meint man, dass dem Realisten die „res“, die handfeste Sache, Wirklichkeit sein sollte, in der Wissenschaft ist das dann das Messbare, mit Apparaturen Feststellbare. „So“ ein Realist kann mit Sehnsucht nichts anfangen und mit Glaube, Liebe oder Hoffnung auch nicht; das alles gilt ihm gerade als „fantastisch“, un-realistisch wie man sagt.

 

Wie kam es zu dieser Jahrhunderte-alten Bedeutungsverschiebung? Ist es bloßer Zufall? Wo meine Sehnsucht liegt, da liegt mein Leben. Was also hat Priorität – was ist also das „erste Verlangen“ in meinem Leben? Das ist eine ganz entscheidende Frage und sie muss beantwortet werden, sie muss zunächst wieder und überhaupt „gestellt“ werden – man benötigt wieder ein Sensorium für die Art dieser Frage: was hat Priorität? Was kommt zuerst, was kommt ganz früh? Es ist dann vielleicht begreifbar, dass man „geboren“ wird gemäß dem, wonach man sich „primär sehnt“. Die biologische Abstammung ist eine Bedingung der Möglichkeit der primären Abstammung, die in der „Sehnsucht“ (der Liebe) begründet ist. Einer, der Gott wahrhaft liebt, kann nicht Böses tun, auch wenn so einer Böses denkt. Einer, der von Gott nichts wissen will, er tut immer Böses, auch wenn es zunächst gut aussieht. Es ist hier die Frage der „Priorität“: Gott oder Nichts? Wer also sind wirklich meine Ahnen, wo liegt meine Herkunft? Bin ich noch Fantast und sage: ja, das waren meine Eltern, die lebten dann und wann und das meine Großeltern, auch dann und wann usf. oder bin ich Realist: meine Herkunft liegt in meiner Sehnsucht? Man sucht oft nur die Freude des Genusses, den das Erscheinende hier schenken kann. Sucht man nur diesen Genuss, macht man sich das Erscheinende zum Gott, dann „ist“ auch der Tod. Denn der Tod ist der Verlust der Offenheit für den lebendigen Gott. Die Einigelung auf das nur Erscheinende bedeutet ein wahres Sterben, dagegen das Kommen und Gehen, das, was wir sonst „Sterben“ nennen, aus der Sicht der Ewigkeit her gar keines ist. Der Verlust der Beziehung zu Gott ist der eigentliche Tod. Wenn einem Menschen Gottes Offenbarung nicht mehr offenbar wird als solche, dann ist er „tot“. Anders: wenn einer nur mehr horizontal vegetiert, ist er „tot“. Das, was der Mensch als „Tod“ erfährt und bejammert, ist das Eingeständnis seiner eigenen Froschperspektive darüber hinaus er nicht wachsen konnte. Wer also die Ewige Perspektive nicht lebendig lebt, der muss unweigerlich dem, was er hier so als Tod erfährt (das Kommen und Gehen des Erscheinenden,, was man hier Tod nennt) mit Haut und Haar verfallen. Die Mahnung, das Horizontale nicht zu fressen (zu verstoffwechseln), ist an diesen Tod geknüpft.

 

Wir brauchen zum Erscheinenden (zur Welt) eine ganz neue Beziehung. Dieses „Neue“ setzt das Verlassen der alten Gewohnheit voraus: das alte Leben (nur horizontal ausgerichtet) muss prinzipiell ausgerottet werden und es wird schon hier die Frage zu stellen sein: habe ich mit meinem alten Leben, mit meiner alten Gewohnheit, „Mitleid“? Tut mir das quiekende Schwein in mir selbst leid? Woher kommt dies nun, diese Neuerung? Sie kommt aus der „Innerung“: man kennt die Innerung aus dem Wort Er-Innerung und es meint jetzt das Hervorkommen aus der Quelle des Seyns, das ist Gott. Wer sich er-innert, der gedenkt diesem Hervorkommen, das immerzu ankommt. Das Frühere als das Anfängliche ist das Bestimmende und Durchwirkende, es ist früher, weil es „gibt“ (die Gabe). Wenn man sagt: es „gibt“ dies und das, so meint man im Grunde das „Geben der Gabe“, die uns umsonst zukommt, vom Ewigen her. Die Innerung der Er-innerung lebendigt sich, ist kein totes Vergangenes, sondern lebend Vorhergehendes, Leben schenkendes. Es heißt, dass der Heilige Erzengel Michael der Engel dieses Er-innerns sei, dass das Wirk-same, das, was Wirklichkeit ein-räumt, aus der Quelle, aus Gott ist. Michael, der Engel im Osten ist der „Frühere“, der Vor-Gänger, er kommt aus dem Frühen der Frühe und also geht er voran, räumt den Raum der Quelle ein. Im Ein-räumen liegt das „Raum-geben“ (sich öffnen, Platz schaffen); nichts anderes ist der Sinn des T-räumens; der Traum ist das Ein-räumen, das Leer-werden für die Innerung oder mit einem anderen Wort: für die Überlieferung. So ist das, was wir Zeitlichen Vergangenheit nennen im Ewigen jederzeit zugleich die Zukunft, jenes, was uns zukommt, wohin wir, schon dahin bestimmt, unterwegs sind. Dieses Zeitliche hat zur Grundlage das „Geschichte des Gewesenen“. Ge-schichte jetzt als die „Schichtung“ des ewigen Wesens: wie es war, wie es ist, wie es sein wird. Das „Ge-Wesene“ meint also jetzt nicht mehr das tote Vergangene, eine Historie als Chronologie, spürbar im horizontalen Empfinden der Vergänglichkeit, das Ge-Wesene ist dementgegen das Ge-Wesende als lebendige Anwesenheit von allem, was „ist“. Wer sich plötzlich an „alles“ er-innert (und alles meint jetzt den Ursprung, woher alles kommt und wohin alles geht), der wird vom Heiligen Erzengel Michael geführt, der der Vor-Gänger der Er-Innerung ist. Sich an alles er-innern bedeutet demnach, das Fragment des horizontalen Erlebens in Beziehung zur Quelle in Gott bringen lassen. Das „Lassen“ deutet schon an, dass es sich hier um eine Gelassenheit handelt und nicht um einen Aktionismus. Mit dem Sein-lassen hat es eine besondere Bewandtnis: so heißt es doch in Genesis 2 schon, dass der Mensch von den Früchten des Baumes der Erkenntnis lassen solle, er soll es sein lassen damit, nicht nehmen diese Frucht, sich ihr nicht ausliefern: sie nicht fressen, verstoffwechseln – so, als wäre das der Sinn des Lebens, das Ein und Alles. Käme es so, dann ist der „Tod“. Der Mensch hat hier seine tiefe Schwierigkeit mehr damit, etwas „sein zu lassen“ und so haben wir heute auch sehr große Schwierigkeiten damit, vom Aktionismus in allen Bereichen „sein zu lassen“. Nichts fällt dem Menschen offenbar schwieriger als darauf zu vertrauen, dass der Schöpfer schon seinen Ewigen Plan des Gut-seins hat.

 

Raum-schaffen für dieses Grund-Vertrauen: das ist der Sinn des Ein-räumens. Raum-schaffen hat auch noch eine andere, sehr wesentliche Bedeutung: wer Raum und Platz macht, der muss das Gerümpel wegschaffen, sonst kann Neues nicht da sein. Und das „Gerümpel“ ist die Hybris des horizontalen Absolutismus, diese Selbstermächtigung in allem, auch das Urteilen, besonders über das Sakrale. Dieses Gerümpel muss entsorgt werden im Sinne der Relativierung.

 

 

DER LETZTE TAG DIESER WELT

 

Der letzte Tag dieser Welt ist auch „mein letzter Tag“ und es frägt sich jetzt: wovon lebe ich hier eigentlich? Fragt sich diese Frage noch oder habe ich schon immer meine horizontalen Antworten (Ausreden)? Der „letzte Tag“ im Leben ist immer: heute. Man macht sich das nicht klar, es verhält sich aber so, denn alles, was heute geschehen wird, es ist sogleich „beendet“, mit Ende versehen. Es meint: es ist „geschenkt, umsonst, Gabe“. Ein Geschenk bekommt man doch „unverdient“, es wird überreicht und ist somit in diesem Sinne „beendet“ – mit Ende versehen; ich habe selbst zum Geschenk nichts Aktives beigetragen – das meint hier: Beendigung. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass in dieser Welt nichts passierte, wenn wir nicht selbst „täten“ (leisten, arbeiten, machen). Mit Ende versehen meint jetzt ganz und gar nicht: für immer verschwunden, aufgehört, vorbei, vergessen. Der letzte Tag als Beendigung ist dagegen die Gesinnung, dass der Mensch eigentlich lebt vom Brot des Himmels – der Gabe des Himmels; dass alles in der Welt und jenseits der Welt geschenkte Gabe umsonst ist. Aus „dieser Gesinnung“ heraus lebt man, aus ihr, aus diesem Vertrauen – darauf wird es ankommen. Der „letzte Tag“ ist somit der anfängliche Tag, der „ewige Tag“, der keinen Aufschub duldet. Weiter oben war vom Fantasten und vom Realisten die Rede und von der Bedeutungsverschiebung seit Jahrhunderten. Der Fantast ist heute einer, der als Tagträumer gilt, der die vorausberechenbare Wirklichkeit nicht sehr ernst nimmt, der also die Fakten der Berechnung (heute sagt man Expertentum dazu) einklammert. Einen solchen Fantasten nimmt man oft nicht ernst, heißt: man schlägt ihn tot (Bildlich gesprochen). Der Realist plappert dagegen nach, was ihm ein Experte vorleiert, er glaubt der Meinung eines sogenannten Experten unhinterfragt. Er ist also in vieler Hinsicht noch dümmer als ein sogenannter Fantast. Leben in der „kommenden Welt“ – das ist die Welt nicht, die nachher (nach einem Sterben) kommen könnte, die „kommende Welt“ ist die jetzt schon ankommende, heran-kommende (ewige) Welt; sie hat mit Zeitlichkeit nichts zu tun. Wenn einem etwas aus dieser Ewigkeit „(an)-kommt“, dann lebt er auch in Ewigkeit. Aus dieser Ewigkeit „kommt“ es heran, wird es „gebracht“. Diese (an)-kommende Welt ist erfüllte Welt: voll-kommend. Sie ist daher zugleich die „Fülle der Welt“: kein Tod, kein Aufhören, kein Enden – wie wir es sonst gewöhnt sind zu fassen. Die Toten, die Gestorbenen (wie wir „so“ sagen) – sie leben, leben mehr und heller als wir hier; sie sind auch hier, reiner, lichter, repariert (gerichtet). Was hat Gott vom Menschen, wenn sie ihm unter Zwang dienten?

 

Heute, der 01.04.2023: an der Grenze des Lebens, vom Zeitlichen ins Ewige. Jahrhundertwende: man langweilt sich, vertreibt sich die Langeweile: Kaffeehäuser, Theater, Event, neues Getränk, Revitalisierung, wir benötigen „neue Spiele“, di heutigen sind abends schon alt. Man spürt das, weiß es vielleicht auch, ahnt es zumindest und sagt sich: egal, ich mache weiter, was soll´s, es tut doch jeder! Man besucht eben „Kur-orte“ – ja warum eigentlich? Weil man Höhenluft braucht – wer sagt das, der Abkassierer? Ich selber stimme zu, benötige diesen Ortswechsel, es tut gut – abspannen. Der Antrieb war doch im Grunde „traurige Stille“: was tun wir bloß heute? Vormittags Hochstraße, mittags jene Gesellschaft, nachmittags ausruhen, abends Konzert – und so ein Leben lang! Und wenn die Abendgesellschaft des Lebens nicht mehr trägt, dann braucht man stärkere Drogen. Vielleicht eine Beschleunigung am Hungaro-Ring? Oder dieses neue Getränk aus einer uralten Zeit? Oder ein Haus-Umbau?

 

Die Luft war damals, Semmering vor der Wende und sie ist es ja heute noch, jenseits vom Semmering: voll von Zitaten aus alten und neuen Romanen, Gedichten, Gesellschaftsklatsch. Nichts ist anders. Man wählt wie man will und was man will: Analytische Philosophie sagt mir mehr zu als analytische Psychoanalyse, Buddhismus ist mir lieber als diese Katholiken und überhaupt soll jeder machen wie er es für das Beste hält. Die Luft ist „voll“ davon, die Luft zum Atmen. Hauptsache ist doch: man nennt irgendetwas Mysteriöses, etwas sprachlich schon sehr Schwieriges, das genügt, verstehen muss man es nicht, es ist wie mit dem Saufen: 2 Schnaps und man ist sowieso dabei!2 Schnaps im  üdbahnhotel – sagen wir 16 Uhr? Warum nicht, das Leben ist lustig und so ist es leichter! Morgen brauchen wir eine neue Hauseinfahrt, die alte gefällt mir nicht mehr, warum nicht, Geld ist da und für den Moment ist das eine Entlastung! Ja, man sieht schon, dass das alles „unwahr“ ist, langweilig: die Medien, das Kolportierte, die Alltagsrede, der Plan für den Moment, die Drogen, der Rausch, das gehört dazu – dieses Leben insgesamt ist ein Rausch.

 

„Mama, ich kann nicht kommen; ich will auch nicht kommen. Ich will ein neues Leben anfangen, lasst mich in Ruhe. Ich weiß eigentlich überhaupt nicht was ich will. Habt nur keine Sorgen um mich; vergesst mich!“

 

Und Wien ist doch mit dem Semmering direkt verbunden: auf Schienen, eine Stahlspur, man kann nicht abweichen, dieser Zug des Verderbens ist auf Schiene.

Sieht man das und weiß es und dann, was tun? Nichts tun, still sein! Lasst uns danken dem Herrn unseren Gott! Und der Satan ist doch auch auf die Erscheinung (auf die Frau) aus, die will er besitzen, haben, an sich reißen. Aber „die“ Frau ist schon ein Abstraktum, ein Hereinfall. Und auch „das Weibliche“ ist derselbe Hereinfall. Der „Schmuck der Welt“ (der Frau, der Erscheinung) – die Männer geben den Schmuck weg, ab, die Frauen nicht. Mit  der Weggabe fängt das ständige „Erklären müssen“ (das Sich erklären) an. Mit dem Erklären fängt der logische Zirkel an – ein endloses Herumgeeiere. Das Tragen des Schmuckes – wie selbstverständlich – ist Zeugnis „sein“ vor Gott und das zählt. Wenn wir „Zeugnis in der Welt von Gott ablegen“ – dann tragen wir den Schmuck. Wer Gott verliert, verliert den Schmuck. Sobald die Welt sich also von Gott befreit, ist sie Hure. Die Gesänge, Bräuche, Liturgie, Tradition – Herkunft, das alles ist „Schmuck“ vor Gott. Das alles soll „lebendig da sein“ – dann ist die Frau Königin vor Gott, ist die Erscheinung Königin vor Gott. Das Erscheinen zündet die Lichter an, singt den Gesang, zeigt die Gesten, „tut das Heilige“, betet die alten Gebete zur Ehre Gottes. Denn: das Erscheinen (die Frau) muss sich nicht erst und vor-erst erklären, muss keine logischen Erklärungen abgeben.

 

„Dieses“ Weibliche in der ganzen Welt „ist“ heilig. Wer aber „erklären will“, verlässt die Heiligkeit Gottes, er geht fremd, hurt herum. Unsere Bräuche, unsere Kleidung, unsere Tradition, das alte Gebet, die Überlieferung – sie alle sind unsere „Frau“ – unsere „Art zu sein“, das ist unser „Frau sein“, meines und deines.

Alles zur größeren Ehre Gottes: dann ist die Frau „heilig“. Wer erklärt, der mag erklären – wer aber heiligt, der „tut“. Diesen „Schmuck“ behalten heißt: die Tradition ehren, das Überlieferte annehmen und weitergeben, es tragen und anziehen. Die weiter-tragenden Frauen sind frei von den Sünde des logischen Zirkels (frei von Erklärungen).

 

Und der Semmering, die alte Mahler-Villa, das alte Kurhaus? Dort hat man den Schmuck abgelegt, hat ihn verschleudert für den berauschten Moment, für eine Affäre mit der Langeweile. Die tapfere Frau ist daher immer die „treue Frau“, die treue Erscheinung. Die End-Zeit (Fin de siecle) – auch die unsere – zeigt diese Mühe der Langeweile, das sich bloß-Beschäftigen ohne Seins-Ergriffenheit, zeigt also das Pensum, am Ende die Quantität: es ist dann vom „Viel“ die Rede: viel auch beten, viel fromm sein, viel arbeiten, viel lesen, viel, viel, viel… Im Grunde hat so ein Mensch nichts mehr zu tun, ist ein Müßiggänger, wie es ja die Semmering-zeit offensichtlich gemacht hat.

 

Isst kein Brot und trinkt kein Wasser: meint: von dem in der Zeit Notwendigen unabhängig. Wer sind die Engel?

 

Der Engel: Bote Gottes. Und – haben die Engel sie, haben die Engel mich nicht durchgelassen? Und wenn man nicht durchkommt – was tut man dann? Macht man mit dem Spiel der Erde weiter mit? Semmering? Die Sprache vom Semmering ist doch verstanden, wird gesucht, ersehnt sogar, wie ein Mysterium, wie eine Droge. Man hat sich doch einiges hier davon versprochen – und der Semmering war nicht nur damals, er ist jetzt in unserer Seele; nichts ist da bloß vergangen. Es ist „da“, wie dumm und zeitgebunden es auch aussehen mag. Was soll man „tun“? Zuerst lassen einen die Engel nicht durch, dann lassen sie einem nicht los? Antwort: man braucht doch nur allein bei Gott zu sein. Dann wird der ganzen Welt schon geholfen. Wie bei Mose. Ist das eine Antwort? Werde „ich“ bleiben oder davonlaufen, oder davonfliegen wie Viktor Silberer? Denn die Menschen laufen doch, sie liefen immer schneller und dann fuhren sie auch mit dieser Bahn. Und die „Ausreden“? Was sind diese Ausreden? Wir können nicht in den Himmel, wir sind erdhaft, realistisch und wenn wir im Himmel sind, wollen wir nicht mehr erdhaft sein: immer sind „Ausreden“ da, um den lebendigen Gott zu vermeiden: also Verantwortung zu übernehmen, zu ant-worten. Das will man vermeiden!

 

Die Leute liefen damals davon, in das Geschwätz des Fin de siecle, sie laufen heute davon, in das Geschwätz der Chroniken der Medien. Das ist das Große Davon-laufen. Wir haben keine Liebesromane, saufen uns nicht bewusstlos. Unser Leben scheint langweilig: keine teuren Reisen, keine ausgesuchten Restaurants, keine Liköre, keine romantischen Liebesaffären: keine romantischen Tränen der Untreue, nicht Romeo und Julia, keine Eifersucht. Wir haben keinen Alkoholismus – vielleicht ist Joseph Roth die Ausnahme? – und sexuelle Probleme? Wer weiß? Es sind eher seltene Ausnahmen, die man aufbläht, wichtig macht – eben Semmering Mentalität! Es wird um das bloße „Benützen“ gehen, nicht wahr – die Dinge also ohne an ihnen zu hängen nehmen  und danken, das nennt man: nüchtern sein! Man nimmt die Dinge nüchtern, wenn man sie „heiligt“ und man „heiligt“ die Dinge, wenn man sie „als“ Himmlisches erfährt. Dann sind „Himmel und Erde“ verbunden, der Alte und der Neue Bund im Verband. Karl Ritter von Ghega sagt einmal: durch die Eisenbahnen verschwinden die Distanzen, materielle Interessen werden gefördert, die Kultur wird gehoben und verbreitet. Ritter von Ghega stirbt 1860 in Wien, das, was er hier sagt, ist schon Realität. Die „entwurzelte Kultur“ – muss man aber ergänzen, verbreitet sich, wächst wie ein Krebsgeschwür heran. Mit der Grundstimmung Fin de siecle wächst die Stimmung der Langeweile. Heidegger wird um 1929 diese „Langeweile“ zur dritten Form der „tiefen Langeweile“ versenken, die wie ein „schweigender Nebel“ in den Untiefen des Ek-sistierens hin- und herzieht und keinen „Sinn“ geben kann; Zeit ist der Sinn des Ek-sistierens, gibt aber keinen „Sinn“. Was Heidegger radikal durchdenkt, erlebt die honorige Gesellschaft schon Jahrzehnte früher am Semmering „existentiell“ (nicht ek-sistenzial). Es ist dieses Gift des Pessimismus und Nihilismus, die Zeit nach Hegel: der Moderne ausgeliefert, der Religion abgestorben, der Gott ist tot – es lebe die Langeweile, die Sinnlosigkeit. Eine heftige Affäre verspricht noch einen Kick, das Saufen hilft manchmal, Sport ist auch eine Erleichterung.

 

Wenn man die Vorlesung von Heidegger von 1929 – 6-stündig: Welt – Endlichkeit – Einsamkeit  - liest, weiß man, was „Semmering“ bedeutet. Die Dokumentationen über den Semmering von 1989 oder „Land der Berge“, sie alle gehen an dieser Dimension vorbei, können gar nicht danach fragen. Die Vorlesung von 1929 „Langeweile“ ist auch die Frage freilich nach der „Zeit“ und es ist die Frage nach dem Geist der Zeit, auch wenn es dort nicht so benannt wird. Das Gift jener Semmeringer Zeit ist diese Melancholie eines gesteigerten Exhibitionismus. Darin einen Lebens-Sinn zu finden, in diesem entleerten Rausch, das ist die Krankheit jener Zeit, das Morbide, das auch heute noch kranke Gemüter faszinieren mag: Revitalisierung einer durch und durch kranken, sinnentleerten Welt. Ich besaufe mich und das ist schon der Sinn, auch wenn ich mich morgen wieder besaufen muss. Dagegen: man weiß, dass auf Erden (auch ohne Saufen) nichts sinnlos ist, weil im Himmel alles von der Erde wiedergefunden werden kann. Das Sich-besaufen mit Erlebnis und Welt ist womöglich auch ein Sichbesaufen mit Intellektuellem, mit dem „schönen Geist“, mit Literatur und Kunst, mit Metaphysik und Psychoanalyse – alles recht intellektuell, auch mit der Heiligen Schrift kann man sich intellektuell beschäftigen, berauschen. Jener irdische Rausch ist wesentlich der Rausch der eigenmächtigen Pläne und der eigenen Vorstellungen. Kann eine Erhebung (Sehnsucht) aus diesen irdischen Verirrungen stattfinden? Lebt man wirklich viel zu wenig „wirklich“ in der Hoffnung jener anderen, wahren Wirklichkeit? Gilt sie uns nur als Verströstung – gilt sie uns überhaupt und wie schwer wiegt sie? Es geschieht doch das Wunder, ganz im Stillen: man steckt die Büroklammer genau dort hin, wohin sie gehört – zum Wesen, zur Wahrheit des Ewigen.

 

Heiligung und Nüchternheit (im weiten Sinne genommen) sind ein und dasselbe: und es ist zunächst das „Wort“ geheiligt, es ist und daher ist es unsterblich. Sollte man das wissen in einem „anderen“ Wissen? Es heißt, Schedim suchen die Menschen auf um ihnen die Freude am Ewigen zu nehmen, sie machen ihn besessen mit Lust am Zeitlichen.Und das Bilder-Verbot? Gilt es nicht überhaupt – wozu Festlegungen? Jedes Bild sagt doch: So ist es – unverrückbar! Diesem: so ist es – unterwirft man sich, dem dient man ohne Widerrede! Herrschaft der Bilder, am Ende Herrschaft der Götzen! Auf das Bild „schauen“ bedeutet: ich lege den Moment fest, halte den Blick des Auges fest, eine Momentaufnahme bete ich an und statte sie mit Seins-Dignität aus, sage überzeugt: „so“ ist es! Welt / Endlichkeit / Zeitlichkeit: 1929 hält Heidegger diese 6-stündige Vorlesung, sie ist eine Metaphysik über die Langeweile, über die Zeit, die sich gähnend leert. Anziehungskraft der Leere, des Sinnlosen, des Schwermütigen  auch eine gewisse Faszination der leeren Tiefe, des entleerten lógos. Es passt genau in diese Zeit, in der Heidegger, weit herkommend, die Leere des Zeitgeistes aufspürt, die Lüge der drei oder vierfach exaltierten Existenzen. Je tiefer die Langweile anwest, desto mächtiger belagert sie eine Seele, es ist, wie Heidegger meint, eine „Grund-stimmung“, die keine gedrängte Zeit oder Eile mehr hat und das ist dann auch das Leere: die Zeit drängt zu nichts mehr, sie dehnt sich, wird elastisch, hat keinen fordernden Charakter mehr. Es könnte einem dabei geschehen, dass die Zeit „still“ steht. So ungefähr sind meine Erinnerungen an diese Vorlesung, man legt das Buch eigentümlich berührt weg.

 

Das „Kleinste zu schenken und zu erfüllen“: ist der Sinn des Existierens. Sobald oder insofern ein zeitliches Begehren da ist, ein Begehren außerhalb meiner, insofern ist der Neider, der Hasser, der Lügner von Anbeginn da – der die Wichtigkeit des Zeitlichen proklamiert. Insofern sich eine Seele von Gott wegwendet, von der Ewigkeit wegwendet, insofern wendet sie sich dem Satan zu. Die Priorität muss sein: Ewigkeit. Wir sollten nicht für uns und unseren Egoismus erwerben, sondern für die Ewigkeit“ da sein!

 

Wer etwas außerhalb des Liebens sucht, der findet den Sturz in Zeitlichkeit, in Nebensächlichkeit. Ewigkeit ist das Erste und Letzte, das Höchste, das erste Gesetz der Liebe – hier ist alles und außerhalb der Liebe ist Nichts. Der Satan gönnt diese Liebe nicht, er gönnt nicht Ewigkeit, das Beste. Er will von dieser Vollkommenheit immer etwas stehlen und es im Zeitlichen als Ewiges verkaufen, mit dem Anschein von Ewigkeit und ewigem Glück, aber das ist eben seine Lüge.

Daher sollte man immer das Höchste, die Ewigkeit in Gott, erhoffen und auch erwarten und sich nicht mit einem minderen Zeit-Ersatz zufriedengeben. Das erste Sinnen sei in Gott und alles andere ergibt sich schon von Gott her. Das Kleinste hier Anwesende wichtig nehmen heißt: es von Ewigkeit her wichtig nehmen, darum ist es wert, beachtet und geachtet und erfüllt zu werden – weil es von Gott her „ist“. Indem ich das Kleinste „achte“, gönne ich ihm Ewigkeit. Dem Seienden immerzu Ewigkeit „gönnen“ heißt: es lieben, es umsorgen, es „achten“ (achter Tag, Tag der Ewigkeit). Das Seiende lieben besagt: es von Gott her, weil es aus ihm ist, achten und ehren und lieben. Man tut sich hier auch sehr schwer damit zu verstehen, dass Gott ein „eifersüchtiger Gott“ ist, und zwar deshalb, weil man es sich nicht vorstellen kann, dass Gott einem etwas nicht gönnt – und das stimmt auch. Aber Gott ist der Eigentümer dieser Welt und alles Seienden, ihm gehört es, zu ihm geht es. Mit dem Seyn des Seienden hat er alles hin geschenkt, damit wir „alles“ und nicht nur Zeitliches haben könnten. Alles haben können heißt: die „Ewigkeit“ haben; also unseretwillen ist Gott eifersüchtig, er duldet es nicht, dass wir nur mit Zeitlichem zufrieden sein könnten.

 

Es kommen Zeiten – und das „Bild“ vom Semmering ist ja nur ein Bild für jene Zeiten – in denen nach Momentaufnahme „existiert“ wird: was gerade kommt und wie es kommt und wie es sogleich wieder vergessen wird. Der Blick für das Ewige geht dabei verloren: sehend und blind, hörend und taub. Es heißt, durch die wahre Freude wird alles Böse (die Sorgen) vertrieben. Wenn die irdischen Sorgen groß werden, wird der Böse aufgerufen. Die Frage stellt nach dem Brauchen: was brauche ich wirklich? Wonach sehnt sich meine Seele – oder ist diese Frage nicht mehr zulässig? Mit dieser Frage geht zusammen die Frage nach dem Historischen. Wenn der Semmering nur „historisch“ interessant ist, dann geht mich das nichts mehr an, dann war das einmal vor vielen Jahren und mit dem Historischen ist das Lebendige tot.

 

Wir haben das Nicht-Lernen gelernt, man hat uns beigebracht den erd-schweren Blick, das Flüchten im Flüchtigen, den Aufenthalt ohne Halt und Aufenthalt. So ist es das Gewohnte geworden und vergangen, Daten sind gekommen und gegangen. Man denkt sich: nichts mehr dabei.

 

 

(Weiterführung, Karwoche 2023)

 

 

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

 

LEIB

(Ostern 2023)

 

Der folgende Zyklus „Leib“ schließt nahtlos an den Zyklus „Heilige Maria – Mutter Gottes“ an, er gehört in diesen Zyklus und ist so dicht darin verwesentlicht wie die Seele im Leib. Der Leib ist hier verstanden als „Leib Christi“ und es ist jetzt die Zeit der kommenden Ernüchterung; das betrifft auch das „Wort“, wesentlich das „Wort als Entbergung“. Jean Corbon hat wenig geschrieben, ein Buch von ihm ist überschrieben: Liturgie aus dem Urquell (Johannes Verlag). Was „Leib Christi“ eigentlich bedeutet, ist in diesem Werk greifbar. Der Leib Christi ist das Kreuz Christi: es gibt keinen Leib ohne Kreuz und wenn das Leiben wesentlich das „Lieben Gottes“ meint, dann ist klar, dass es keine Liebe ohne das Kreuz geben kann. Das zu verstehen war immer schon ein Skandal, früher war es so, heute ist es so. Der Weg also, der hier begangen wird, ist der Weg im Angesicht des Kreuzes Christi, es tiefer zu verstehen, was Erlösung eigentlich meint. Es wird dann auch fassbarer, was „Leiden“ meint: die Liebe leidet, weil sie wartet, sie duldet das Warten auf Antwort, auf ein Liebes-Echo und es kommt nicht. Die Liebe Gottes wartet auf Antwort, auf diese Sehnsucht im Menschen. Aber der Mensch probiert lieber alle horizontalen Möglichkeiten aus bis zur Besinnungslosigkeit. Aber auch das „duldet Gott“, alle diese Verkehrtheiten, die man hier (im Horizontalen) unternimmt, um ihn, Gott, zu vermeiden. Ein „unheimliches“ Wort: Gott vermeiden, wie, als ob Gott eine zu vermeidende Katastrophe für den Menschen wäre. Auch das duldet Gott, diese verkehrte Haltung. Dieses stetige Nein-sagen zu Gott ist doch wie ein Vernichten wollen und es ist bestimmt nicht bloße Dummheit des Menschen so zu tun. Der Riss geht viel tiefer; es ist etwas in uns, um uns, das „hindert“ (der Hinderer) die Liebe Gottes zu fassen. Möge der Heilige Geist dieses Wort segnen: den Weg der Wahrheit führe mich.

 

Leiben, lieben, laben, leben: ein Sinn. Die Frage nach dem Leben ist dieselbe Frage nach dem Leiben, nach dem „Leib“. Früher noch kannte man das Wort: wie er leibt und lebt! Die Frage nach dem Leben ist zugleich die Frage nach dem Leiben und zwar nicht „theoretisch“. Das Leben „leibt“ und im Leiben geschieht schon das Zugemessene, das Heilige könnte man auch sagen, wenn man darunter auch das Ganz-sein verstehen möchte, das „Ewige im Zeitlichen“. Das Fragen dieser Frage nach dem Leben hat also das Besondere, dass es nicht „theoretisch“ frägt, sondern das Fragen als „Entsprechung“ erfährt. Das Fragen als Entsprechung erfahren bedeutet jetzt: Antwort geben, sich nicht mehr hinter Theorien, Meinungen, Büchern usf. verstecken, sondern aus dem eigenen Versteck hervorkommen und Stellung beziehen. Wenn das geschieht, nimmt man sich die Zeit der Vergegenwärtigung, man nimmt sich Zeit der Klärung und läuft nicht mehr davon oder mit anderen Worten: man findet einfach keine Ausreden mehr. Mit dieser Entsprechung hat es eine ganz bestimmte Bewandtnis, eine Gestimmtheit: es hört auf mit den Anklagen gegen Andere, gegen Gott und auch gegen einen selbst. Den „Leib“ in dieser Hinsicht ernst nehmen heißt ihn ehren, den Leib ver-mögen (ihn also mögen). Der Urheber der Anklage ist der Satan und immer da, wo einer klagt kann man sich sein, dass der Böse am Werk ist. „Jammerei“ ist also keine Kleinigkeit, denn das Jammern ist ein Klagen und eigentlich ein Anklagen. So ist es, vor Beginn jeder Aufzeichnung, dass das Inne-werden (die Innerung) sein möge; Innerung aber ist nichts anderes als Er-Innerung, das Wesentlich-sein der Existenz. Wesentlich ist die Existenz, wenn sie mit Gott verbunden ist. Wo das nicht der Fall ist, geht die Existenz zugrunde; wo die Verbindung zu Gott nicht mehr ist, drängt sich das Hässliche, das Unharmonische, das Zer-störerische (Störung, Zerstörung), das Böse heran und übernimmt das Werk der Vernichtung. Andererseits liegt in der Verbindung mit Gott die Zuverlässigkeit der Erfüllung, also der Vollendung. Die Vollendung in Gott „ist“ schon, sie kann gar nicht hergestellt oder gemacht werden – man kann ihrer nur ge-wahr sein, sie er-innern. Wenn dies „ist“, ist alles schon getan, es liegt darin das Wesentliche des Tuns. Anders gesagt: aller Aktionismus kommt immer zu spät, man geht immer in Spuren, die man nicht selbst gespurt hat. Und das Spuren hängt doch mit dem Spüren zusammen: wer ein Gespür hat, der befindet sich auf der Spur.

 

So kommt es in allem und vorweg darauf an, sich „recht aufzuhalten“, also der inneren Stimme zu folgen, eine Lange-Weile lang. Das Weilen meint hier ein Dauern und das Dauern das Dulden: der Aufenthalt ist jener der „Geduld“. Denn mit der Vollendung in Gott hat es (und kann es) keine Eile haben. Es beginnt: die Ein-Schränkung. Gott schränkt sich ein, damit Seiendes „sein“ könne – er nimmt sich ganz zurück, damit Anderes sein könne. Im Anfang ist die Einschränkung und ein anderes Wort für Einschränkung ist Liebe. Gott „suchen“ ist schon Ausdruck der Liebe: ich verlasse mein So-sein weil ich ihn suche, den, dem alles gehört, von dem alles ist, zu dem alles geht. Insofern ein Seiendes diesen Weg der Rückkehr zu Gott geht, insofern „liebt“ das Seiende, es verlässt sein egoistisches Gefängnis und macht sich auf den Weg. Die egoistische Beschränkung wird damit durchbrochen, aufgehoben. Diese Aufhebung ist das Enden jener Beschränkung: eine (egoistische) Welt geht zu Ende und stirbt. Nun gibt es entgegen der liebenden Einschränkung eine tödliche „Beschränkung“, sie ist jene Haltung der Kurzsicht, die immer nur an Grenzen stößt, an den scheinbaren Mangel, den scheinbaren Verlust bespricht und meint. Dieser Existenz ist der Tod Tod, das Leben Leben. So ist das Gute gut und das Böse böse – überall sind unüberwindliche Grenzen, es ist fast ein Naturgesetz, dass es sich so verhält. Die Grenze fürchtet in ihrem Wesen als Grenze nichts so sehr, als dass diese Grenze aufgehoben werde, dass keine Grenze sei: me eis apeiron ienai. Das Wesen des Guten ist es, grenzen-los zu sein, die Grenze los zu sein, also die Befreiung von der Grenzziehung. Wer also die Begrenzung aufgibt, der „stirbt“ in gewisser Weise schon – längst bevor sich ein begrenzter Leib auflösen mag. Nach allem Bisherigen führt der Weg zur Entschiedenheit des „Tuns umsonst“. Das Tun umsonst ist für die Vielen zweck- und sinnlos, es bringt ja nichts ein. Das „Tun umsonst“ hat keinen beschränkten Ursprung, es folgt keiner horizontalen Logik mehr. Das Tun umsonst ist „Umkehr“, Wende, Kehre, Heimkehr. „Wann“ ist es genug mit der Verlorenheit in die Vielheit! Wann wird dieser Weg nicht mehr der bestimmende sein? Ist das überhaupt eine Frage, eine wesentliche Option, ein Wille – kommt es dazu? Soll es zur Umkehr kommen? Ist diese Frage eine unter anderen oder ist es „die“ Frage, die beantwortet werden muss – die „dringendste Frage“, die überhaupt gefragt werden kann? Und angenommen die Frage nach der Umkehr zu Gott ist die dringlichste, die keinen zeitlichen Aufschub duldet: was bedeutet es für eine Existenz, von dieser Frage ergriffen zu sein?

 

Der Vollzug der Umkehr (die Tat der Umkehr) verlangt eine Besinnung (Ernüchterung): das bisherige Existieren muss grundlegend in Frage gestellt sein: was ist der Sinn von allem, wohin und wozu? Die Antwort auf diese Fragen kann nicht mehr aus dem Horizontalen kommen, sondern verlangt das Loslassen desselben. Was lasse ich dabei los? Antwort: alle Anhänglichkeit an das Horizontale. Es ist heute üblich, dass man über Gott schweigt, besonders der christliche Gott soll verschwiegen werden. Man stellt es in die Beliebigkeit, jeder wie er will. Und falls dann doch ein Wort fällt über Gott, Christentum, vielleicht katholische Kirche – ja dann weiß man ja schon alles zum Voraus besser und ist gescheiter in all diesen Dingen. Es gab vielleicht nie eine Zeit wie die unsere, in der der Geist so behindert, dumm und abgestumpft war wie eben unser Zeit-Geist. Das ist das Erschreckende: dass jeder eine Meinung hat und schon Bescheid weiß, dass das dumme Profane über das Sakrale die Nase rümpft und urteilt – es war damals so, es ist heute so. Man ist heute so weit, dass man lernt, sich nichts mehr sagen zu lassen – schon gar nicht von einem Lehramt. Ist alles verloren? Wenn man die Dummheit anblickt, scheint es aussichtslos. Was soll man tun? Ein Zeugnis geben – nur das kann die Antwort auf die Dummheit sein. Man will frei sein: zu fressen, zu saufen, zu konsumieren, Krieg zu führen, den Lüsten leben – wie es kommt, nach Gusto. Wehe es stört wer darin – das kann man nicht brauchen. Was heißt „Mahlzeit“ (Essen)? Die Mahlzeit ist im Grunde: Mahlzeit des Zu-sich-nehmens. Was nehme ich zu mir? Verstoffwechsle ich Staub, Vergänglichkeit – das Schon-wieder-vorüber und immer neu; Zeit also? Nehme ich „diese“ Frucht zu mir, die mir für den Augenblick verspricht und für den Augenblick erfüllt? Ist das alles und wenn ja: was bedeutet das jetzt?

 

Erlösung durch Entwicklung, durch Fortschreiten in der Zeitlichkeit – man ist „erlöst“, wenn man dies oder jenes Ziel oder Vorhaben erreicht, verwirklicht – dann hat man endlich jenem Punkt erreicht, der Erlösung verspricht: Haus, Garten, Auto, Reichtum, Gesundheit,  - alles Horizontale, gute Pension, langes Leben usf.

Das ist die Lüge des Versprechens der „Schlange“ – Erlösung durch Erreichen von Horizontalem. Am Ende aber wartet der Vorbeigang: es bleibt nichts vom Versprochenen, es vergeht – alles Horizontale vergeht, löst sich in Luft auf. Es kommt dabei zur Tragödie des Ewigen (un-enlichen) Wartens! Von dem „allem“ Abstand nehmen, es ist da, aber man soll es nüchtern ansehen – nicht mit Leidenschaft. Den Weg der Horizontale klar sehen (nüchtern sehen, nicht besoffen) – diese Frucht nicht fressen, sondern sie „heiligen“ – das geht nur nüchtern, sparsam, bescheiden. Den Weg der Horizontale nicht „gehen“, ihn sehen, heißt: nüchtern bleiben, sich nicht berauschen. Die Welt hat einen „ewigen Sinn“ – das darf man nie vergessen oder aus den Augen verlieren. Die Frage ist deshalb: kann man sich mit einem Teilziel zufrieden geben?

 

Nun „Elia“: der Sohn der Witwe von Zarpath ist der Messias und dieser Sohn sei identisch mit Jonah. Und Ezechiel: die dürren Gebeine – die toten Gebeine, die toten Seelen. Und Nachmanides? Es sind außergewöhnliche Geschichten, das sind Geschichten, die aus einem großen Zusammenhang kommen, der immerzu besteht, der da ist und anwest: aber wir sind nicht dabei und da. Und Bruder Marie-Vincent von der Auferstehung? Adam trennt sich von seiner Frau, es ist also eine Scheidung – dann, wenn er keinen Lebens-Sinn mehr erfährt, sein Leben sinnlos ist. Ein Leben ist dann sinnlos, wenn es hier keine Verbindung mehr zum Ewigen hat, wenn es das nicht mehr real gibt. Sobald wir nur mehr nachrechnen und für uns wissen wollen, insofern ist diese Scheidung. Man sieht den Untergang (Tod) allerorts und krallt noch an sich, was die Zeit hergeben mag. Man lebt dann mit der Nacht-Frau Lilith: Pseudo Glück für den Moment, Genuss für den Augenblick. Es ist das Leben von Tag zu Tag und für den Rausch.

 

Trinker – Fresser – Kartenspieler?

 

Der Alltag: alle Tage des Lebens; wie ist mein Alltag, wer bestimmt ihn wirklich? Bin ich ehrlich genug dazu? Das Betragen während der normalen Wochentage, was tue ich, wie tue ich es, was ist mir da wichtig? Am Gewohnten (am Gewöhnlichen) erst erkennt man, wer man wahrhaft ist. Das Tun „ohne Absicht“ ist das Tun im Alltag, das einfache Alltägliche. Die eigene Natur zeigt sich im Alltag am reinsten. Alltag: Essen und Trinken, Familie, Arbeit, die Nächsten. Ruhe und Frieden: die Grundlagen in Gott, sie sollten den Alltag heiligen – tun sie es? Ist unser Verhalten von der Ruhe Gottes, von seinem Frieden, getragen – alltäglich getragen? Es geht also um das Verhalten im Alltag? Ja, darum geht es. Wird meine Seele von der Speise Gottes täglich genährt, ist sie mir wichtiger als die irdische Speise? Oder ist mir das Zeitliche, das Vergängliche wichtiger, drängt es sich vor, wird es beherrschend? Gilt es mir viel: das alltägliche Fressen, Saufen, Herumhuren? Nehme ich Gott auch auf wie einen Schnaps, für den Moment – aber sonst? Wie ist also mein Alltag? Werde ich nicht müde vor Spielerei, Maskerade? (Nur Herumspielen?) Es zeigt sich rasch am alltäglichen Verhalten: man ist Säufer, Fresser, Herumhurer! Man wird dann „müde“ von der Anstrengung des un-wahren (unlauteren) Lebens, es kostet viel Kraft, den Schein zu wahren! Dann, in der Müdigkeit, beim Loslassen, dann kommt die „wahre Natur“ zum Vorschein, das, worum es mir wirklich geht. „Ermüdung vom Leisten müssen im Spiel“: Überdruss, jetzt zeigt sich die wahre Natur, das Bestimmende meines Alltags. Die wahre Natur jedes Menschen kennt kein „Spiel als ob“ mehr – jetzt ist es ernst und jeder Mensch hat diesen Ernst seiner wahren Natur an sich.

 

Wenn die Heiligung in Gott meinen Alltag be-stimmt, dann sehe ich diese Welt nicht mehr so mit Nach-druck, also ich sehe sie gelassen, ohne Druck. So einer kennt die „Genüsse“ dieser Welt kaum oder nur ohne Nachdruck. Jene Seele sucht doch Gott, sucht den Frieden in Gott, will dort genießen, ausruhen, im Frieden sein. Jene Seele spricht immerzu: unsere wahre Heimat ist der Himmel! Nur in der Verbundenheit mit Gott ist Leben hier „wahr“, echt, tauglich. Wie also ist mein Be-tragen während des Alltags? Was ist hier bestimmend? Suche ich im Alltag etwas Extravagantes, Auffälliges – will ich auffallen, herausragen – den Frieden werde ich dann nicht suchen und finden. Am Tag des Herrn gibt es keinen Krieg, keinen Angriff, keine Verleumdung, keine üble Nachrede. Am Tag des Herrn gibt es keine Diskussionen „als ob“ – es „ist“ das Gebet, es ist Haltung, Wohnung, Habitus. Es sind auch keine Auseinandersetzungen, das Prostituierte wird gemieden, nicht beachtet. Es gibt einfach keinen weltlichen Gewinn. Am Tag des Herrn gibt es keine Genussartikel und keine Konsumartikel, weder losgelassenen Konsum, noch rauschhaften Genuss. So kann der Frieden tragsam sein. Gibt es eine Sucht am Heiligen Tag? Man kann den Heiligen Tag mit dem Alltag ausschmücken – um in Ruhe zu dienen. Hier ganz ehrlich zu sich selbst sein – ganz offen sehen und eingestehen. Die Wahrheit des geheiligten Alltages verträgt auch keinen Zwang, kein Müssen, kein Sollen, kein Gesetz: es gilt die Heilige Freiheit, das Lieben (Leiben) umsonst! Die „Himmlische Nahrung“: sie ist die ganz einfache, geschenkte, friedliche Nahrung „umsonst“. Das Himmlische Brot ist geschenkt, einfach da (nie kompliziert) – es ist da: im nächsten Augenblick schon.

 

„Auf den Säuglingen im Lehr Haus steht die Welt“ – es sind die Kartäuser. Das „Ei“ enthält schon alles Leben in sich. Wenn wir dieses „Ei“ essen, essen wir „alles“ – wenn wir das Himmlische Brot essen, essen wir „alles“, das Wesentliche. Am Geheiligten Tag wird die Welt geboren: wer jetzt isst, „isst“ alles, das „Ganze“, die „Gänze“. Die Gänze ist die Fülle des geschenkten Umsonst. Am Gewöhnlichen – am Gewohnten – am alle Tage des Lebens – erkennt man den Menschen. Wenn einer alltäglich säuft, ist er ein Säufer, ein Fresser, ein Hurer. Es gibt kein „als ob“ Leben – das ist die größte Lüge. Die Kinder, auf denen die Welt steht: die Kartäuser – das Kind-sein. Prager Jesulein: bitte für uns. Die Cherubim, sie steigen herunter, sind da – bringen die Ein-Sicht. Sie unterhalten sich. Ein Heiliger sieht Dinge, die ein gewöhnlicher Mensch nicht sieht. Die Cherubim sind da, sie sind hier – ob ihr es nun glaubt oder nicht. Man ist zu sehr gewöhnlicher Mensch geworden. Ich frage also immerzu: wann war das – aber diese Frage ist eine Täuschung – Ablenkung: denn „wann“ ist „jetzt“. Wann war das? – so gefragt ist der Riss zur Ewigkeit vollzogen. Es lebt nicht mehr. Man ist dann „kleingläubig“ – Herr: schenke uns den Mut zur Großherzigkeit! Je größer unser Glaube ist, desto reiner die Wahrheit, desto mehr (umfassender) wird für uns „wahr“ sein. Wir können, wir müssen „sehr gewagt“ glauben – ein großmütiges Herz haben.

 

Die Begegnung im Alltag mit dem Heiligen: was also ist „Sprache“? Ist Sprache immer: Ansprache in der Stille? Das „Wort“ garantiert – es ist verlässlich. Mach´ dir also kein Bild mit Worten, Vorstellungen – das Wort stellt sich vor bei dir, es will lebendig sein, sagt: ich bin jetzt für dich da, nimm´ mich in Empfang! Was denkst du dir dabei? Aber: wie denkt es sich in dir? Welcher Ein-Fall gerade jetzt – es ist nicht mein eigener! Wir sind der Dichtigkeit des Wortes im ersten Andrang oft und oft hilflos ergeben, ausgeliefert – es fehlt uns die „Heilige Gelassenheit zum Wort“. Wir sind dann oft hilflos die Gefangenen unserer eigenen Einbildung und Vorstellung und so auch dann die Erst-Wirkenden aus Vorstellungen: also Sündiger. Wir sollten auf das Wort „achten“, es mit dem Achten verbinden: also mit dem Ewigen – nur so ist das Wort ge-achtet! Wer das Wort nicht mehr mit dem Ewigen verbindet, der ist verloren – heillos verloren. Unsere Zeit ist die Zeit der Zerreißung: das Profane gilt alles und die Verbindung desselben mit dem Ewigen wird zerrissen (krioth, der Mann vom Riss). Alle Gedanken, alle Ein-Fälle – sie kommen doch aus dem Ewigen: nur sagt das keiner mehr und es glaubt auch keiner mehr, niemand spricht das noch an. Ich bin im Ewigen und auch im Zeitlichen (noch eine gewisse Zeit). „Tun“ kann man eigentlich nichts – aber man kann Reue empfinden und dann ist schon Umkehr, die Große Tat, Ein-Sicht.

 

Wenn du beginnst, die „Heilige Sache“ zu profanieren, sie in Vorstellungen zu zwängen – sofort fällt das Heile des Heiligen weg, es bleibt ein Vorstellungstrümmerhaufen aus Historischem übrig. Gedanken sind wahr als nur als „Gedanc“ (Dank): sie sagen immer aus Ewigkeit, kein Wort ist bloß profan, jedes Wort ist heilig, bringt Nachricht, birgt Botschaft. In den entschiedensten (wichtigsten) Augenblicken des Lebens kann der Mensch nichts mehr „tun“, er kann „empfangen“. Der Auszug des Menschen aus dieser Welt (der Weg der Wandlung, der Sprung, das Sich-zur-Gänze-abwenden) ist meine Tat der Freiheit, der Würde, des Stolzes. Die Erlösung wird mit des Menschen Verhalten beantwortet. Die Gnade ergießt sich eben nicht über einen toten Klotz. Am Ende (im Anfang) sind wir alle die Hinnehmenden: oft sind wir es in der Auflehnung bis zum Ende – dennoch „nehmen wir hin“, wir können gar nicht anders als „hinzunehmen“. Wir „sind“ erlöst: habe ich das schon hinreichend bedacht? Es ist wichtig: alles fällt mit uns hier und alles könnte erlöst sein mit uns hier. Wir suggerieren der Welt die Angst in uns, vor allem die Angst des Sterbens, wir wirken uns aus mit unseren Sichten und Ängsten: was in uns ist, das wirkt sich aus. Unser Da-sein, wie wir leben, hat immer eine Aus-wirkung, auf alles, auf die ganze Natur und Schöpfung. Wir leben meistens so, als gäbe es nur die Welt, die „uns“ als Welt erscheint. Die Natur, die ganze Schöpfung, sie wartet auf mich, auf dich – erlöst zu werden.

 

Wenn ich der Schöpfung alles Gute vom Herzen gönne: dann ist es und wird es so sein. Bin ich so großherzig? Die Schöpfung hat durch uns Angst und Todesangst – weil diese Angst in mir noch so wichtig ist. Alles geht zum Tode? Nein, alles geht zum Ewigen Leben! Kann das so in mir leben? Wir brechen also nicht mehr hier auf zum Ewigen Leben (die Wege nach Zion trauern) – wir sind wie die Kundschafter, die sehen: ja, Ewiges Leben – aber glauben kann ich es trotzdem nicht, so gilt mir die Zeit hier alles! Gott aber schenkt Ewigkeit – wir aber vertrauen ihm nicht mehr, wir wollen diese Ewigkeit eigentlich nicht, können daran nicht mehr glauben. Zufall? Es gibt keine Zufälle, wenn wir Zufall „meinen“, so ist es eben immer so, dass wir es selbst nicht ertragen können, dass sich etwas unserer Erklärung entzieht. Offenbarung: Gestern sprachen wir darüber, seltsam (denn jetzt ist es wieder da): jede Zeit hat die Menschen, die zu ihr passen. Heute, Gegenwart: das Verborgene ist tiefer verborgen – das Veräußerte ist noch mehr veräußert. Welche An-sichten in uns sind, so „sind“ sie – die An-sicht ist bestimmend. Verstorbene existieren nicht, Dämonen gibt es nicht, Gott ist tot, Engel gibt es nicht usf. Es sind auch die sechziger Jahre. Ein neues Denken kam nach dem Krieg hoch, eine neue Lebensart: der Vater ist 20, die Mutter in Wien 13 – beide legen ihr Leben fest. 4 Jahre später ist die Mutter schwanger, der junge Vater Kaufmann. Mit 25 muss er Verantwortung übernehmen – und das junge Leben aus Wien wird in das Mutter sein geworfen.

In den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten wurde die Klärung unterbunden, die Ernüchterung war kein Thema mehr, gar keine Lebensart. Wer erzählte den Entwurzelten von Ewigkeit – wer hätte das verstanden zu erzählen? Manifestationen von Schedim: Ansichten „verdichten“ sich, werden zur Grundlage. Gehörtes, Gesagtes findet Eingang in das Existieren. Wir sind wahrhaft keine Realisten, weil wir den Zeitungen, den Medien, den Meinungen alles schenken – es für bare Münze nehmen, nur das Sichtbare zählt für uns. Wir leugnen mit unserem Tun Gott, die Engel, die Schedim – daher gewinnen die Schedim Einfluss über uns. Die Schedim können wir nur besiegen, wenn wir im vollen Sein bei Gott stehen. Dann sind wir Realisten – alles andere ist Fantasie.

Es stirbt hier wer: Begräbnis, weg ist der. Für uns ist er weg, gestorben. Man geht nachhause, weiter geht die Zeit. Das ist alles. Dann: in einer „freien Stunde“ begab er sich hin. Die „freie Stunde“ ist immer die be-freite Stunde, die erlöste Stunde. Die freie Stunde kennt keine Zeitlichkeit mehr, sie ist aus dem Gefängnis der Zeit ausgelöst. Das „Wort“ sehr ernst nehmen. Also keine Diskussionen mehr über… - das ist Zeitvergeudung. Mit den Welten der Ewigkeiten leben: das Wort immer als je Zugeschicktes annehmen.

 

Verstorbene Menschen aus Fleisch und Blut? Gestorben bin ich doch selbst, denn so einer, der war ich auch einmal. Der Sonntag (der jom tow) ist vorüber – der Alltag geht los: die Geschäfte, die Sorgen, das Ankommende usf. Was heißt glauben? Wir sagen oft und vielleicht wissen wir es auch: es sei zu glauben – aber wir glauben nicht. Gott selbst glaubt an den Menschen, glaubt, dass er umsonst lieben könne, dass er durchbrechen werde durch die Versuchung, er vertraut darauf und wartet in aller „Geduld“. Das Schweigen Gottes ist doch seine „Geduld“ mit uns – sein Schweigen ist am Ende doch auch das Schweigen der Umkehr: man selbst ist Zeuge dieser Umkehr und so schweigt man auch darüber.

 

LEIB

 

Leiben ist das Leben Gottes in uns, ist Leben Gottes in uns erst nicht Leben? Zunächst das „Ruhen“, es ist das Erste – die Stille, die Ruhe. Ist die Erneuerung in mir „echt“, dann ist Feiertag – dann ist keine Faulheit, denn faul wird der Feiertag mit Pomp, Fressen und Saufen begangen – ohne Neumond in einem selbst. Wann also fällt die Mauer vom alten Trott, wann betreten wir das Neue Land? „Jetzt“ ist es – oder es ist gar nicht. Es hat ja noch Zeit – das ist die Ausrede, die Lüge des Lügners von Anbeginn. Wir schauen immer auf die Uhr, meinen dann: ich muss jetzt gehen, habe dies und das noch zu erledigen. Immer schiebt sich also etwas Anderes dazwischen, scheint wichtiger zu sein – es kommt nicht mehr zur wahren Konfrontation, die wird nicht zugelassen. Ribboinoi schel Oilom: Herr der Welt – komm´ und erneuere die Welt, gib´, dass der Himmel regnet, dass die Erde Frucht trägt, lass´ nicht dauern das verdorrte Land! In Jericho, sagt man, könne man nicht wirklich sprechen vor lauter Geplärr. Und es ist doch Jericho überall groß, die Veräußerung ein Maximum. Jericho steht noch immer – wie lange noch? Wie lang ist die Dauer jener Länge? Rahab: die Offene, die Weite es ist noch nicht gänzlich geschlossen – der Himmel regnet, die Erde nimmt auf. Das Offene kennt keine Eile mehr, es hat keinen Zwang, sieht nicht auf die Uhr – Ungeduld ist ein anderer Name für Jericho. Es gibt keine wahre Trauer in Jericho. Was heißt das? Es gibt massenhaft Lärm und Krieg, horizontale Begünstigung und Hoffnung: aber keine Trauer um die Wahrheit, die schon „ist“. Die Offene ist empfänglich für die Umkehr und die Umkehr hat die Verantwortung bei sich, es ist die eigentliche Verantwortung des Menschen vor Gott. Gott er-wartet in aller Geduld dieses Durchbrechen, er er-wartet die An-Wort als Verantwortung; es handelt sich jetzt hier überall um das „sprechende Wort“ – das ist der eigentliche lógos. Alles Tun hier wird also verbunden mit der Antwort in Gott: die zeitliche Tat ist zugleich und vorerst: ewige Tat, verbunden mit Ewigkeit. Jede (gute) Tat hat dann zugleich eine ewige Wirkung. Sagen oder diskutieren kann man das nicht: man muss es „tun umsonst“. Wenn man es nicht glaubt, so tue man es mit voller Zuversicht, mit vollem Vertrauen. Wir wollen uns nicht mehr mit „Spielen“ betäuben! Wer ist „wir“? Und ist nicht die gesamte sogenannte Zivilisation so ein Betäubungsspiel? Alle Götzen sind zu töten, sie sind zu vernichten - dem Nicht zu übergeben. Also: niemals nur auf das Äußere, das Erscheinende schauen und darauf ein Urteil gründen. Das „Heilige Land“ muss erobert werden, es ist unser Zutun der Eroberung nötig, der Kampf auch am Jabbok. Es wird doch nur der Gottesstreiter der Israel sein, nicht der Faulenzer. Erst das eroberte Heilige Land lässt hier in der Zeit leben – die Welt dreht sich weiter, sie ist dieselbe und doch jetzt ganz anders.

Rahab ist die ganz Empfängliche: das ist das eigentliche „Wunder“ in Jericho; es schien aussichtslos geschlossen, versiegelt in Blei und Schwere. Und dennoch – keiner rechnet damit: die Wende. Zur Wende kommt es nicht per Gesetz oder durch Zufall, einfach so als hätte es nicht sein können. Nein, es lebt und gärt schon von Ewigkeiten in einem – aber man spürte es nur von Ferne, es ist anwesend und dämmert, es sagt sich zu und wirbt, es lebt in einem – man weiß es ganz genau. Das, was schon da ist, zeigt sich nun entschieden – weil die Entscheidung da ist, nicht wahr? Ob man nun hier 42 ist oder 53 oder 97 Jahre verbringt – was tut das schon zu diesem Wunder der Umkehr in Jericho? Wer im Heiligen Land, im Ewigen Land wohnen darf, dem ist doch alles ein Großer Zu-Fall Gottes und wenn man das hat, so hat man „alles“. Die Umkehr bringt das Neue: es ist jetzt zum Alten eine trennende Distanz. Das Alte wird nun zugedeckt. Abgedecktes ist nun abgeschlossen, getrennt und das Getrennte ist nicht mehr fähig zur Kontamination. Wenn einer „versöhnt“ ist, sagt man: das Alte wird nicht mehr einbezogen, es darf jetzt ruhig sein und ruhen. Versöhnung und Vergebung ist etwas Absolutes, Göttliches: sonst hat es keinen Sinn. Das Alte ist vergeben – restlos ausgemerzt, gestrichen. Meine Schuld ist getilgt, vergeben – das ist Versöhnung. Und im deutschen Wort Versöhnung liegt schon der Erlöser: der „Sohn“.

 

Erneuerung beinhaltet unbedingt die „Versöhnung“ und man spricht wesentlich vom Sakrament der Versöhnung. Das Alte wird dabei wirklich restlos ausgetilgt, die alte Schuld vergeben – sie ist weg als wäre sie nie gewesen. Erneuerung heißt auch: die Verbindung zur Welt wird unterbunden – das ist der eigentliche Sinn des Fastens, das ist der Sinn der Ernüchterung, das Licht der Ewigkeit. Völlige Erneuerung ist wesentlich ein Fasten, eine Abstinenz von Weltverbindung. Der alte Mensch, der, der man war, der ist man zwar noch und ist es doch nicht mehr. Im Fasten verschwindet der Mensch plötzlich aus dem Gewohnten; wenn dieser Gedanke auch nur anwesend ist, dann ist es so und wird es so sein; „wissen“ kann man das nicht! Der Mensch, den das Böse beherrscht, er gönnt sich selbst nicht das Beste, er gönnt sich nicht das Ewige Glück bei Gott, er gönnt sich nicht Ewigkeit – er kann es nicht glauben und so kann er es anderen auch nicht gönnen. Der Nicht-Gönner fängt dann an, hier im Zeitlichen Gefängnisse zu bauen, für sich selbst und für die anderen. So ist es, dass die Welt nur vom Bösen befreit werden kann, wenn wir das Böse ausrotten, vertreiben, knechten: also in uns selbst, in unserem Leben. Das gelingt aber nur, wenn wir Knechte des Ewigen sind, Gottes-Knechte. Wir tun dann, was der Ewige in uns tut, was Gott in uns tut. Selbst auf uns gestellt können wir gar nichts tun, wir vermögen nichts aus uns selbst. Man ist nicht mehr „Herr seines Lebens“, sobald man nicht mehr Knecht Gottes ist. In diesem Augenblick, da wird die Kindschaft Gottes in uns ablehnen, werden wir Sklaven der Welt, also des Bösen. Wenn man nicht Knecht Gottes ist, so ist man zwangsläufig Knecht eigener Gebilde, eigener Konstruktionen – man kennt nur mehr am Ende Horizontales und verliert sich in Zeitlichkeit; am Ende sieht man nur mehr auf die Uhr. Wenn wir also vom Heiligen her herrschen, dann ist die ganze Welt durch uns Knecht Gottes. Man kennt dann doch nur mehr Freude, Glück, Erfüllung – anderes wäre gar nicht möglich, Jericho ist doch eingenommen, beherrscht durch Ewigkeit, Jericho ist umgekommen.

 

Das alte Gesetz der Quantität ist tot, es gilt nicht mehr – Jericho ist gefallen. Wer hat Jericho besiegt? Verbrennen meint auch das Umwandeln: Altes ist nicht mehr, die alte Form ist nicht mehr. Was ist das neue Leben? Es ist doch in gewisser Weise dasselbe Leben wie das alte, doch ist es dennoch neu: das Leben ist da, aber zurückgezogen, flach, bescheiden, gemäßigt. Es nimmt sich heraus aus dem Erscheinen des Quantitativen, bleibt still und zurück. Man überlässt das eigene Leben nicht mehr der egoistischen Planung, sondern schenkt es dem Herrn. Denn es sagt schon das Wort Ver-lassen von dieser Gelassenheit: man lässt sich, gibt sich, schenkt sich dem Herrn, denn er ist der Gute Hirt, der schon weiß und führt, der alles richtig macht und der keine Fehler macht. Das Existieren fällt auf die Ernüchterung zurück, auf das einzig Nötige: auf den Vater. Die Ernüchterung ist die „karge Mahlzeit“, das Schaubrot des Lebens, das Blut des Lammes. Es ist dann die Bestimmtheit von hier her, von dorther zum Da-sein. Das Blut des Lammes als Lebens-Blut ist intimes Blut, Blut der Ernüchterung.

 

Uriel Birnbaum schreibt einmal (Von der Seltsamkeit der Dinge), der Mensch staune nicht mehr, ihm ist das Geschehen, das geschieht, ein Gewöhnliches, Selbstverständliches und er führt das auf die „Gewohnheit“ zurück. Alles ist dem Menschen dann „gewöhnlich“, auch die Sprache, auch das Wort. Wo aber die Welt nur mehr „gewöhnlich“ genommen wird, da bleibt der „Dank“ (Gedanc) aus. Dass der Mensch dennoch aus diesem naturgesetzlichen Trieb des Gewöhnlichen aufschrickt und „bemerkt“, das ist doch das Erstaunlichste überhaupt, mit den herkömmlichen Erklärungen nicht mehr zu erklären. Birnbaum nennt die Gewohnheit ein „Joch“. Wenn man das so betrachtet – und Betrachtung ist ja schon ein tieferes Aufmerken, eine direkte Anrührung Gottes – so kann man bemerken, dass das Selbstverständliche etwas Totes an sich hat, anders gesagt: wer nicht mehr staunen kann, der ist ein Toter! Tot sind als nicht die, die wir als sogenannte Verstorbene unter die Erde bringen – die leben doch größer, reiner, herrlicher als wir hier. Tot sein ist ein Zustand, ein Existenz-Zustand eines extrem Verirrten. Ein Toter sieht nicht mehr das Wunder der Schöpfung Gottes, dass alles, was ist, umsonstiges Geschenk (Gabe) Gottes ist. Sieht man das nicht mehr, bleibt der Dank aus, bleibt der Dank aus, wird das Leben sinn-los, leer, tot. Am Ende des Erstaunens steht doch das Erstaunlichste von allem: das ist das Geheimnis Gottes selbst, der „lebendige Gott“. Es ist kein eingebildeter, geforderter, anempfohlener, zu glaubender oder sonst ein Gott, es ist der Gott, der „mich“ anspricht, da mir aufgeht: Du bist es, Du allein!

 

Zum Erstaunlichsten der Sprache gehört das „Verstehen“: dass das Wort verstanden „ist“ setzt schon die Verstehenden voraus. Es meint: der Sinn des Wortes ist schon offenbar trotz aller Verschwommenheit der Begegnungen. Noch einmal hier die Frage: wohin führt diese Ein-Sicht-nahme? Sie führt in die Ernüchterung, in das Minimum an Existenz, das ein Maximum an Heiligung erbringt – wollte man es quantitativ ausdrücken. An diesem Ort taucht selbstverständlich die Wozu-Frage auf, aber sie ist leer, diese Frage. Denn das Angesprochen-sein ist nun ein unhintergehbares Faktum; man kann sich zwar betäuben, aber man weiß schon, dass das Betäuben ein Irrtum bleibt, ein Irrtum – selbst wenn man ihn suchte – der nicht das Gesuchte ist. Zu diesem Großen Erstaunen gehört auch, was man vor längerer Zeit mit dem ununm, verum und bonum meinte. Darunter fällt das Eins-sein, die Einheit, der Große Zusammenhang. Es scheint, dass wir – heute besonders – so zersplittert existieren, dass wir gar nicht mehr dieses tiefe Empfinden für den Großen Zusammenhang vermögen. Das Fragment hat doch letztlich nur Sinn, weil es das Gefügte im unum ist; wie und warum und weshalb es „so“ Fragment ist, ist nicht wissbar – dass es aber zusammen-hängt im Großen Zusammenhang, macht den Sinn des Fragmentarischen aus. Man beunruhige sich also nicht über das erste Empfinden bei sich selbst, verloren und verirrt zu sein: das gehört zur Existenz des Fragments, ist aber lange noch nicht der Sinn des Existierens. Gott hält alle Fragmente in seiner schöpferischen Hand – in diesem Großen Zusammenhang, den keiner durchschauen kann. Man fängt also nie bei Null an oder im Fragment, sondern im unum, verum und bonum. Diese Weisheit der Transzendentalien liegt längst vergessen, verborgen könnte man auch dazu sagen, wie ja alles Große verborgen bleibt: dem Zugriff des Verstandes entzogen. Jene Einsicht erbringt aber die Grundstimmung des Sinnvollen: es gibt nichts, das sinn-los wäre, denn alles gehört in den Großen Zusammenhang, so fragmentarisch es auch scheinen mag, so widersinnig es antritt.

 

Ein alter, blinder Kartäuser – er meldet sich eben – sagt einmal, es muss 2005 gewesen sein: Gott ist un-endlich gut und wenn man das weiß, genügt es. In diesem Wort liegt die Gutheit Gottes, sie gehört zu seinem Wesen; wäre Gott nicht umfassend gut, er wäre nicht Gott. Und weil er der Gute „ist“ (ousia), so gönnt er immerzu Gutes. Und Gutes meint jetzt den Großen Sinn-Zusammenhang, das unum, die Einheit, das Eins-sein. Nichts fällt aus dieser Einheit heraus. Jener alte Kartäuser bemerkt dann auch, dass die Menschen den „Sinn“ für Gott verloren hätten und das wäre schade. Schade: das Wort lässt an „Schaden“ denken; wenn man den Sinn verliert, so nimmt die Seele Schaden, ist beschädigt. Abends gehen wir zu Bett, morgens wachen wir auf und so eine Zeit lang und immer ist der Große Zusammenhang da – trotz der vielen, vielen Unterbrechungen. Wir spüren in uns diese Transzendentalien, sie lassen sich gar nicht umbringen, trotz der vielen Neuzeitlichen Argumente dagegen. Argumentieren lassen sich die Transzendentalien nicht, aber doch einsehen, ihr Präsent-sein lässt sich bemerken. Dann ist die Große Furcht vor dem Fragment eigentlich unbegründet, haltlos, sinnlos und nur wo das Sinnlose mächtig wird, da west auch die Angst im Fragmentarischen. Wenn schon das unum alles unterfängt, so gewiss auch das, was wir Sterben nennen, dieses Weg-gehen von hier, das Weggehen aus dem Fragment. Aus dem Großen Sinn kann nichts herausfallen, im Gegenteil: es bleibt darin und das ist das, was man „Ewigkeit“ nennt. Der „Sinn“ des Wortes ist von Ewigkeit her fest-gelegt, unverrückbar und mit dem Ewigen Gott tut man sich sehr schwer, man will diesen Fels in der Brandung nicht akzeptieren. Dass jedes Wort einen ewigen Sinn in sich trägt, das ist dem sprachlichen Nihilismus ein tödliches Ärgernis. Ein anderes Wort für Ernüchterung ist Demut: also die Einsicht-nahme in das, was von Ewigkeit her trägt und ist.

 

Sprachlicher Nihilismus ist heute Normalität und es ist erstaunlich, wie dennoch in aller Sprach-Verwirrung (Babel) der Große Sinn-zusammenhang gestiftet bleibt.

 

Und ein noch größeres Wunder der Sprache ist jenes der „Wieder-holung“.

 

 

 

(Weiterführung, Februar 2023)

 

 

Wirklichkeitssteigerung der Sprache: Wieder-holung. Die Wiederholung benötigt Geduld, das Dulden der Wiederholung. Wiederholung muss geduldet sein, sonst besteht die Gefahr der Langeweile.

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria - Mutter Gottes

 

 

Der Bettler vor den Toren

 

UN-GEBUNDEN: das Vernichten, das Vertilgen: das Auf-hören: die Stille „als“ Dulden

(Am Fest des Heiligen Antonius 2023)

 

 

Das Seyn (auch mein Da-Seyn) ist nicht an Zeit gebunden. Wenn das Schweigen in einem gebrochen wird, sagt das: ich kann die Stille nicht mehr tragen und also nicht mehr er-tragen. Warum nicht – ist die „Stille so furchtbar“? Im Seyn, im Leib, ist Gott, der Verborgene, ganz „da“. Im kleinsten Detail ist Gott präsent – fällt mir das auf? Und warum halte ich diese Stille mit Gott nicht aus? Und was soll diese „Rede von und über Gott“? Wer könnte von Gott etwas sagen, über ihn reden? Unter Stille versteht man sogleich: Schweigen, Ruhe, kein Lärm, keine Ablenkung – ein Zustand der Inaktivität. Das ist aber nur ein erster Anschein von Stille. Man kennt im Deutschen auch das Wort „Stillen“: es meint den Säugling nähren, be-ruhigen, ihn mit Ruhe und Heimat versorgen. Da liegt schon ein anderer Sinn von „Stille“, der mit Nähren zusammenhängt. Woher beziehe ich also meine Nahrung - die Nahrung für das Wesentliche? Stille führt in allem auch den Sinn des „Auf-hörens“ mit sich: zentral geht es in der Stille um das Beendigen des Geschäftigen, Herumgetriebenen, Angetriebenen: mit dem hört man auf, es endet damit, hat keine Relevanz mehr. Warum soll es damit aufhören? Suchen wir nicht gerade diese Ablenkung in den Laut, in das Ausworten und Lärmen: insgesamt in die Bewegung der Seienden? Gibt das nicht eine Entlastung von der Last der Stille? Die Stille kennt jeder (mehr oder weniger), sie liegt nicht außerhalb, sondern west an, ist immer da – nur wir sind außer Haus, weg von der „Stille“. Und so fliehen wir sie, können sie (die Stille) nicht aushalten, benötigen Programm und Vertreibung der Stille. Ein entgegengesetzter Zusammenhang ergibt sich hier im Sinne der Vernichtung, der Vertilgung: das Getöse und Aufgeregt-sein wird durch die Stille getilgt.

 

Es heißt: je „stiller“ es ist, je un-beweglicher, desto göttlicher – merkwürdig: manch einer fühlt sich erst wohl, wenn er die eigene Existenz in Bewegung setzt, wenn ein „Programm abläuft“, man hat endlich etwas zu tun. Nichts mehr zu tun haben ist eine schwere Last, die man kaum erträgt. Man spürt: ich tue mir schwer mit dem „Bleiben“, mit dem Bestehen (mit dem Bestand), also mit der Be-ständigkeit, mit dem, was nicht beweglich ist. So ist es kein Wunder, wenn man sich auch schwer tut mit der „Wiederholung“ des Immer-selben. Rosenkranz beten ist also eine große Herausforderung an die flüchtende Existenz. Heute gelten Getriebenheit und Betriebsamkeit als normal, wer kein Lebens-Programm hat, der gilt als ab-normal. An-getrieben sein bedeutet: Jäger sein, immer auf der Jagd nach Ereignissen (die für einen Moment Befriedigung bringen). Der Jäger jagt nicht um der Beute Willen, er jagt um des Jagens Willen; die Beute ist ihm egal, hat er sie erlegt, späht er nach neuer Beute. „Leistung“ z.B. ist so ein Jäger-sein in uns, denn das Leisten ist nach obenhin immer offen, nie kommt man an ein Ende. Man ist auf der Suche nach dem Ultimativen, sagt man, nach dem, was hier (horizontal) total befriedigt – so hält man sich dieses eingebildete Ziel klar vor Augen, macht es sich aber nicht „klar“. Es „klärt“ sich nicht und das Aufklaren benötigt doch zumindest einige „Ruhe“; bis das Trübe sich klärt dauert es, es braucht Geduld und Mut, eine rigorose Offenheit sich selbst gegenüber. Aber nochmals die Anfrage: soll diese „Klärung“ überhaupt sein – ist das wünschenswert und weshalb?

 

Und für einen Augenblick angenommen: es fände sich da kein Grund für die Beschränkung in der Stille, also kein „rational-logischer“ Grund: man könnte dann bloß sagen: sucht die Stille „umsonst“, „für nichts“! Ist das „Umsonst tun“ ein Grund, der trägt – während alles andere „flüchtig“ bleibt? Gott selbst stört den Hybris-Bau unseres Existierens; wir bemerken das, wenn unsere eigenen Rechnungen eben nicht aufgehen, wenn sich der ontologische Zirkel eben nicht ganz schließen lässt. Wir jammern zwar dann: ach, jetzt gelingt es schon wieder nicht – so ein Pech! In Wahrheit aber könnten wir sehr glücklich darüber sein, dass wir „scheitern“ – dass unsere Pläne hier nicht restlos aufgehen. Die Störung ist von Gott her – denn Gott erbarmt sich unser, er sagt: ich lasse es eben nicht zu, dass du in deinen teuflischen Plänen „hier“ restlos aufgehst, das ist Blendwerk. Und „teuflisch“ sind meine Pläne dann, wenn sie aus dem Glauben an meine Machbarkeit kommen, es ist hier (horizontal) zu erreichen, es wird schon noch das gefunden werden, was „total hier befriedigt“. Ist es also Gott, der unsere (eingebildete) „Stille“ stört, aufstöbert? Ginge „diese“ horizontale Rechnung hier wirklich auf – wäre es die reinste apokalyptische Katastrophe und es ist dieser „Endkampf“, von dem der Heilige Johannes in der Offenbarung berichtet. Es ist nicht ein Kampf, der irgendwann „bevor-steht“, sondern der sich „jetzt“ ereignet so wie der „Jüngste Tag“ nicht in der Zeitrechnung irgendwann kommt, sondern immer im je jeweiligen Augenblick „ist“ – aber wir laufen davon, ertragen diese „Dichtigkeit“ nicht, verlagern dann in Vergangenheit (Historie) oder Zukunft – nur um es „jetzt“ los zu sein, keine Ver-Antwortung übernehmen zu müssen. In der Flucht vor dieser Verantwortung stürzt man in vielerlei Betäubung: ich will hier und jetzt und gleich eine „vollendete Punktlandung“, sei es bloß für einige Rausch-Minuten, die auch Tage dauern können (Urlaub z.B.). Auf „dieser Flucht sein“ bedeutet: im Sog des Horizontalen gefangen sein, sich diesem Sog nicht widersetzen, sondern über-lassen. Alles Horizontale kann zum Rausch der momentanen Punktlandung werden: das ist eben das Versprechen des Satans. Man ist auf der Suche nach dem, was hier und jetzt „total befriedigt“ und der Satan ist der Meister der Verführung: er verspricht ein großes Feuerwerk und es kommt auch, aber der Berauschte ist schon verführt und ihm reicht der „Moment“, der aber vergeht und dann ist die Ernüchterung, man muss wieder-holen, was für den Moment ein Gefühl von Erlösung bot. Dieses Spiel der horizontalen Wiederholung geht ein Leben lang und die Rechnung geht am Ende nie ganz auf, irgendetwas stört immer und am meisten die Zeitlichkeit: es vergeht alles: dann sicher das Sterben. Am Ende wird man depressiv, verzagt, will nicht mehr, will Schluss machen – alles verloren, nichts geblieben. Hier wird einem klar, was es bedeutet, wenn das Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht vergessen wird. Esau ist kein Böser, er ist ein sehr erfolgreicher Jäger, auch ein guter Mensch, kann man sagen. Aber Esau ist „besoffen“, berauscht vom Erfolg des horizontalen Absolutismus. Für die horizontale Punktlandung schiebt er die Ewigkeit ins Land des Vergessens. Ewigkeit kann „später“ kommen, jetzt habe ich anderes zu tun!

 

Aber:

 

der Teufel ist eben nicht der Störfaktor in diesem horizontalen Als-ob-Spiel, er ist der Antreiber, der immerzu Pläne und Rechnungen präsentiert, der Feuerwerke zündet und alles verspricht und die auch für den Moment zwar aufgehen, aber für die Ewigkeit keine Bedeutung haben; vom Ewigen Leben, von Glaube, Liebe und Hoffnung, von dem will der Teufel nichts wissen (kann er auch nicht). Wenn also meine Ego-Pläne durchkreuzt werden, dann ist Gottes Barmherzigkeit am Werk, die mich aufrüttelt – denn Gott will mir „Alles“ (Ewiges Leben) schenken und nicht nur Erfolg für ein paar Jahre hier. Für Gott ist das Linsengericht auch gut, aber es ist doch nicht alles und Gott will doch „alles“ schenken, nicht bloß das Vergängliche. Der Seufzer der bedrängten Kreatur ist in Wahrheit die Quelle der Erlösung. Von dieser Dimension hatte Karl Marx keine Ahnung. Aufruhr und Aufregung sind nicht nur negativ, sie zeigen offen-sichtlich das Bedürfnis nach Erlösung an – auch wenn die Bedrängten davon nichts wissen wollen, Erlösung ablehnen, es für Unfug halten. So zeigt auch gerade der „kranke Mensch“ an, dass das rein horizontale Leben wirklich eine Erkrankung ist, jede Erkrankung zeigt an: so wie du bisher tatest, so geht es nicht – ich will dir das hiermit aufzeigen, ich bewahre dich vor der Hybris des vollendeten Schließens der horizontalen Ziele! Die Betäubung im Rausch hat freilich auch den Zweck, Ewigkeit gar nicht bewusst zu haben: einzuschlafen, zu dämmern, sich nicht wirklich „klar“ zu werden, die Klärung auf Gott hin weiter zu verdrängen, einfach: zu vergessen.

 

Jemand, der „vergisst“ (dass er von Gott ist), der muss dann stets auf seiner Flucht so tun, „als ob“ die Ewigkeit nur ein frommes Spiel wäre oder dass es das gar nicht gibt. Welt, darin man so vegetiert (von Leben kann man nicht sprechen), hat kein Mysterium mehr, es fehlt das Geheimnis und das ist dann die „wahre Krankheit“. Man sucht das wahre Lebens-Ideal nur mehr im Horizontalen, es fehlt die „Relation“ zum Ewigen (also die Beziehung zum Ewigen). Aber: die Seele ist mit Ewigen Maßstäben, sie sucht ihre wahre Heimat, sie drängt nach Ewigkeit; wird ihr Drängen verdrängt, berauscht sie sich an un-endlicher Horizontalität (das ist der Rausch nach Betäubung ohne Ende). Es gibt diese Differenz zwischen Ewigkeit und Un-Endlichkeit, beides ist nicht dasselbe; das letztere ist das apokalyptische ohne Ende und Immer-weiter-so. Und dieses horizontale Sinnen ist ja auch eine Hingabe, nur ist sie falsch ausgerichtet – dieses Sinnen ist oft sehr, sehr leidenschaftlich und doch verkehrt. In der horizontalen Krankheit streikt die eigene Seele und bekundet offensichtlich: ich ertrage mein bisheriges Leben eigentlich nicht! Das will und kann der Betroffene nicht zugeben, wird er auch nicht wollen.

 

Lebens-Rausch hat jetzt die weite Dimension der Verlagerung des Schwergewichtes des Existierens in das bloß Horizontale, in das Zeitliche und somit in das Vergängliche. Gemeint ist damit zugleich das in der „Form-sein“, die Ausprägung als Dasein und So-sein. Wird diese Form absolut gesetzt (gibt es nichts anderes als das), dann beginnt das „Rauschen“, der Rausch als blindes, taubes und stummes Immer-weiter-so. Im Neuen Testament ist es der „Besessene aus Gerasa“, er haust in den Gräbern – ein Toter, vollends ausgegeben im Horizontalen, besessen vom Drangeben an Vergänglichkeit, einer, der bei sich sagen könnte: ich habe dieses Leben in vollen Zügen genossen, habe alles ausgekostet, bis zum Anschlag. Ein Besessener muss dann so reden und sich selbst über-reden, es schön reden und sich einreden. Tief aber empfindet er schon, dass das nicht stimmt, dass das eine Lebens-Lüge ist; es dämmert dann von weit her schon, dass da etwas nicht gut ist – und so sieht er auch das Heil schon von Ferne. Für den Besessenen sind die „engen“ Umstände wie Ketten, die er nicht los wird, in denen er auch sein Heil sucht, die ihn aber versklaven: er ist Abhängiger, die Umstände sind König, nicht er selbst ist es (sehen kann er das oft nicht). Gerade der „Abhängige“ wird meinen, er habe die Umstände im Griff  - aber er kann von den Umständen eben nicht lassen, er kann sie nicht auf sich beruhen lassen. In dem Augenblick, da ich etwas nicht „lassen kann“ wird klar, dass ich Abhängiger bin. Wenn Ewigkeit in meinem Existieren verschwunden ist, dann wird Ewigkeit durch Horizontales ersetzt, dann kommt es so oder so zur zeitlichen Abhängigkeit und letztlich Besessenheit: man fixiert sich auf Gedeih und Verderb auf Vergängliches, gerade auch in den oft sehr verstiegenen geistigen Angelegenheiten; oft ist es aber nur Materielles.   Man kann sagen: der Besessene (aus Gerasa), es meint: das „heidnische“ Existieren, die eigene Existenz horizontal bauen - kehrt hier seltsamerweise ins „Allerheiligste“ zurück, in den Tempelberg, von weit her sieht er ihn (den Erlöser) schon kommen und es ist ihm auch die alleinige Wahrheit desselben ganz bewusst. Im Angesicht des Heiligen gibt es keinen Kompromiss mehr: die schedim, die Dämonen, sie müssen weichen. Die vormals absolut gesetzten horizontalen Maßstäbe sind außer Kraft gesetzt, sie gehen im Meer der Vergänglichkeit unter (die Schweine stürzen ins Meer der Zeitlichkeit und gehen mit ihr vorbei). Dass Priester oft gebrochene Menschen sind, stört dann nicht mehr – man betritt den Tempelberg, weil in ihm das Allerheiligste anwest, nicht wegen dieser oder jener Menschen, nicht wegen dieser oder jener Predigt. „Umkehr als Rückkehr“ ist jene heilige (eigentlich nicht erklärliche) Irritation im horizontalen Absolutismus, die man sonst als „Gnade“ kennt. Gnade ist unverdienter Einbruch des Ewigen in Zeitliches. Kausalität wird in der Gnade außer Kraft gesetzt. Das ist die Befreiung von den Ketten des Horizontalen. Das Handeln wird wieder beweglich, ist nicht mehr starr nach eigenem Programm – man tut sogar, wenn es zum eigenen Nachteil sein sollte; das wäre früher undenkbar gewesen.

 

Was ist Verbannung? Im Wort steckt der Bann – was ist ein Bann? Verbannung heißt im Hebräischen: galuth, es kommt von „gal“ (gal-ah): wegführen. Es wird etwas „Form“ – nimmt bestimmte Gestalt an. Unter Verbannung kann man daher Form-werdung oder Gestalt-werdung verstehen. Ich sehe so aus wie ich eben aussehe, habe diese Form und diese Gestalt: das ist Verbannung. Ich selbst habe mir meine Form nicht ausgesucht: meine Herkunft, meine Familie, mein Mutterland, meine Sprache, meine Zivilisation, meine Sozialisation – ich habe mir meine Geworfenheit (Heidegger) nicht ausgesucht, ich bin darin „geworfen“ – hineingeworfen: das ist Verbannung. Verbannung meint jetzt wesentlich immer das „körperhafte Werden“, die Auskörperung. Philosophisch ausgedrückt: dass ein „Seiendes seiend sei“ – das ist Verbannung. So ist die gesamte Schöpfung eigentlich „Verbannung“, Auskörperung – da seiend, wirkend, geschaffen. Und es heißt, dass diese Schöpfung ein „gewaltiges Opfer“ sei. Unter Opfer versteht man leider – wie in unserer gesamten ausgemergelten sprachlosen Sprache – nur Negatives. Gott selbst, der Schöpfer aller Dinge und Auskörperung, er gibt in der Erschaffung seine Einheit mit sich auf und gibt sich „hin“, schenkt sich und so erst kann Schöpfung sein. Alle Formen, Farben – alles Seiende – es trägt den Stempel selbst des Schöpfers. Nichts könnte hier Körper sein, wäre die Hingabe des Schöpfers nicht. Und das passiert jeden Moment – alle Augenblicke ist „Schöpfung“. Das erste Opfer, es ist „im Anfang“ Opfer des Schöpfers selbst. ER gibt sich hin (und zwar ohne Unterlass) – und so kann „Seiendes sein“. Die Erschaffung der Welt selbst ist die Opfer-Gabe umsonst. Dieses „Geben der Gabe“ ist Gottes Tun, ein ewiges Handeln: Gott schenkt die Aus-Körperung, die Welt und er steht nicht fern dieser Welt, sondern ist „in ihr“ selbst anwesend. Man versteht dann auch, dass der „Sohn Gottes“ Fleisch wird und die verlorene Schöpfung zurückholt. Nicht als historisches Schauspiel, sondern als jetzt geschehender ewiger Einbruch. Gott selbst gibt seine Einheit mit sich auf (gibt sich hin), damit Form sein kann. Es ist das erste Opfer und es bleibt die Opferung, sonst wäre nichts was ist.

 

Und „leidet“ Gott die Schöpfung? Gewiss leidet er die Schöpfung im Sinne des Aus-leidens, des Mitgehens mit seiner Schöpfung; er verlässt sie keinen Augenblick, ist mit und in ihr: er ver-steht sie also, steht zu ihr, seiner Schöpfung – das ist die Treue!  Es gibt keinen fernen Gott, er trägt schon alles mit, sonst könnte es nicht sein. Auch das für uns Schlimme trägt er mit. Auch uns „Schlimme“ trägt er mit und leidet uns aus: wer wird mir, dem Schöpfer, umsonst antworten? Wird es so eine Antwort unsererseits überhaupt geben können? Das Aufgeben dieser göttlichen Einheit meint in bestimmter Weise ein „Töten“ dieser Einheit, damit die Vielheit der Schöpfung sein könne. Bei der Geburt wird die Einheit der Mutter mit dem Kind „aufgegeben“ (getötet), sonst könnte das Kind nicht lebendig, eigenständig sein. Das ist wesentlich ein „Opfer“. Gott opfert seine Ruhe, seine Harmonie: und so ist die Formwerdung wahr, wirk-mächtig, wirkend. Als Seiende gehen wir also in der Verbannung; jene ist nicht negativ, sie ist nicht positiv – sie ist das Sigel der Schöpfung, eine ungeheure Auszeichnung. Geburt im Seienden meint Kommen-in-die-Form, in die Verbannung. Dass etwas „sichtbar“ ist, das ist schon der Verbannung geschuldet. Alles Sinnliche ist der Verbannung geschuldet. Und in dieser Ver-bannung liegt freilich eine große Gefahr: das ist dann der „Bann“, er kann ein richtiger „Fluch“ sein. Man kannte früher das Wort: er wird verbannt, in die Verbannung geschickt, verjagt, er muss sein Vaterland für immer verlassen, wie Napoleon dann auf jene Insel verbannt wird, er muss dorthin, ob er will oder nicht. Oder: jemand wird mit einem Bann belegt (Anathema), exkommuniziert. Das Opfer der Schöpfung trägt als Sichtbarwerden der Seienden die Gefahr der Fixierung desselben bei sich. Man starrt dann nur mehr auf Sichtbares, ist hin- und hergerissen von den Formen und Farben, von dem, was ankommt und geht und man kennt dann nur mehr „dieses“ – so wird man zusehends „horizontal“ – vergisst mehr und mehr den Schöpfer, der sich mehr und mehr „verbirgt“. Sie Seele des Menschen liegt ganz verborgen, ist selbst verbannt, keiner will von Seele mehr etwas wissen, geschweige denn vom Opfer Gottes. Die Seele aber lässt sich nicht umbringen, man kann sie leugen, sehr vergessen, verstecken – aber töten lässt sie sich nicht.

 

Wer nur mehr Sichtbares (Form) als Wirklichkeit ansieht, der ist „verflucht“, kann man sagen, mit einem Bann  belegt und es wird die Aufgabe sein (Aufgabe speculativ verstanden; speculativ meint immer: das Wort „er-öffnet“ sich, spricht sich zu, wird lebendig), in der Formwerdung (Verbannung) sich vom Erlöser erlösen zu lassen. Dazu ist er selbst in die verbannte Form gekommen, hat Fleisch angenommen um die Schöpfung zu erlösen. Gott selbst geht in die Verbannung (Schöpfung) und wir sind die Verbannten (Geschöpfe) – wir sind im „Bild und Gleichnis Gottes“ und es wird darum gehen, „göttlich zu handeln“ – es meint das „Umsonst handeln“. Denn Gott schenkt sich, es ist ein Wagnis mit dieser Schöpfung: wer wird umsonst handeln? Gott hat nicht im Voraus berechnet, ob es sich mit dieser Schöpfung auszahlen wird, ob diese Rechnung aufgeht, ob sie was einbringt oder ob sie ein Verlustgeschäft ist. Denn um den Preis der „Freiheit“ ist die Schöpfung der Welt und Freiheit ist die Bedingung der Möglichkeit der „Liebe“. Ohne das ernste „Nein“, ohne die ernste Absage an Gott gäbe es keine „Liebe umsonst“. Wäre die Freiheit zum Nein nicht, wir alle wären Automaten, Maschinisten, Seiende ohne wahre Antwort. Maschinist sein aber kann nicht genügen: eine Maschinisten-Liebe ist keine Liebe, sie ist vielleicht Rechnung, Überlegung, kaltes Kalkül und daher immer unbefriedigend. Liebe hat einen so hohen Preis, dass sie „umsonst“ sein müsste: sie hat eben keinen „Preis“ mehr, sie ist im Wesen „irrsinnig“. Und ist die Liebe Gottes zu uns am Kreuz nicht auch „irrsinnig“? Nein, Verbannung ist eine hohe Auszeichnung, ein Vorzug, nichts, was man bedauern müsste oder gar vermeiden könnte. Es wird vielleicht länger dauern, bis man einigermaßen das, was Verbannung meint, begreifen kann. Dann ist es zum Be-greifen nah, bald ist es dann, in nächster Nähe – nicht fern ist es.

 

Erst auf dem Hintergrund der Verbannung wird erlebbar und sichtbar, was „Erlösung“ meint und wer der Erlöser für mich ist. Die folgenden Zyklen setzten daher nahtlos an den Zyklus „Erlösung“ an. Ein Anzeichen der Verbannung ist das „Fremdling“ sein. Trotz der vielfachen (meist unbewussten) Versuche, im seienden Dickicht „dicht“ unterzukommen, gelingt das niemals hier zur Gänze. Immer bleibt etwas offen: eine Rechnung geht nicht auf, oft ist eine Krankheit da, Missstände, die Inflationsrate ist zu hoch, man hat nur noch wenige Jahre, die Heizkosten steigen, die Runzeln im Gesicht werden mehr, der Nachbar wird gewalttätig usf. Es geht sich hier (horizontal) nie aus, spürt man, weiß man auch – aber die Alternative?

 

Man bleibt Fremdling im Horizontalen. Warum eigentlich? Das Rausch-Leben wird doch betrieben und oft geht es wirklich bis zur Selbstvernichtung. Sem, Ham und Jafet – sie sind die Söhne Noachs, er zeugt sie, als er 500 Jahre alt ist. Er zeugt sie also über aller Natur, über-natürlich, über-zeitlich, jenseits der Zeit. Wenn es so ist, sind sie Söhne (Zeugen) des Ewigen im Zeitlichen: jetzt „da“.

 

„Ohne weiteres“: könnte jetzt jene Formel des horizontalen Absolutismus sein, die es weithin forciert die Gedanken (den Gedanc) los zu sein. Man selbst ist dann impotent (unfruchtbar) für das Wort, das sich zwar immer hingeben möchte, man selbst aber bleibt steril. Wenn ein Kind „gestillt“ sein will (und welches Kind wollte das nicht?), dann muss es offen-ständig sein der Stillung. Es muss also empfangen wollen. Zurück zur „Stille“: Stille klammert Zeitlichkeit ein, das Aufgeregte schwindet in der Stille, schmilzt wie altes Eis dahin.

 

 

BEGEGNUNG MIT DER STILLE

 

Warum also die „Stille“ suchen, die doch eine Last ist? Der Lastcharakter der Stille braucht nicht sonderlich bemüht zu werden, die gesamte Existenz-Art spricht in ihrem Lärmen davon. Gibt es dennoch sogar eine „Sehnsucht nach Stille“ – ist das alles nicht paradox: die Stille fliehen und sie zugleich begehren, es nicht in ihr aushalten können, sie brechen und sie dennoch suchen? Wir entkommen der Stille nicht: entweder fliehen wir sie oder wir suchen sie; eine neutrale Stellung zur Stille (ausgenommen der Vollrausch) gibt es nicht. Und auch der Vollrausch spricht noch von der Stille: ich möchte wenigstens eine kurze Zeit lang „vergessen“. So könnte es auch sein, dass es zum Bruch der Großen Stille kommt: man spricht dann, spricht aus, wortet aus, kommt ausdrücklich ins Gespräch und verlässt die Große Stille, in der „es“ spricht. Flucht vor der Stille ist immer der Gang ins Exil der Äußerung; wer die Stille bewusst verlässt, begibt sich in die Gefahr der Auslieferung, ist sogleich Spielball des zeitlichen Exhibitionismus; eines ergibt das andere, eine Stellungnahme die andere, eine Entäußerung die andere.

 

„Schweigen Gottes“: immerzu die Stille Gottes, sie durchweht alle Zeitlichkeit – ist da, ohne „da“ zu sein. Wer kann das tragen, sich dem aussetzen? Nicht (Nichtung) dem ständigen Impuls zu sprechen nachgeben besagt: es „sein lassen können“ – nicht intervenieren müssen, dem Anderen auch Geltung gönnen, ihm einfach „gönnen“ – ihm gut sein, es mit ihm gut sein lassen.

 

„Nicht“: eine Verneinung; dasselbe Wort wie „Nicht“ ist „Nacht“. In der Nacht west das Nicht merklicher an, der Große Kontrast (Groß wird hier immer „groß“ geschrieben, weil die Größe aus der Großen Stille kommt, die alles unterhält). Im Nicht liegt das Mysterium, eben das Verborgene, es äußert sich hier offener, tritt hervor im Schweigen der Nacht. Das Nicht der Nacht ist die Begegnung mit dem Ewigen in der Zeitlichkeit, darin die Stille gewahrt ist; sie bleibt ge-wahrt, weil sie „wahr“ ist. Die Stille extra zu suchen ist daher ein Irrsinn, eine Verirrung – denn die Stille ist allem zuvor schon alles unterfangend. In der Nacht (Nichtung) wird die Sicht nach außen unterbunden und so zählt nicht mehr die Sicht, sondern die Ein-Sicht. Ein-sicht opfert gerne die Aufregung, die Wichtigkeiten und Sichtigkeiten, sie ist bescheiden (beschieden) zur Annahme dessen, was sich ent-birgt. Aus dem Verborgenen ent-birgt sich das, was „ist“. Gott ist ein verborgener Gott, der aber niemals schweigt, sondern „stillt“ (speculativ verstanden). Es ist unmöglich, diese Stille Gottes zu vergewaltigen, sie entzieht sich jeder lärmenden Gewalttat. Fehlt die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Göttlichen Stillung? Ist dann nicht alles, was ist, Ausdruck der Göttlichen Sprache? Verlangte diese Sprache nicht die völlige Zurückhaltung der eigenen Interessen? Wer gestillt sein will, müsste doch Hunger haben, also Sehnsucht nach der Stille. Allem voran Sehnsucht nach der Wort-Stille: der Stillung im Wort. In der Zu-rückhaltung (Ehrfurcht) liegt der Rück-halt und darin die „Haltung“, das Wohnen. Zurückhaltung sagt schon: es wendet sich um, man bremst sich ein, der Schritt wird langsamer, die Zwischentöne vernehmbarer: es duldet! Das Geheiminis wird gehütet in der Ge-duld, im Dulden dessen, was sich ent-birgt. Man muss es nicht schnell bearbeiten, verändern oder gar nicht beachten. Wer so tut, kann das Entborgene nicht empfangen, er steht sich mit sich selber im Wege. Das Dulden ist also kein Herstellen oder Machen, sondern das Aus-halten können dessen, was entborgen ist.

 

Andere Wörter für Geduld sind: Bescheidenheit, Keuschheit, Zurückgezogenheit, Diskretion. Man hat plötzlich ein Ohr für die Zwischentöne, für die Melodie insgesamt. Vielleicht liegt eine Ursache für die Flucht vor der alles unterfangenden Stille Gottes darin, dass sich in ihr ein „wahres Urteil über jeden von uns erstreckt“. Dieses Urteil ist eben keine Verurteilung im Sinne einer Vernichtung, im Gegenteil. Wahres Urteil meint: wer bist DU und wer bin ich? Das ist Dialog der Intimität – jeder begehrt dieses barmherzige Urteil. Warum ist es barmherzig? Gott reflektiert nicht im Vorhinein, ob es sich mit den Seienden der Schöpfung auszahlen wird, ob es sich mit der Schöpfung lohnen wird: Gott ist kein Kaufmann. Gott berechnet mich nicht! Wäre er Kaufmann, es wäre ein reines Verlustgeschäft, ein absoluter Konkurs. So schenkt ER ohne Berechnung, schenkt „umsonst“ und so kann ich „sein“ – doch jeden Augenblick schenkt er „umsonst“, mir zur Freude. Halten wir „diese“ Barmherzigkeit nicht aus – können wir das so schwer annehmen? Es ist wie mit einem zum Tode Verurteilten der kurz vor seiner Hinrichtung steht und überzeugt ist, dass er den Tod verdient. Plötzlich wird er vom Herrscher begnadigt – warum? Einfach so – „umsonst“! Die Liebe Gottes ist „ausgegossen“ – heißt es, man kann sie sich nicht und unter keinen Umständen verdienen und vielleicht liegt für den stolzen Menschen darin der Skandal einer Zumutung, mit der gerade der Leistungs-Mensch in uns nicht zu Rande kommt: so eine Begnadigung habe ich mir doch gar nicht verdient! Im Wort Vergewaltigung liegt die „Gewalt“, das Walten auch im Sinne aber des Tuns und Machens. Das Dulden nimmt dagegen „wahr“ was „wahr ist“. Geduld kommt immer ein wenig zu spät in dem Sinne, dass es zuvor nachsieht, was der Herr schon zubereitet hat.

 

Für den Dulder ist der Tisch der Schöpfung immerzu reichlich gedeckt, übervoll. Der Jäger dagegen wird seinen Tisch mit seiner Beute decken müssen, er ist auf der Jagd in der Zeit – also in Bewegung. Wer überpünktlich ist, der ist vermutlich gejagter Jäger, Kainite, Nimrod. Wer ein wenig zu spät kommt, der hat doch das Vertrauen, dass es schon sehr gut „ist“ und der auch zulangt, weil der Tisch des Existierens reichlich gedeckt ist. So ist ihm das Vergangene gar keines, sondern Lebendiges. Der Spätere braucht den Brauch, weil das Vergangene im Brauch „lebt“. So holt er im gebrauchten Brauch das wieder, was sich als Sprache der Ewigkeit in der Zeitlichkeit offenbart. Offenbarende Sprache ist immer die Sprache aus der Stille. Die Wieder-holung ist nicht langweiliges Repetieren des Immer-gleichen, leere, belanglose Wiederholung. Im Brauchen wird das Ewige eingeholt, wie man eine Ernte einholt; das Ewige ist schon da, es wird erreicht und eingeholt, ich bin immer der Schon-zu-spät-Kommende im Sinne der Barmherzigkeit. Es wird um „diese Intimität“ gehen: wer Gott liebt, „ist“ relativiert! Relativiert sein hat jetzt den tiefen Sinn der Un-aufgeregtheit. Wer Gott liebt, der muss sich nicht mehr aufregen (aufragen), der hört auch auf mit diesem gigantischen hybriden Turmbau, er legt die Waffen nieder und hütet (duldet) lieber das Geheimnis.

 

Weiter oben war davon die Rede, dass es einem oft „leichter“ sei in Bewegung zu sein als in der Stille. In der Zeitlichkeit sein ist einem dann leichter als im Ewigen zu sein. Gar nicht so leicht, das zu verstehen für die Bewegten. Seltsame Sprache, sie spricht im „Wort“ und das Wort ist „bei“ Gott – es „ist“ Gott. Dom Dysmas de Lassus, Prior der Großen Kartause, sagt einmal: Wenn ich weiß, dass ich alles empfangen habe, kann mir nichts mehr fehlen. Und diese „Große Stille“ ist nicht wegzumachen, sie ist verlässlich da, man mag fliehen oder sie suchen, einerlei. „Alles empfangen habe“: das Ewige hat man schon empfangen und es kommt jetzt darauf an, es zu „empfangen“. Die Welt wird sich weiterdrehen, die Schicksale sind dieselben, die Leiden, die Ängste – und doch ist alles dann verwandelt, denn das Aufragen und Aufregen ist nicht mehr. Das Geschenk der Annahme setzt ebenso die Geduld meiner Schuld voraus, ein Wort, das man heute lieber streichen will. Sünde gibt es für den Heutigen nicht, damit muss man aufhören, das ist eine Altlast. Erlösung ist aber ohne Schuldbekenntnis unmöglich, die eigene Schuld zu bekennen ist der Anfang der Weisheit, so würde ich sagen. Sünde meint jetzt: ich habe ALLES empfangen und will es nicht annehmen! Das ist meine „Schuld“, mein Versagen, mein Verschluss. Im Verschluss liegt mein Verschließen, ich verschließe mich, mache mich zu und eile fort, gehe weg von dir, von dem ich doch alles habe. In diesem Verschluss meiner selbst liegt die Aufkündigung der persönlichen Beziehung zu Gott. Flucht vor der Großen Stille ist zugleich Ausdruck der „Angst vor dieser Großen Stille“. Was wird geschehen, wenn ich mich dir ausliefere? Ist es zugleich die Angst vor der „unerwarteten Person“, die ich selbst bin? Offenbart sich in mir selbst über mich selbst sehr Unangenehmes, Schattenseiten, die ich vor mir verbergen will? Stille: im Ursprung des Wortes liegen vernichten, vertilgen, aufhören. Einmal der Stille ausgeliefert weiß man, dass das Flüchten un-möglich ist und man hört dann auf mit der Flucht. In dem Augenblick, als Jakob den Segen erhält, stellt sich das Tier, es hört auf vor Esau zu fliehen: die Jagd (Flucht) ist zu Ende. Das „Segnen“ hat eine ungeheure Dimension, ist Flügelschlag der Engel. Im Segnen spricht es „anders“, die gewöhnliche Sprache sinkt zurück, es spricht das Stillen wie auch die Stille im Sakrament spricht. Im Hüten des Geheimnisses spricht die Stille. Und das ist keine Einbahnstraße, denn sofort ist die „Ablenkung“ da, das Nicht-Gönnen meldet sich sofort: ich gönne dir nicht, dass du schon Alles empfangen hast – dessen sollst du nicht ge-wahr sein!

 

Der, der hier nicht gönnt, ist der Satan. Er ist der Neider (Lügner) von Anbeginn, er neidet das „Göttliche Alles“, neidet, dass eine Seele nachhause kommt in die Ewige Heimat. Warum neidet er das? Weil ihm selbst Liebe etwas Unmögliches ist – er kennt weder Liebe, noch Hoffnung noch Glaube; das alles existiert nicht in ihm, daher kann er es nicht „gönnen“, „wünschen“, „hoffen“. Der Satan ist ein Meister der Manöver der Ablenkung; immer ist etwas Zeitliches im Moment wichtiger, das wiederholende langweilige Gebet ist doch sinnlos – so kommt es einem manchmal. Ab-lenkung: was ist Ablenkung? Ablenkung ist immer ein „imaginierter innerer Dialog mit anderen, mit uns selbst“. Imaginiert: also eine „geistige Realität“ – ein Gedankenkonvolut. Etwas wird in uns zum „Thema“, meistens sind es zeitliche, vergängliche Dinge. Nebenbei bemerkt man, wie man sich von Gott und seiner Stille „entfernt“; je mehr die zeitliche Imagination wichtig ist und zunimmt, desto weiter ist man schon von Gott weg. Viel zu spät bemerkt man selbst dabei, wie sehr man schon ab-gelenkt war, weit weg ist und dann bemerkt man auch die eigene Aufregung (Aufragung). Warum und weshalb bemerkt man dieses Sich-entfernen von Gott? Wäre Gott nicht zu allen Zeiten verlässlich präsent, wir würden das gar nicht bemerken können. Untreue hat die Treue Gottes zur Grundlage, dass ich Untreue überhaupt bemerken kann, setzt die Treue Gottes voraus.

 

Imagination kann zwar nicht außer Kraft gesetzt werden, die Gedankendinge kommen und gehen, aber ich habe die Freiheit sie zuzulassen oder nicht, sie abzuweisen oder nicht, ihnen Relevanz zuzumessen oder nicht. Ich kann also die „Imagination“ sein lassen, sie lassen und es auch Gott über-lassen (er weiß schon).

Dieses Lassen (davon schon in der Gelassenheit die Rede war) entspricht einer gewissen „Aufgabe“ (im speculativen Sinn). So wie der entblößte (veräußerte Noach) von seinen beiden Söhnen zu-gedeckt wird, so wird das eigene Existieren „bedeckt“, es wird nicht mehr für Alles genommen. Man hat die Freiheit erlangt, sich selbst nicht mehr  so wichtig zu nehmen. Wenn man los-lässt entsteht ein Frei-raum, vielleicht auch eine Leere, ein Vakuum. Was bisher ausfüllte, ist es nicht mehr. Was tritt an jene Stelle? Wieder Zeitliches? Vielleicht nicht mehr akzentuiert, geradewegs gesucht. Dom Dysmas schreibt: Die gewöhnliche Tätigkeit wird weitergeführt, doch etwas im Inneren bleibt still mit dem verbunden, den wir lieben und der uns liebt, eine liebende Gegenwart, die ausreicht, um auszufüllen. Lass´ klären das Wort Gottes: Klar-werden (durchsichtig sein) meint: Still sein; eine Gegenbewegung zur Entwicklung, entgegen dem Rausch. Gesucht ist, was schon da ist – was ist da? Die Bereitung ist da! Im Wort Er-klärung liegt auch eine Klärung im Sinne einer Distanzierung von dem, was „ist“. Der Rausch reißt fort, eine Neuigkeit jagt die andere, eine Flut an Fortriss. Im Riss (krioth: Is-krioth, Iskariot: der Mann vom Riss) wird das Klar-werden (die Klärung) unterbunden. Man hat das Gefühl: ich komme eigentlich gar nicht dazu! Im Rausch der Horizontale ist die Nivellierung am Werk: das Sakrale wird im Fortriss der Horizontale profaniert, mit Augen der Froschperspektive abgemessen und beurteilt. Es heißt in 2 Mose 3,5: das, worauf wir stehen, sei Heiliger Boden, Heiliges Land – daher soll das Schuhwerk, also das Profane, das Horizontale „abgelegt“ werden. Damit ist in erster Linie auch die Geistes-Haltung gemeint, die sich ermächtigt, über das Sakrale zu urteilen, es abzumessen und abzuändern.

 

Offenbar werden heißt: äußern, sich äußern, ver-äußern, das Äußerliche ist das Offenbare, Sichtbare, Handgreifliche – aber das ist längst nicht alles und bestimmt nicht das Wesentliche, das sich „verbirgt“  (Gebirg des Bergens). Mit  Verbergung und  Ent-bergung zeigen sich – wie schon früher öfter dargelegt – Grund-legende existentielle Frage-stellungen: die Was und die Wer-Frage. Wann immer ich „wer“ frage, so ist etwas sehr Persönliches, Intimes – eine Beziehung gemeint, die man nicht quantitativ relativieren kann. Dagegen dringt die Was-Frage zum Wesen des Stofflichen vor, zur Definition, zum Quantitativen – ich muss bei der Was-Frage nicht persönlich angegriffen sein. Ich kann zwar fragen: was ist Gott? Aber man sieht, diese Frage ist völlig un-persönlich, ich muss da keinen Anteil daran haben.

Die Was-Frage ist wesentlich eine sehr un-geduldige Frage, die es jetzt und hier schon „wissen“ will, sie will auch das Mysterium „wissen“ und kann es nicht ertragen, „geduldig zu warten“. Geduld ist ihr etwas Fremdes. Das Existieren im Was-Modus ist eilig, vorschnell, über-eilt.

 

Das Dulden der Geduld spricht vom verborgenen Mysterium und ehrt es. Es zu wissen oder auszurufen kommt der Geduld gar nicht mehr in den Sinn, es wäre sonst verkauft, veräußert, geschändet. Man kann das dieser Tage wieder erleben, wenn in Davos die Planung der Entwicklung der Welt ausgetragen wird – wirklich also hinaus-getragen, her-gezeigt: veröffentlicht. Für die „Veröffentlichung“ (und das gilt ja für jede Veräußerung) gibt es kein Mysterium, etwas, das verborgen bleiben sollte oder muss und schon gar nicht gibt es ein Verborgenes, das das Offensichtliche bestimmt – das ist der Entwicklung und Planung und Durchführung unerträglich. Am Fest der Welt-Entwicklung kann es auch keine Geduld geben: ungeduldig will man endlich „wissen“, was die neuesten Technologien und Programme bringen werden – freilich immer unter dem Deckmantel humanistischer Ziele.

 

"Der Bettler vor den Toren" sieht, er merkt auf - er kennt dich und mich - er weiß schon.

 

 

 

(Weiterführung: Die Weigerung)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(LXIII)

 

 Λήθη XIX    Erlösung XXXII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit XI   (Heiliger Abend  2022)

 

Versuchung VI:  Krippe und Kreuz 4

 

 

 

Pfingsten 2022 – Erlösung. Es ist ein Weg der Zwiesprache mit dem Erlöser, dem Heiland, mit dem, der alle Macht hat im Himmel und auf der Erde.  Λήθη ist die Ver-Bergung, das Gebirg, das birgt, schützt und schon „weiß“ bevor wir gescheit wissen. Aletheia (Wahrheit) hat Heidegger mit Un-Verborgenheit übersetzt. Was verborgen (Mysterium) liegt, ist doch „wahrer“ als das Unverborgene, was man so „Wahrheit“ nennt. Im Alter hat Heidegger ein kleines Büchlein geschrieben: Zur Erörterung der Gelassenheit. Als Lese-Zeichen habe ich dann die Lauretanische Litanei eingefügt, es hat sich so ergeben – wie sich alles er-gibt (die Aufgabe). Von der „Gelassenheit“ ist weiter unten die Rede, vom Seyn-lassen und das Seyn-lassen „bindet die Zeit“, man muss es nur „lassen“, dann geschieht schon was geschehen soll. Gelassenheit ist eng verwandt mit der Geduld, ist gleichen Wesens. Aber, wir sind oft ver-sucht, d.h. wir „suchen“ immerzu, dort und da und meist nur horizontal. Das gehört auch zu unserem Wesen: unstet wird der Kain umherirren in dieser Welt, ein Jäger, wie Nimrod.

 

Wäre die Ver-Suchung nicht, es gäbe vermutlich nicht das Suchen, das Sich-erheben, die Einsicht: es genügt „hier“ nicht, das Angebot der Welt ist schön, es nährt aber nicht die Seele und so erhebt sich die Seele, sucht ihre Heimat, löst sich: am Ende löst sie sich auf – also hinauf, steigt auf, kehrt heim.

 

Einmal, stelle ich mir eben vor, wird großes Staunen darüber sein über den „Erlöser“: vielleicht, dass man dann in voller Sicht erkennt: es war doch schon immer alles erlöst und „sehr gut“ – nur ich in meiner Blindheit habe das nicht gesehen, war zu eng (ang – Angst).

 

Der Zyklus „lethe“ findet heute  - am Geburts-Tag unseres Erlösers - ein Ende. Das Wort „Ende“ ist dasselbe Wort wie „W-ende“ und die Wende ist die „Umkehr“ (metanoia). Das Enden: ein W-enden! Es hört gar nicht auf, wir aber meinen immerzu: das hat ein Ende – auch unser Leben hätte ein Ende.

 

Nein! Es hat kein Ende im Sinne des Aufhörens, es wendet sich und das ist die „Kehre“, es kehrt sich, steigt auf und ist „da“. Das vermeinte Enden ist in sich ein „Wenden“, ein Umkehren, die Ein-Sicht: das Leben ist ewig da – der Erlöser ist „geboren“!

 

„Krippe und Kreuz“ gehören aber zusammen, sind „Ein-und-dasselbe“. Denn: wenn der Herr am Kreuz stirbt, dann ist das Heilige Kind im Stall geboren. Der Tod „ist“ dann nicht mehr (der Tod hat kein Seyn): der Auferstandene Herr ist das Antlitz der Krippe zu Betlehem – so hieß es in „Krippe und Kreuz 1“.

 

Der „Kreuzweg“: das Kreuz ist leer und die Krippe ist leer; nichts Horizontales findet man da, es ist sehr „ernüchternd“, der Weltglanz verschwunden, die Täuschung ent-täuscht, Krippe und Kreuz stehen „zusammen“, aneinander geschmiegt, verortet in der Wüste. Die Wüste ist hier Sinn dessen, dass der „Sinn“ vom ganz Anderen her erfüllt ist. Das Leer-sein am Kreuz meint jetzt: der Herr selbst „erlöst“ (rettet), nicht wir oder die Welt haben Erlösung, so auch in der „Krippe“: das leer gedroschene Stroh, der Stall, die ganze Armut an Welt: es genügt der Erlöser und nur er. Im letzten Zyklus war von den Nachkriegsjahren die Rede, von der „verseuchten Zeit“ der scheinbar prosperierenden Jahrzehnte, es ist „unsere“ Zeit und diese Zeit ist „steril, unfruchtbar“ zum Ewigen, kann man sagen. Ein anderes Wort für unfruchtbar ist impotent: die Impotenz zum Ewigen, das Fehlen des ewigen Sensoriums in uns. Es ist da etwas „passiert“ vermutlich über Jahrhunderte schon hinweg. Ist nur das „Diesseitige“ (das ist das Nur-Horizontale) ausschlaggebend? Die Ur-Sünde (Gen 3) wird spürbar. Ja, es scheint sich dieses Gift über Jahrhunderte ausgebreitet zu haben. Das Diesseitige „ohne Gott“ muss man hier immer dazu sagen. Gott braucht man nicht, er ist nicht mehr not-wendig. Nöte gibt es schon, aber man glaubt nicht mehr daran, dass der Herr die Not wendet (Jeschua, der Herr rettet) – dass er also der Notwendige ist und sei. Und dann schleift sich das Selber-tun ein: man lernt es von klein auf, nur auf das eigene Tun ist Verlass, meint man.

 

„Ohne Gott hier auskommen wollen“: das ist die Ur-Versuchung in uns selbst und man findet sehr viele Gründe allem „hier“ zu Diensten zu sein: das heißt eigentlich Ur-Sünde. Immer ist dann etwas anderes wichtiger, das ist noch zu erledigen, das muss man noch erwerben, dies und jenes und immer sind es horizontale Dinge, die man vorzieht – das ist eben dieser Dienst am Götzen. Prophetie des Leibens: die Prophetin ist unser „Leib“, unser Leben, unsere „Art“ uns zu verhalten. Reaktion des Leibens: die Sehn-Sucht, wodurch ein ganzes Verhalten und Dasein bestimmt wird. „Überlegung und Denken“ sind im Leiben aber ohne zentrale Bedeutung. Denn Überlegen und Denken tragen in sich die Begrenzung und Grenze bedeutet: hier ist Schluss, weiter geht es nicht. Das Leiben als Leben trägt das Sein-lassen bei sich: die Gelassenheit, dass viel mehr (als ich einsehe) anwesend ist. Das Aus-Leiben trägt also in sich eine Weisheit, heißt es, die viel weiter her kommt als alle Rationalität. Leiben hat eine große Ähnlichkeit zum „Leiden“: und so leidet auch die Natur ihr Wesen aus, sie „singt“ ihr Wesen im Er-Leiden. Unter „Natur“ ist jetzt die Aus-Formung zu verstehen, das, was je jeweilen ankommt im Seyn.

 

Gelassen-sein kann man von den Pflanzen her ein-sehen: sie bewegen sich doch nicht fort, sind nicht unruhig, heute hier und morgen dort, tragen keine Unruhe bei sich, sind auch nicht getrieben wie es Menschen und Tiere sind. Die Natur (im engeren Sinne die Wälder und alles Pflanzliche) trägt auch den „Duft“ bei sich, den Wohlgeruch. Das Getriebene dagegen kann sehr ungut riechen. Die „Schönheit“ der Natur schöpft aus dieser Ruhe und Gelassenheit: sie vertraut darauf, auf den Ort, wo sie ist, wo sie fest verwurzelt ist und ihr Schicksal in Ruhe erwartet: das ist das Aus-leiden (als Aus-formung). Natur wird von den Elementen geformt und so leidet Natur die Form, die ihr zugemessen ist. Prophetisch sind wir dann, wenn wir „gelassen“ sind, Vertrauen haben, uns der Vorsehung Gottes anheimstellen, die Formung als Leiden austragen. „Leiden“: dieses Wort ist so verkommen, dass man darunter nur mehr ein horizontales Krepieren versteht, das auch psychisch sein kann. Im Wort „L(ei)d“ liegt aber das „L(ie)d“: man kann sagen: im Welten als Leiben liegt eine tiefe Weisheit, ist eine Liebe (Lied) am Werk, die unserer horizontalen Mentalität entzogen bleibt, ein „Lied“ aus einer Ewigen Melodie. Liebe – Lied – Leid: es ist hier eine einzige Quelle. Verstehen kann das der Verstand nicht, aber er kann es „glauben“. Die „Natur“ singt dieses Ewige Lied und unter Natur ist gerade das „Leiben“ zu verstehen, dass eben „alles wie es so ist im Seyn“ gut – sogar „sehr gut“ (6. Schöpfungstag) gemacht ist von unserem Schöpfer. Die Seele „singt“ dann, wenn sie in dieser „Stimm-ung“ steht: dass es schon „stimmt“. Pater Alkuin hat einmal über den Sinn des Leidens tief gesprochen und bemerkt: so „leger“ über das Leiden daherreden, das birgt die Gefahr, dass man aus sicherer Distanz „über“ daherredet. Beim Leiden denkt man „leider“ nur an den körperlichen Schmerz. Der seelische Schmerz geht viel weiter und tiefer, ist „brennender“. Z.B. sehen Eltern ihr Kind am Abgrund der Verzweiflung, es geht auf schiefen Bahnen – ein seelischer Schmerz, der viel tiefer geht als körperliches Leiden, das auch schlimm sein kann. Der „Schmerz“ des Herrn am Kreuz: wir alle wollen nicht die Erlösung, lehnen sie ab, töten sie – ER aber betet für uns, dass wir doch verstehen könnten! Was ist „das“ für ein Schmerz, für ein Leiden? Was heißt dann hier „Gesang der Seele“? Das Lied (Leid) des Mose, das Lied der Channa, das Lied Mariens: der Lob-Gesang ist nicht zu „verstehen“, kein „Lied“ kann man hier verstehen, es ist nur im Gesang zu erleben (leiben, laben, lieben, leben, leiden).

 

Oder: der Vater im Himmel hat für uns – für jeden besondert – einen Königs-Weg bereitet; wir aber wollen den nicht gehen, ziehen den eigenen vor. Was ist das für ein Schmerz, zu sehen und zu erleben, dass die Ewige Gabe verkommt! Das „Wegen“ (es meint den be-stimmten Weg zuverlässig gehen, im Vertrauen gehen, in der großen Sicherheit) – das ist das „Wegen oder Wegnen“, den Weg bahnen. Es ist ein „leichter (lichter)“ Weg, weil er nicht erd-schwer fixiert ist, un-gebunden an das Erdschwere, an das, was da so aufragen möchte. Das Aufragende hat immer wieder diese Versuchung zum Aufregen an sich – man ist versucht sich über das und jenes und jedes auf-zuregen. Lass´ es sein, dieses Aufragen und Aufregen: mit dir selbst und mit den anderen: sei un-aufgeregt. Dieses Wegnen – heißt es – gehe nur „leicht“; Schwermütiges kann hier nicht bestehen, Niederdrückendes hat hier keine Existenzberechtigung. Jener „Weg“ meint das Be-wegen: es ist ein ganz „stiller Weg“, der im Verborgenen „wegt“.

 

„Stilles Wegnen“: Zeichen des Lammes, Zeichen vor allen (gesprochenen) Zeichen: Zeichen des Schweigenden als Zeichen des Gebetes, das „schon erfüllt“ ist, bevor es auch nur auslautet. ER (Christus) ist sein Leben lang nicht von dieser Welt: mir schmeckt nichts mehr, ich kann es jetzt „so, in dieser Art erst“, aufnehmen. Es heißt dann, dass jeder in seiner Art sehr, sehr wichtig hier ist, ganz entscheidend, also eine wahre Königs-Würde in sich hat. Jeder, jede, ein König, eine Königin? Wer könnte das glauben, es für wahr halten? Alles Konstruierte ist, sagt man, ein Krampf. Das Freie ist immer jenes, was schon von „selbst kommt“ – es ist da, aber man glaubt es nicht. Es ist im „Kleinsten“ da, Gott ist im Kleinsten anwesend, gerade im Nebensächlichsten (oder was wir für dieses halten). Das Konstruierte meint jetzt das Eigenmächtige, der Hang in uns zur Her-stellung, zum ständigen Überholen dessen, was doch „da“ ist. Der moderne Mensch ist immer auf der Überhol-spur, besonders im „Wort“. Was sagen uns noch „Worte“ – klingen sie, erzählen sie, habe ich das Ohr für das Offene des Wortes?

 

Aus dem Hause „David“, auf dem Thron Davids, der Sohn Davids! Das Leben, was man so Leben nennt, ist umringt vom Geist, die Umstände sind immer auch „geistige, un-sichtbare Umstände“ – vieles ist da, was man nicht bemerkt, weil man roh und dumm ist. Alles Sichtbare hat also eine „Seele“, ist beseelt, umringt von Geist,  von Ewigkeit her be-lebt, birgt ein Geheimnis. Aber, man ist oft im Rausch der Weltlichkeit gefangen, angetrieben von Ideen, von dem, was man ver-wirklichen will – koste es was es wolle!

 

Gott schickt den Messias, den Gesalbten den Sohn Davids in „diese“ Welt, heute und jetzt: dieses Versprechen des Messias gilt hier und heute und jetzt. Es heißt einmal in der Ölberg-Andacht: wirf´ alle Sorgen auf ihn, denn er sorgt für euch!

 

Wie ernst ist mir dieses Wort? Jetzt sorgt der Messias für mich, gerade jetzt: als mir dies und das begegnet, es sagt immer mehr als nur: könnte auch anders sein. Über-lasse es also Gott: er weiß schon und viel besser als ich es je könnte! Das Über-lassen kann nur aus der Auf-Gabe des Gelassen-seins kommen; ein Seyn, nicht ein Haben! „Nie von ihm gehört“ – so sagen viele (ich glaube es sind viele); man hat schon gehört als Kind noch, dann jährlich zu Weihnachten, vielleicht noch am Christtag – dann wieder vergessen, 80 x wenn man so alt wird. Genauer muss es heißen: nie „wirklich“ von ihm gehört, es hat mich nie berührt oder angesprochen, ich machte mir die Geburt Jesu nie klar, es war eine Formel, ein Wort wie jedes andere auch, ohne Sinn. Es ist oft und oft keine wirklich böse Absicht dahinter so wie es, glaube ich, wirklich nur wenig wirklich „böse“ Menschen gibt. Das Leben ohne Sinn hat sich eben so entwickelt, man hielt es für ganz normal „so“ zu leben, kam auch nie auf Konfrontationskurs mit der eigenen Existenz. Und dann kommt zum Glück, kann man sagen, die Konfrontation. Ist sie „wahr“, dann ist sie vernichtend – das, was bisher Leben hieß, war es nicht – es wird verbrannt.

 

Der Schöpfer opfert seine Ganzheit, wird „Fleisch“, geht ein in seine Schöpfung, er geht damit das Abenteuer der Liebe ein, ob sich da nicht wer findet, der umsonst „antwortet“, für nichts also. Es ist gerade eine Liebes-Antwort, die auch dann gegeben wird, wenn (horizontal gesehen) nichts mehr  hier stimmt und zusammenpasst: und das tut es doch gewiss, das kennt doch jeder. Und die heutige Welt, so scheint es in ihrem An-Schein, ist doch sehr verwirrt, man sagt: so schlimm war es noch nie! Aber: Schlimme Zeiten hat es immer gegeben und man sollte sich sehr darum bemühen, „gelassen“ zu sein – Besinnung zu haben. Der Blick auf das Heilige Kind in der Krippe ist doch der Blick der Vollendung, der Blick also der „Gelassenheit“: der Herr ist da, geboren, Fleisch – er verlässt die Schöpfung nicht mehr, niemals – das ist die Garantie, die einzige.

 

Der „Sohn Davids“: der Sohn des von Gott Geliebten – aus der Wurzel Isai. Man sollte heute vielleicht in dieser „Hochheiligen Nacht“ dem Wort Gottes lauschen: wer ist David, wer ist Abigail, wer Isai?

 

Aus diesem Stamm kommt der „Erlöser“ – heute ist er da. Der König David – der Geliebte Gottes – er hat auch den Urija umgebracht, kann man sagen. Kein schönes Ereignis – und Jesus,  er ist der „Sohn Davids“ und der König David, er zeugte doch mit der Frau des Urija Salomo.

 

Wer kann hier urteilen? Es ist ein „Geheimnis“ und die Gewissheit, dass der Heiland in der Krippe im Stall zu Bethlehem, also im Haus des Brotes – unseres Leibens – Fleisch wird, Mensch wird, Schöpfung im Wort, es bedeutet: es ist schon „sehr gut“ mit dieser Schöpfung auch gerade dann, wenn es sehr, sehr ungut und schlimm aussieht. Nach dem Aussehen zu urteilen, das sollte man doch unterlassen, denn wer von uns sitzt nicht in der Finsternis?

 

Die gesamte Schöpfung „ist“ heimgeholt (gesegnet, ganz gemacht) – das ist das Faktum und das feiern wir heute eigentlich: das ist „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Wir feiern den besiegten Tod, den Auferstandenen Herrn in der Krippe.

 

 

Kommt lasset uns anbeten!

 

 

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(LXII)

 

 Λήθη XXIII    Erlösung XXXI  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit X   (4. Advent  2022)

 

Versuchung V:  Krippe und Kreuz 3

 

 

Das Umherum bleibt be-stehen (bleibt erstarrt), die Um-Stände starren uns an, sind dann aber nicht mehr so wichtig, der Andrang an Wichtigkeit, die das Zeitliche der Umstände bringt, wird zurückgedrängt, man sagt zu den Umständen dann „still“: nimm´ dich nicht so wichtig! Das Umherum ist auch das Körperhafte, das Handgreifliche: es ist dann nicht mehr so wichtig mit dem Äußerlichen, mit dem Körper: schiefe Nase, zu dick der Körper, Augen, die schielen usf. – alles nicht mehr so wichtig. Auch "innere" Umstände können richtig belagern, zu einer Belagerung werden: man wird z.B. mit der Zeit unverzeihlich, hart-herzig, spricht nicht mehr miteinander, geht sich aus dem Weg: auch dann äußerliches Umherum.

 

Es ist das Jahr 1972, drei Jahre also danach, meine Zeit. Es war eine „verseuchte Zeit“, vergiftet, leer und abgestorben. Und unsere Eltern, sie kamen wirklich aus dem Krieg, wurden gezeugt in Kriegs-Ferien, Front-Urlaub; dann waren lange Jahre der russischen Haft. Die Großväter kamen manchmal in den frühen Fünfzigern zurück, schwer krank, oft Alkoholkrank, im Wesen verändert: das Töten am Schlachtfeld hat die Seele ruiniert. Verseuchte Zeit meint jetzt aber eine „Krankheit“, die damals als solche im Kleid des Fortschrittes und des Genießens aufkommt: wir wollen „genießen“, koste es was es wolle, wir wollen „unser“ Vergnügen. Unsere Eltern verkörperten diese entleerte Gesinnung und gaben sich keine Rechenschaft. 1969 war ein Südtiroler Bergsteiger am Höhepunkt seines felstechnischen Könnens: Civetta NW-Wand, die Philipp Flamm Route, im Alleingang. Man war wirklich überzeugt, dass das so eine „neue Freiheit, aufzubrechen wohin man will“ war(Hölderlin) – vom Danken war hier keine Rede mehr – und so war es, dass „das“ unser aller Ziel sein sollte. Nicht, dass jeder jetzt Klettermax sein sollte, sondern dieses: ich strample mich frei so wie ich will und wie ich es mir vorstelle. Ich verschlang damals als Jugendlicher die Bücher des Südtirolers.  Es war auch mein Leben. Mehr als hundert Jahre früher schrieb Karl Marx in seinen „Pariser Manuskripten“ von dieser Art der neuen (vermeintlichen) Freiheit: die Reduzierung der nötigen Arbeitsleistung auf ein Minimum, denn dann bleibt ja Frei-Zeit: schon vormittags fischen, mittags nettes Zusammensein, nachmittags Schläfchen, dieser und jener Besuch – jeder wie er mag und wie er will. Erich Fromm war von dieser Art zu existieren schwer begeistert. Auch seine Schriften verschlang ich damals zeitgleich mit jenen des Südtirolers. Jene vergiftete Atmosphäre ist diese "Rausch"-Mentalität, eine Horizontalität un-endlich. Das Un-endliche meint ein horizontales Immer-so-weiter und ohne Ende. Dieser Habitus ist aufgeladen mit Fortschritt und Entwicklung, mit einem "Immer-mehr" und "Immer-besser". Dieser horizontalen Fantsasie sind scheinbar keine Grenzen gesetzt: alles ist möglich, wir brauchen nur die nötige Zeit, dann wird es kommen und sich ereignen. Man ist  - besonders wenn man jung ist - sehr anfällig für diese horizontale Existenzart. Man hat dann vom "Kreuz" den vertikalen Balken weggeschlagen und das geschah nicht bewusst, sondern geschah deshalb, "weil" es so geschah; Gott, der Schöpfer, Jesus, der Heiland, Maria, die Mutter Gottes: das alles war wie weg, spielte weder hier noch dort wirklich eine Rolle.

 

Die Großmutter aus Mariazell nahm mich samstags immer zur Abendmesse mit, ich war noch sehr klein und ging mit, weil mir sonst sehr langweilig war. Verstanden habe ich nichts, aber ich war dabei. Als Jugendlicher hörte das auch auf. Im ganzen dieser verseuchten Atmosphäre fiel kein einziges Wort über Religion, Glaube, über Christentum. Wir sind wirklich in Rom (Edom), im Heiden-Land, aufgewachsen – das war Norm, Normalität. Heute ist die Situation nicht anders, eher noch schlimmer. Psychologie, Soziologie, Psychoanalyse usf. – das alles war in dieser entwurzelten neuen Freiheit mit inbegriffen, viel interessanter als Religion. Religion war langweilig, deshalb, weil einem selbst langweilig „war“. Was „Erlösung“ überhaupt sein sollte: niemand sprach davon und ich kannte doch einige Leute (auch Priester), die sprachen nie davon ernsthaft. Ein Beichtgespräch konnte man ohne Weiteres gemütlich als Kaffeepläuschchen führen: wir sind doch alle „Soldaten“, hieß es. Meine Eltern beteten nie offiziell, nie mit uns, es war nicht üblich; vielleicht beteten sie insgeheim, ich weiß nicht. Gemeinsam beteten meine Mutter und ich, als es mit ihr zum Sterben ging. Das war eine eigenartige Situation, denn wir beteten, einerlei was früher war: wir taten es und ich glaube, dass das Tun das Entscheidende ist. Es ist sinn- und zwecklos, mit gescheiten Leuten über den Sinn des Betens zu diskutieren, und mit „gescheit“ meine ich jetzt all jene, die so unglaublich unhinterfragt von sich und ihrer Anschauung überzeugt sind. „Betest du mit mir jetzt“ – das wäre die ehrliche, die wahre Haltung!

 

Jeder hat so seine „Umstände“, das, was um ihn herum andrängt (äußerlich als auch innerlich): als Kind, als Jugendlicher, als Sterbender. Am 4. Sonntag im Advent wird die 4. Kerze entzündet, heuer besonders „zeitig“, bis zum „Heiligen Abend“ ist noch eine Woche – es könnte dann eine 5. Kerze brennen in dieser Heiligen Nacht, es meint: in mir könnte die Nacht „erhellt sein“, der Erlöser ist da, nicht weil ein Datum da ist, das wäre äußerlich. (Äußerliches) „Umstände“ sind immer da, mal so, mal so: die Umstände der entwurzelten Generation 1969, die der 90-iger Jahre, die Umstände in England zur Zeit von Karl Marx – die heutigen Umstände: Corona, Ukraine, Transhumanismus usf. Es sind immer „innere und äußere Umstände“ da.

 

Wenn die 5. Kerze in einem brennt, dann ist aber der Erlöser da und so ist im Gehen zur 4. Kerze die Frage: Erlöser – wer bist du? Habe ich ein Gespräch mit dir? Der gesamte Zyklus ist überschrieben: Erlösung. Was ist Erlösung, wer ist der Erlöser, was bedeutet: erlöst sein? Haben wir das notwendig? Und der Erlöser wird in die Welt kommen, von Anfang an ist er da, warum „braucht“ es dann noch einen Erlöser, wenn er schon im Beginn „da“ ist? Zeit: die 60-iger, die 70-iger Jahre, die Zeit jetzt um uns: könnten wir sie los-lassen (lösen)? Im deutschen Wort Erlösung liegt das Los-lassen, ich lasse es sein, lasse es ber-ruhen, lege die Ruhe und Stille darauf, eigentlich lege ich da mein „Vertrauen darauf“. Ich lasse auch die Formung in gewisser Weise los: also das Körperliche, die Auskörperung: sie ist da, aber ich habe keine Schärfe darauf.

 

Der Erlöser – Jesus Christus – ist da, er ist in die Welt gekommen. Das wird in den Evangelien berichtet. Das war nicht nur historisch der Fall, sondern geschieht „immerzu“. Denn die Ewige Wahrheit ist „immerzu“, sie hat keine Zeitlichkeit: daher „ist“ der Erlöser. Was bedeutet das für mich? Wenn ich die Auskörperung los-lasse, eine gewisse Distanz dazu bekomme, kann ich sie als „Botschaft“ ansehen, also als Nachricht, die „sinnvoll“ ist: als Nachricht für diese Welt von außerhalb her. Das Los-lassen des Körperlichen (der Aus-Formung) hat also gar nichts mit einer negativen Abschätzung zu tun (das wäre schlechter Stoizimsus), im Gegenteil: es öffnet sich ein Spiel-Raum der Sinn-stiftung; mein Eigenes kann zurücktreten vor dem, was je jeweilen ankommt.  Was kommt je jeweilen an? Antwort: das, was schon „ist“. Das, was schon ist und währt, das ist die „Wahrheit“ in Gott.

 

Was je jeweilen ankommt, denkt man so, das ist zukünftig, kommt erst morgen oder übermorgen. Aber das ist eine Täuschung der Zeitlichkeit: Das „Kommende“ ist das Schon-Angekommene im Ankommen. Wenn wir jetzt im Advent die Ankunft des Herrn erwarten, so ist das kein Datum, sagen wir der 24. Dezember, da der Herr geboren wird. Das wäre eine Ausrede, eine Fluchtbewegung. Nein: jetzt und hier und in diesem Augenblick „könnte“ Ankunft (Advent) sein, wenn ich es ernst nehme (weil eben Ankunft in Wahrheit "ist")! Man merkt: die Ver-Antwortung (das Antworten) ist dann sehr groß und man versteht auch die Fluchtbewegungen in die Zerstreuung der Zeitlichkeit.  In Mt 4,17 sagt der Herr: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Die Nähe des Himmelreiches kommt der Entschiedenheit gleich: „jetzt“ ist es; dieses Jetzt lässt Zeitlichkeit fließen. Es heißt dann vom Erlöser, dass er „alle Krankheiten und Leiden“ heilt. Kann man sich das vorstellen: „alle Krankheiten und Leiden“ – und was heißt hier „heilen“? Ist der Erlöser ein besserer Arzt, der mir meine Schuppenflechte wegnimmt oder meinen Bluthochdruck? Ist das Heilung? Wer dem Erlöser begegnet – mit ihm also auf DU und DU spricht, der kennt keine „Krankheit“ mehr, für den gibt es keine Krankheit mehr wie wir von Krankheit sprechen. Ein Arzt würde dem sogenannten Kranken zwar attestieren: sie leiden an diesem und jenem – der, der dem Erlöser begegnet, der ist aber überzeugt: gut, sie als Arzt meinen zwar, dass ich schwer krank bin und ich merke auch diese lästigen Symptome, aber ich versichere ihnen: ich bin „geheilt – ich bin dem Erlöser begegnet“.

 

Wir schütteln dann innerlich den Kopf über so einen, der "so" daherredet - das geht sehr schnell, dieses Urteilen: der ist nicht ganz dicht!

 

Dieses Begegnen „könnte“ jederzeit sein, weil der Erlöser „ist“. Anfangs wurde gesagt: die Umstände bleiben, werden sogar schlimmer: das tut der Erlösung keinen Abbruch. Ich stelle mir hier die Frage: der Herr Jesus Christus kommt als Erlöser in die Welt, er ist vollendet da, getauft mit Heiligem Geist – vollendete Heiligkeit, Gesalbter, Messias – dann kommt die Wüste, 40 Tage nimmt er keine Welt zu sich – ein ganzes Leben lang nimmt er nicht von dieser Welt – und dann die Versuchung und danach wird es (für weltliche Augen gesehen) immer schlimmer – bis zur Kreuzigung. Man muss sich hier fragen: „Erlösung“ heißt ganz und gar nicht: endlich zeitliches Wohlfühlprogramm, im Gegenteil – oft geht es dem Erlösten sehr viel schlimmer als dem Unerlösten (weltlich gesehen). Das eigene Glück will man unbedingt erzwingen, man sieht nur das eigene Wohlergehen, kommt aus diesem Sog kaum heraus. Man will also ein Reich der Ruhe für sich haben und aufbauen: Zentrum und Hauptstadt dieses Existierens ist das „Ich“. Es könnte also Heilung und Erlösung sein und äußerlich gesehen tut sich gar nichts, andere sagen auch: der ist genauso krank wir vorher, sieht man doch, seine Krankheit ist nicht weg. Darauf kann man antworten: Dein Blick ist zu sehr auf Äußerliches, Vergängliches gerichtet – es geht aber bei Heilung um das „ewige Heil“, das ist viel wichtiger. Und das ist ja schon ein Hinweis darauf, dass das, was wir sehen und hier meinen verstanden zu haben, viel zu wenig ist im Sinne: meine beschränkte (weltlich behinderte) Sicht ist doch viel zu wenig. Es ist daher sehr wesentlich: die In-Frage-Stellung. In-Frage-Stellung meint Stellung beziehen, es ist ein Wille (Wollen) dahinter: ja, so sei es jetzt. Dann könnte es geschehen, dass die Seele „singt“, sie erzählt dann die Dinge und zwar deshalb, weil sie plötzlich „sinnvoll“ sind, voll des Göttlichen Sinnes. In der alten Sprache sagte man zu einem, der eine Vision hatte, er hat ein „Gesicht“. Dass jemand ein „Ge-Sicht“ hat meinte: der „sieht“ etwas (hat eine Sicht-weise), was man mit weltlichen Augen nicht sehen kann, der hat also eine über-weltliche Sicht. Ein „Gesicht haben“ ist kein exaltierter Habitus einiger weniger Heiliger, ein „Gesicht“ haben wir dann, wenn uns Ewigkeit „bewusst“ wird, wenn es also „ernst“ wird damit, dass Gott der Schöpfer der Welt ist, dass Gott der „Sinn“ des Daseins ist.  Es gibt von Ferdinand Ulrich diese großangelegte Besinnung „Gabe und Vergebung“, der „verlorene Sohn“ kehrt zum Vater zurück. Warum er zurückkehrt ist wirklich eine Besinnung wert, und eine Antwort wird jeder, der sich hier besinnt, selbst erkennen. In dem Augenblick, als der Verlorene „beschließt“ (Wille) zum Vater zurückzukehren, in diesem Augenblick kommt der Vater ihm schon entgegen. Liegt nicht die Umkehr des Sohnes schon in der Zuneigung des Vaters, der sich seiner Schöpfung immerzu „zu-neigt“?

 

Bevor es uns so scheint „als ob wir einen ersten Schritt tun“ ist es schon der Vater, der ihn getan hat – sonst würden wir nicht umkehren können. Dieses Umkehren (metanoia) ist identisch mit dem Sich-lösen-können (Erlösung): von dieser Welt, den eigenen Vorstellungen, dem Ich, dem, was einem zusetzt, von dem, was einem Welt heißt. In diesem Sinne ist Erlösung das vollständige Können der Aufgabe: das Aufgeben-können. Wie schwer das ist, erinnere ich mich jetzt, erfährt man schon als Kind. Früher, als man sich untereinander noch ein wenig prügeln durfte, hatte man den Gegner solange im Schwitzkasten bis der „aufgab“. Man sagte dann: Gibst du auf? Das wollte man nicht, „aufgeben“, das war peinlich, man wollte sich eben behaupten. Ganz genauso sind wir heute unterwegs: wir wollen uns stets behaupten, von unserer besten Seite zeigen, etwas darstellen, Applaus bekommen. So zeigen wir unsere getünchten Vorzüge, die Schattenseiten werden versteckt. Sich von diesem Spiel der Eitelkeit „lösen“ können ist schon Erlösung. Aufgabe (speculativ betrachtet) bedeutet sinngemäß: das „Kreuz“ auf sich nehmen, nicht mehr murren, sich beklagen, sich aber auch nicht mehr verteidigen. Wer sich noch verteidigen muss oder sich verteidigen lässt, der zeigt eben: ich kann von meinem Ich nicht lassen, kann es nicht los-lassen, kann mich nicht „lösen“ davon. Wer sich also nicht lösen kann von sich selbst und von der Welt, der ist behindert daran, sein Kreuz auf sich zu nehmen. Im deutschen Wort Auf-Gabe liegt ja schon die „Gabe“, die der erhält, der „aufgibt“. Und es liegt doch in der Aufgabe auch der Sinn des Weg-gebens: ich gebe ein Paket auf und es beginnt eine Reise. Wer sich „aufgibt“, beginnt auch eine Reise zu Gott, er könnte diese Reise gar nicht antreten, würde der Empfänger (Gott) nicht schon zum Voraus herbeigeeilt sein.  Jene „Aufgabe“ ist keine Welt-Verneinung, sondern Sichtigkeit der Welt als Durch-Sicht auf Gott hin. Man sieht auf den Schöpfer hin-durch, dass alles von ihm kommt und alles zu ihm geht. Man müsste sich zuvor von dieser Welt „gelöst“ haben um in ihr „menschlich“ zu leben; wenn das nicht ist, lebt man „tierisch“, aggressiv. Die „erhabene“ (erhobene) Seele steigt über das Natürliche, über das Zeitliche in das Über-Zeitliche um von dorther „hier“ zu leben.

 

Geschieht dies, dann hört der „Protest“ auf und man ist gut beraten, hier ganz klar zu sehen: das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus (oft als Froh-Botschaft übersetzt) ist im Grunde die Nachricht der „Aufgabe“ an uns. Am Ende ist das Näher-Kommen zu Christus immer auch ein Nahe-kommen an das Sich-lösen von der Welt. Die engsten Vertrauten werden allesamt gekreuzigt, hingerichtet. Es muss nicht am Kreuz geschehen, man muss nicht unbedingt verbrannt oder geschlachtet werden: man wird auch psychologisch vielfältig hin-gerichtet. Keinen Protest mehr erheben, sehr einverstanden sein damit, dass man „ist wer man ist“, dass einem das Leben so geführt hat: das ist schon eine sehr nächste Nähe zum Erlöser, ein sehr intimes Gebet. Ich weiß nicht, aber vielleicht stellt man sich unter „Erlösung“ ein Hochgefühl vor, einen Rausch an Angenehmheit, eingelullt in Wohlgefühl. Dagegen: Erlösung meint nicht mehr protestieren, sondern „Wissen“, dass Gott mich trägt. Die Durch-Sicht bleibt entscheidend: vom Ewigen her hier zu leben; der Maßstab des Existierens verändert sich grundlegend. Es ist weit gefehlt zu meinen: Erlösung könnte man „machen“ – nein, der „Erlöser spricht immerzu“ und es kommt darauf an, zu „hören“. Der Weg der Erlösung endet oft und oft im Martyrium und davor graust es einem. Es muss nicht das Abbraten am Feuerrost sein (Heiliger Laurentius) – wir alle gehen dem „Ende“ zu und ich kann mich gut an das Sterben meines Vaters erinnern: auch ein Martyrium ganz eigener Art. Jeder von uns geht diesen Weg: Protestiere ich oder kann ich sogar danken, von dorther „hier“ schon leben? Dann werde ich mein Martyrium anders bewerten, anders sehen können – vielleicht auch einverstanden sein damit. Vielleicht, dass es dann gar kein Martyrium mehr ist!

 

Der „Gedanc“ der Erlösung ist zugleich das Gespräch mit dem Erlöser Jesus Christus. Dieses Gespräch mit dem Erlöser "ist" die „Geburt des Erlösers“. Nicht nur vor mehr als 2000 Jahren im Stall zu Bethlehem, hier und jetzt ist die Geburt des Erlösers oder sie ist gar nicht.

 

Wir (wer sind „Wir“ eigentlich?) feiern die Geburt des Erlösers, äußerlich in der Heiligen Nacht, jährlich, wiederholend. Holen wir die Heilige Nacht ein: einholen sagt man heute noch zur Erntezeit, wir holen die Ernte ein.

 

Johannes der Täufer – Josef, lebendige Krippe des Erlösers – Heilige Maria Mutter Gottes – die Geburt des Erlösers.

 

 

Johannes der Täufer

 

Krippe und Kreuz: immer findet sich ein Weg, der voraus-liegt. Im Wort „be-weg-en“ liegt der Weg, der schon geebnet ist. Wir gehen immer Wege, die schon bereitet sind, aber wir meinen, wir gingen die Wege selbst, bahnen selbst unsere Wege; aber das stimmt nicht. So ist doch spürbar, wenn wir ganz still sein könnten, dass die „Zeit geht“, wir werden von der Zeit mitgerissen, ob wir eingreifen oder nicht: die Zeit geht voran, so, oder so. Wir können sie auch nicht stoppen oder anhalten oder umkehren. Um das Gehen der Zeit braucht man sich nicht sorgen, auch um den Herzschlag in der Regel nicht: geht automatisch, läuft voran. Wir fangen nie bei „0“ an, immerzu ist etwas Vorbereitetes da. Heidegger nannte das Geworfenheit. Man könnte darüber froh sein, nicht immer wieder beim Nullpunkt anfangen zu müssen und so gibt es den, der immerzu voran-geht: das ist der Vor-Gänger, der den Weg bereitet. Auf den Vor-Gänger ist „Verlass“, er ist der Garant des „Wegens“, dass ich also den Weg gehen kann. Welchen Weg? Den, der mir zugeworfen ist, der mir beschieden ist. Der Weg, auf dem man sich bewegt, weil er der geebnete ist, ist der Weg im Ganzen (in der Einheit). So kann man sicher davon überzeugt sein, dass der nächste Augenblick im Leben nie nur bloßer Zufall ist, sondern „bereiteter, geebneter Weg“ – zugeschickter, besonderter Weg. Die Ausrede mit dem „Zufall“ ist Eingeständnis der eigenen Faulheit oder Beschränkung. Wir sollten (nicht als gezwungene Aufforderung) immer wieder über das Seyn nachsinnen: was bedeutet Wirklichkeit (Seyn)? Von Johannes dem Täufer wird berichtet, dass er den „Weg bereitet“. Er ist also einer, der im Heiligen Geist voran-geht; wieder ein Vorgänger. Einer „geht immer voran“, einerlei wie die Zeit-Umstände sind, wie das oben erwähnte Umherum sich ausdrückt. Mitten in der Zeitlichkeit „ruft die Stimme in der Wüste“. Jederzeit in der Zeit geht etwas vor, geht voran, bereitet den Weg, den wir selber meinen zu gestalten. Die Voraussetzungslosigkeit ist eigentlich ein Hirngespinst steriler Wissenschaften.

 

Ein altes deutsches Wort heißt: etwas „zuwege“ bringen, etwas zusammen-bringen. Das Zusammen-Gebrachte ist das Zusammen-Geführte: die Verbindung. Ich denke hier auch an den „Verband“, den man um Wunden legt, damit diese „heilen“ (wieder ganz und gut werden). Johannes der Täufer: er bereitet auch „meinen Weg vor“. Er „verbindet“ meine Zeitlichkeit mit Ewigkeit. Man wird sagen: das bildest du dir bloß ein, Johannes ist vermutlich eine historische Figur, Genaues weiß man nicht. Ja, darauf wird es ankommen: von Ewigkeit her „hier“ zu sein (Kind seyn) – dann, wenn dies sein darf, ist Johannes der, der „mir“ den Weg bereitet und „tauft“ (verbindet). Es muss eine Erschütterung für den heutigen Menschen sein zu erfassen: den Weg, den ich gehe, er ist ein „vorbereiteter Weg“. Da ist jemand (also jetzt auch „personal“ verstanden), der mir den Weg anzeigt und bereitet und ich nahm das bisher gar nicht wahr. Auch hier wieder dieser Zwiespalt: man könnte doch sehr, sehr froh darüber sein, dass von Ewigkeit her „mein Weg“ zubereitet ist – ich brauche nur zu folgen, diesem bereiteten Weg nach-gehen. Da ist mein Vor-Gänger, ich bin der Nach-Gänger, der Vor-Gänger leitet sicher, bringt ans Ziel, ich muss mich nicht sorgen darum. Aber nein, man ist sehr stolz darauf, „Eigenes“ zu vermeinen, man braucht die Anderen nicht, man stemmt das Dasein aus eigener Kraft. Und wenn schon: auch den Himmel muss man sich hart verdienen (so spricht es in dieser Eigen-Leistungs-Mentalität). Man hat es uns gründlich eingetrichtert: fleißig sein, ehrgeizig sein, gute Noten haben, hart arbeiten, ja nicht faul sein, dem entsprechen, was „Man“ erwartet.

 

„Empfänger“ (Rilke) sein, ja, das traut man sich auch gar nicht nur an-zu-denken. Vom Empfangen her schon müsste es dämmern: dass z.B. alle Sakramente nur zu „empfangen“ sind, man muss und darf da gar nichts Eigenes leisten: Taufe, Firmung, Versöhnung, Ehe, Eucharistie, Krankensalbung, Weihe: all das Heilige ist nur zu „empfangen“; ich kann mir das alles nicht durch Leistung verdienen. „Umkehr“ hat sehr viel wenn nicht alles mit dieser Haltung des „Empfangen-könnens“ zu tun und es ist ein „Können“, ein ganzes „Vermögen“ (jetzt auch speculativ verstanden).

 

Was heißt eigentlich „Leib“? Das Wort (speculativ) meint: lei-ben, lie-ben, la-ben, le-ben. „Ben“ ist im Hebräischen (Weinreb) der Sohn, von „bone“ (bauen). Der Sohn „baut schon“ – mach dir keine Sorgen, du kannst es am Ende nicht und noch viel besser: du musst es auch nicht. Lass´ es also „bauen“ – dann wirst du leben!

 

Papst Johannes Paul II dachte über eine „Theologie des Leibes“ nach – und es gibt auch eine „Prophetie des Leibes“. Davon, vom Leib der Prophetie, soll die Rede sein. Das „Empfangen können“ ist Ausdruck des Leibens: man denke hier unbedingt an die „Unbefleckte Empfängnis“, ein gänzlich heiliges Empfangen können. Wenn man „müde“ ist, dann ist man sehr froh darüber, empfangen zu dürfen. Auch am Ende des Lebens wird man müde (zum Glück). Ende des Lebens ist jederzeit, auch schon in ganz jungen Jahren. Am Ende wollen wir „Ewiges Leben“ empfangen; ich glaube, jeder hat das (verborgen) in sich. Darüber spricht man heute nicht, das gehört sich nicht, man ist zu stolz. Vielfach wird über Ewiges Leben gar nicht mehr gesprochen, es ist kein Thema mehr. Und doch: die ganze Haltung des stolzen Menschen heute spricht immerzu vom Ewigen Leben, nicht thematisch, sondern habituell: die Apotheken werden überrannt, Depressionen wachsen ins Unendliche, Urlaube sind bis zum programmierbaren Ende ausgebucht. Es ist ein „hilfloser Schrei“ nach Ewigkeit, ein Durst, der „hier“ nicht gelöscht werden kann und daher ständig wiederholt werden muss.   „Ewiges Leben“: kann man daran denken, es sich ausmalen, es sich wenigstens ein-bilden? Man sagt dann: pure Einbildung, hat keine Wirklichkeit! Aber das stimmt nicht: wenn wir „Worte“ sagen, uns ein-bilden, dann ist die gemeinte Realität präsent, wirklich. Wenn ich „Gutes“ rede, meine, einbilde, dann ist Gutes „präsent“. Man kann das leicht und jederzeit überprüfen; leider auch das Gegenteil: wenn einer immerzu „jammert“, alles als Katastrophe empfindet und so redet, dann ist wirklich die Katastrophe präsent!  Worte, die „gesagt“ werden, sind also nicht nichts – sie haben Seyns-Dignität (im Anfang ist das Wort – bei Gott ist das Wort). „So“ eine hohe Würde haben Worte!  Der „Vor-Gänger“ ist immer die Gute Nachricht, eine Gute Botschaft und der Engel ist ja auch immer dabei, bei dieser „Guten Nachricht“, deshalb, weil der Engel der „Gute Botschafter“ ist, der, der die Gute Nachricht über-mittelt. Der Engel ist der Mittler alles „Guten“. Von den bösen Engeln soll jetzt nicht die Rede sein. Und „alles Gute“: das ist „Ewiges Leben“. Darüber gibt man sich keine Rechenschaft mehr und Rechen-schaft ist hier missverständlich: nach-rechnen ist nicht gemeint, das wäre Sklaven-Moral. Sich keine Rechenschaft geben meint: ich lasse es nicht „nahe an mich heran“ – halte es fern, vergesse es, es lässt mich dann kalt.

 

Johannes der Täufer: er ist vom „Heiligen Geist“ erfüllt – schon im Mutter-Leib. Wieder dieses Wort „Leib“, also auch er: voll der „Gnade“ im „Leib“. Wenn man Leib (das Leiben) jetzt mit Leben übersetzt, dann hat Johannes ein ganz erfülltes Leben, das, was wir uns auch wünschen, wenn wir uns darauf besinnen – und das tun wir aus verschiedenen Gründen nicht.  Was heißt Gnade, was Leib? In der Heiligen Eucharistie: Corpus Christi! – was bedeutet das? Es bedeutet, dass das „Ganz Unerwartete“ (mit dem man nie gerechnet hatte, wenn überhaupt) ganz real da „ist“. Also: „Ewiges Leben“: mit dem man nie gerechnet hatte, das keinen Gedanken bei mir bewegte – plötzlich ist es ganz „da“: das ist Gnade! Es kommt aus der Verbergung und bleibt in der Verbergung: in der Bergung des Gebirgs. Also in der Stille und Unaufgeregtheit ereignet das Wunder der „Geburt Christi“. Erlösung ist ein Ereignis, das mir „geschieht“, ist auch unabhängig davon, ob ich brav und fromm oder schlimm und böse war. Man bedenke: aus dem Saulus der Paulus, Augustinus, gerade noch der Birnenklau, dann die Bekehrung. Oder: Maria aus Migdal – an ihr geschieht Erlösung durch den Erlöser. „Mir geschehe!“ – oft werden diese Worte der Heiligen Gottesmutter zitiert, als Zeugnis vollkommener Hingabe. Wenn die Erlösung bloß aus Berechnung käme, aus so und so viel guten und frommen Werken, es wäre dennoch Kaufmanns-Kalkül. Dysmas, der rechte Schächer, kurz vor seinem Sterben am Kreuz: vermutlich war er ein Verbrecher, schlimm, einer, der sich, so denkt man, Erlösung niemals durch seine Taten verdient hat. Und dann plötzlich die kommende Erlösung: niemand rechnet damit, keiner erwartet das, auch er selbst nicht – er meint nur: denk´ doch an mich, ich glaube selbst nicht mehr daran, gebe mich fast gänzlich verloren! Und dann geschieht es dennoch: das völlig Unerwartete! Jesus garantiert dem Dysmas nichts Horizontales mehr, sondern „Ewiges Leben“.  Keiner der Umstehenden (Umstände) kann das begreifen, Ewiges Leben: denn der Dysmas krepiert am Kreuz, „hier“ geht alles weiter wie bisher, für den Augenschein stirbt ein Verbrecher am Kreuz. Wenn er tot ist, dann ist er tot.  Aber Dysmas lebt im Sterben, ist im Paradies, lebt ewig – auch jetzt lebt er. 

 

Im Gebirg des Veborgenenen geschieht einem „ein Gespräch“, man weiß auch, dass es verborgen geschieht, man könnte wenig bis gar nichts mitteilen und doch bereitet dieses Gespräch, ist Weg-Bereiter, wie ja Johannes der Täufer den Weg bereitet. Man sieht oder bemerkt: da geschieht eine Zubereitung auf meinem Lebens-Weg, ein Gespräch, das fortwährend im Schweigen geführt wird. Das Martyrium des Täufers ist, so wird berichtet, das „Köpfen“ – das Haupt wird vom Rumpf abgetrennt. Warum geschieht ihm das? Darf man überhaupt so fragen oder ist das einfach so hinzunehmen? Er ist der Vorläufer, der, der den Weg ebnet für das Haupt Christi. Kopf-los sein heißt hier doch: ich werde vom ganz Anderen her bestimmt. Mein Kopf, mein Eigensinn ist enthauptet – ist nicht mehr wichtig, wichtig ist der Andere. Umkehr, Vergebung der Sünden: wer umkehrt, dem „ist“ vergeben: dem wird auch sein vergangenes Leben ent-hauptet, wie auch immer einer gelebt hat: jetzt kehrt er sich hin zum Herrn, das ist die „Taufe zur Vergebung der Sünden“.  Johannes der Täufer: was geht er mich jetzt an? Was die Zeit heranträgt, das ist nicht mehr haupt-sächlich (das Haupt), Anderes ist die Quelle: nach mir kommt einer, so Johannes – ER ist die Haupt-Sache, das „Haupt“.

 

 

Josef, lebendige Krippe des Erlösers

 

Der Philosoph Ferdinand Ulrich nennt in seinem letzten Werk „Virginitas foecunda“ den Heiligen Josef: Nähr-Vater-Krippe. Jene Krippe ist lebendig, sie war nicht nur, sondern „ist“: jungfräulich väterlicher Schoß. Wenn man schon nur „jungfräulich“ hört, fallen die geistigen Rollläden herunter, das ist etwas für Frömmler. Joseph kommt von jasaph: es wird hinzugefügt, es kommt mehr (als das, was da ist). Joseph als der „Ernährer“ – er nährt mit der Ewigkeit, er gibt die absolute Nahrung, nach der die Welt „hungert“. Und das Bildnis in „Virginitas foecunda“, es stammt aus dem 15. Jhdt., zeigt den „stillen Joseph“ uns den Auferstandenen gebend, der Nährvater gibt uns den Herrn zur Nahrung. Mit „solcher“ Nahrung beschenkt uns Josef, der Ernährer. Die Welt aber scheint verhungert und versdurstet, gerade unsere Welt hier und die in uns (verhungert im massenhaften Überfluss). Der Heilige Josef ist wie der Heilige Johannes „verschwindend“, zeigt an: es kommt „mehr“, ein Anderer, der das Haupt ist – Jesus Christus. Der „Engel des Herrn“ sagt ihm: Sohn Davids (der Geliebte) – dies wird geschehen. Josef „erwacht“, er ist also hellwach, hellhörig, ganz bei Sinnen und er „tut“ dann, Er diskutiert nicht, er ist ganz dicht im Geschehen. Das „Schweigen des Josef“ ist innerste Dichtigkeit, Nähe, Intimität mit Gott. Josef, der Stille, er hört immer auf den Engel Gottes, kein irdisches Gespräch ist ihm wichtig: er hört und „tut“.  Mit der Geburt des Erlösers hat Gott uns Menschen sein „Versprechen“ gegeben: eine Besiegelung, eine Verlobung, ein Bündnis, eine Ehe, ein Vertrauen. Vom Wort Ver-trauen kommt dann die „Trauung“, die Hochzeit. Gott hat sich uns „anver-traut“, er ist eine Verlobung mit uns eingegangen. Eigentlich etwas völlig Unverständliches: der Schöpfer aller Dinge vermählt sich (traut sich an) mit mir, mit uns. Das Bündnis (die Verlobung) mit Gott hier „nicht ernst nehmen“ heißt so viel wie: die Verlobung, die Ehe – brechen. Zu jeder Ver-lobung gehört das Loben: loben, lieben, laben, leben – alles dieselbe Bedeutung; wer das Leben lobt, der lobt Gott und hält ihm die Treue, hält die Ver-lobung. Wer aber Gott lobt, der lobt zugleich das Leben: das gehört zusammen, ist „eines“. Maria ist mit Josef verlobt und er denkt nach, sich heimlich von ihr zu trennen, die Verlobung zu lösen. Aber es kommt ganz anders. Menge übersetzt: er nahm seine Verlobte als Gattin zu sich. Maria, schwanger vom „Heiligen Geist“.

 

Wer kann das begreifen, wir kommen an die Grenzen des uns Möglichen. Heiliger Geist, davon schwanger, Josef, nicht der leibliche Vater, die Geburt des Erlösers.

 

 

Die Geburt des Erlösers

 

Es ist der Geburts-Tag des Herrn: jeden Tag wir ER geboren, nicht nur an jenem Tag damals, denn Bethlehem ist „jetzt“ in der Realität (Wirklichkeit) erschienen. Die „Zeit-Spanne“ ist außer Kraft gesetzt (Epoché), eingeklammert. Jesus wird in Bethlehem geboren. Was heißt „Kind seyn“? Das Kind im Stall, das Prager Jesulein, das Kind in mir? Man ist versucht, hier sentimental und romantisch zu werden, aber das hat nichts mit dem Kind-seyn zu tun, ist eher eine Abart der horizontalen Verirrung. Was denkt man sich dabei? Bethlehem ist „vollendet“, fertig gemacht, schon zubereitet: zum Verzehr geeignet. Dass die Welt und alles Geschehen in ihr (vgl. Johannes der Täufer) schon zubereitet und vorbereitet ist, die Leben, die kommen und gehen, alle Geschehnisse, dass eigentlich nichts „machbar“ ist, sondern „ermächtigt“ sein soll zum Annehmen des Vollendeten, ist schwer zu begreifen und noch schwerer „anzunehmen“. Hier liegt die Grenze, der Grenzfluss (der Jordan), hier geschieht die Taufe: das Sterben und Leben. Aber: hat das in mir Wirklichkeit, Realität? Oder bleibt es wieder Geschichte, die man liest, die ganz rührselig ist und die man gleich wieder vergisst? Wieder „Geschichte“: also etwas Vergangenes, man hält es traditionell am Leben aber so ist es „tot“. Weihnachtsfeiern gleichen vielfach Totenfeiern. Man spürt dann in diesen Toten-Feiern: "Wir sind müde geworden und alt, und wir schleichen müde und alt zwischen den Trümmern dieses christlichen Abendlandes, und wir spüren den Schatten der Vergänglichkeit..." (Erich Przywara SJ). Spüren (nicht klar bewusst haben), eine solche Toten-Stimmung ist hintergründig be-stimmend.

 

Die Geburt des Erlösers „historisch“ (also sentimental) sehen heißt: sie umbringen, töten. Und es muss daher die „historische Geschichte des Erlösers“ selbst getötet werden, damit sie „in mir lebendig sei“. Jesus wird also geboren und gleich zeigt sich der König Herodes und der erschrickt und ganz Jerusalem auch.

 

Erschrecke ich auch?

 

Es müsste doch ein entsetzliches Erschrecken in mir da sein, wenn der Erlöser Wahrheit und Wirklichkeit in mir ist, wenn er geboren wird: denn mit meiner Schein-Existenz (wie sie bisher war) ist nun Schluss! Die Fluchtwege des Existierens werden mit der Geburt des Erlösers in mir offen gelegt! Das ist das Erschrecken! Es ist auch das Erschrecken über mein bisheriges „als-ob-Existieren“ (Pseudo-Existenz). In früheren Zyklen war davon schon die Rede: man bringt sein Leben damit zu, General-Proben zu veranstalten, aber nie kommt es zur „Ur-Aufführung“. Ur-Aufführung ist jene Seins-Weise, die keine „Probe“ mehr kennt, weil sie ge-dichtet ist im Gedicht (im Dickicht) der Intimität. Diese Ur-Aufführung kennt noch das „Kind“ in uns: das Kind hat keinen rationalen Überschlag, kein Beäugen, kein historisches Bilden, es hört gerne „Geschichten“, weil es, das Kind, in ihnen „lebendig“ ist. Kind-sein hieße dann: lebendig sein; das Kind kennt keine als-ob-Existenz! Und da der Erlöser (das Kind) geboren wird folgt auf den Fuß der Kinder-Mord!  Kinder-Mord ist dann das Töten der Intimität mit dem Erlöser in mir: der Erlöser (das Kind) wird nicht zugelassen, er darf nicht geboren werden obwohl er geboren „ist“. Kinder-Mörder sind auch jene Stimmen in uns, die sagen: Herodes, dieses Scheusal!  Die Geburt des Erlösers beunruhigt die Zeitlichkeit in uns bis zum Kinder-Mord. Das liebliche sentimentale Pseudo-Weihnachtsfest geht am Ernst dieser Uraufführung völlig vorbei. Im Stall zu Bethlehem begegnen mir „Krippe und Kreuz“ – Frage an mich: ist diese Begegnung Realität oder ein Spiel als-ob? Denn „Gott“, das ist doch kein Spiel, keine Welt „als-ob“.  In Betlehem wird also unsere als-ob-Existenz-Weise mit der Wahrheit konfrontiert und diese Konfrontation führt oft zum Ermorden des Kindes in uns, jener Weise, die das Göttliche in uns gar nicht in Frage stellt!

 

Der Erlöser kommt in die Welt und das Kind-sein in mir regt sich; jenes Kind-sein, das noch vom Himmel weiß, das Kind-sein, das noch nicht dem horizontalen Absolutismus verfallen ist und sogleich wird dieses Kind-sein bedroht und umgebracht – „so“ ernst ist die Geburt zu Betlehem.

 

Man kann auch sagen: Kind-seyn besagt: das Licht „ver-dichtet“ sich, es wir hier konkret mit dem Licht und das Licht-seyn meint: das Leicht-sein; nichts Schwermütiges oder Depressives mehr. Der Erlöser nimmt das Schwere und Schwerfällige hin-weg.

 

"Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünde der Welt" - man kennt und betet es, oft nur als Formel, denkt sich nichts dabei. Die "Sünde der Welt" - sie ist schwer und schwer-fällig (immerzu zum Fallen geneigt), zieht hinab, ist schwer-mütig, depressiv, dunkel, erdschwer. die Sünde der Welt ist nicht "licht und leicht", schwere-los (ist nicht das Schwere los - was ja wieder ein "Lösen" besagt).

 

Das Lamm Gottes aber - der Erlöser - leuchtet in der Heiligen Nacht: er nimmt diese Schwer-fälligkeit hinweg.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(LXI)

 

 

Λήθη XXII    Erlösung XXX  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit IX   (3. Advent  2022)

 

Versuchung IV:  Krippe und Kreuz 2

 

 

Zu Ende gekommen „in der Zeit“: ich habe eigentlich keine wirklichen Fragen mehr, solche, die die Existenz erschüttern: weder bin ich kalt noch bin ich warm – ich bin „lau“. Offb 3,16: weil du „lau“ bist, will ich dich ausspeien aus meinem Mund. Das „Ausspeien“ (Spucken) ist die Geste des: ich kann es (dich) nicht ertragen! Ein unheimliches Wort beim Heiligen Johannes: der Herr kann die „Lauen“ nicht ertragen, der, der doch alles trägt! Ein Lauer ist ein Un-entschiedener, nicht ganz so und nicht ganz so – immer irgendwie nie „ganz“: heute so, morgen so. Als „Lauer“ hat man immer etwas zu tun! Advent, Ankunft des Herrn in mir: ja, schon gut, aber bevor diese Ankunft da ist, habe ich noch etwas vor: Hausbau, Reisen, Gesellig sein, Adventmarkt, Geschäfte machen, trainieren, diese und jene Geschenke besorgen usf. Un-entschiedenheit hat sich dafür entschieden, ein „Spiel zu treiben“. Ich antworte nicht wirklich auf den lebendigen Herrn, habe kein Gespräch mit ihm, genauso, wie ich mit meinem Schutzengel kein Gespräch habe. Dann und wann murmle ich ein Formelgebet und dann bin ich wieder mit den Geschäften des Alltags beschäftigt. Das ist „diese Lauheit“ in mir. Das „Zu-Ende-kommen-in-der-Zeit“ ist das fraglose Aufschlagen in der Wüste des Horizontalen. Ezechiel 37: die ausgetrockneten Gebeine. Hier das „Versetzt sein mitten in die Ebene“ (mitten in das Horizontale, so, dass Zeitlichkeit „ein und alles“ ist). Dann, in dieser horizontalen Existenz, ist man „ganz ausgetrocknet“ – zur Gänze ist die Seele wie tot, abgestorben, verdurstet. Und kann, so frägt bei Ezechiel der „Herr“ selbst den Menschen-Sohn: können diese Toten wieder lebendig werden?

 

Gott, der Herr: der Herr-Gott „spricht“ dann. Früher noch kannte man in den Gehöften den „Herr-Gotts-Winkel“ und der Heilige Thomas bekennt: mein Herr und mein Gott! Der Herr-Gott „bringt Geist“ in uns, den Heiligen Geist – dann werden die Toten lebend. Wenn „dies“ geschieht, dann „ist“ Erkenntnis Gottes. Und das Erkennen meint hier das Berühren: Adam erkannte Eva – Erkennen ist das „intime Lieben“, hat wenig oder gar nichts mit Rationalität zu tun (wissenschaftliche Erkenntnis). Die ausgetrockneten Seelen haben keine wirklichen Fragen mehr: schon haben sie Fragen, aber nur mehr horizontal. Die Stelle bei Ezechiel ist noch in ganz anderer Weise zusagend: der Herr-Gott selbst unternimmt es, wahres Leben zu schenken. Kann ich das Ewige Leben als Geschenk überhaupt annehmen – denn man kann es nur „annehmen“, machen selbst kann man es nicht. Das größte Geschenk ist gratis, umsonst – lebendige Gabe des Ewigen Gebers. Will ich das Schönste empfangen, will ich mich beschenken lassen – oder weigere ich mich, bekomme Schuldgefühle, will es sofort ausgleichen. Man kennt das: jemand schenkt dir etwas und sofort ist der Reflex zum Zurückschenken da – eigentlich ein Schuldgefühl in mir: ich muss das jetzt ausgleichen, darf ja nichts schuldig bleiben! Es ist also diese Haltung: es könnte das Ewige Geschick die je jeweilige Überraschung sein, die Gabe des Gebers an mich. Eine ganz andere Haltung also, kein Murren, sondern eine Anfrage an ein Seyns-Mysterium, das zu durchdringen unmöglich aber „wahr“ ist. Empfangen und offenständig-sein: es ist eine „Seins-Weise“ so zu sein, kein Haben wollen oder können, eine innere Haltung „so“ zu sein. Der „Ernst“ dieser Haltung in Welt aus Zeitlichkeit geschieht im Entschied: nicht daran denken jetzt, es ist ja noch Zeit da, es braucht jetzt noch nicht entschieden zu werden. Das ist die Haltung der Flucht, die Lüge, die wir uns selbst oft und oft vorlügen um „hier“ besser über die Runden zu kommen. Lebe ich für die Ewigkeit oder für die Zeitlichkeit, lebe ich mit meinem Gott oder ist er ein Statist für meine Wünsche, wenn überhaupt? Hier muss man ehrlich sein: ja, ich kann das nicht tragen, dieses Weggerissen werden aus dem Hier; eben noch voller Leben – plötzlich die Nachricht: nur noch wenige Wochen! Wie ist einem dann? Panik? Wovor Panik – Panik vor Verlust, es wird einem hier klar: ich wollte „diese Welt“ un-endlich konsumieren, damit ist aber jetzt Schluss. Geliebt habe ich diese Welt nie, denn dann hätte ich sie von Mal zu Mal empfangen (als Mysterium) – ich habe sie aber an mich gerissen. Am Ende geht es um das Empfangen-können, ja, um die „Empfängnis“. Morgen ist dieses Hoch-Fest Unbefleckte Empfängnis und Fest meint: Vermählung von Ewigkeit mit Zeitlichkeit, von Himmel und Erde. „Ohne Erbsünde“ empfangen – die „reine“ Empfängnis, die Heilige Gottesmutter Maria war ganz rein in ihrer Hingabe zu empfangen. Sie wird zur terra immaculata, weil sie schon vom ersten Augenblick ihrer Existenz ganz „rein“ war und ist.

 

Was heißt Wirklichkeit?

 

Diese Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit ist nicht nur eine populäre philosophische (die Frage nach dem Sein), sie ist allererst eine Frage „meiner In-Frage-stellung“, wenn diese Frage nicht zur „meinen“ wird, bleibt sie äußerlich, vielleicht ganz interessant für eine Abhandlung, aber letztlich nichtssagend. Wirk-lichkeit ist doch das, was „wirkt“ – wie wenn einer nie im Leben Schmerzmittel genommen hat und jetzt schluckt er eines: das hat „Wirkung“, spürt man gleich, merkt man, da tut sich was. Dagegen gibt es Worte, die haben solche „Wirkung“ nicht: Ewigkeit, Erlöser, Unbefleckte Empfängnis, Taufe, Vergebung der Sünden, Himmel, Auferstehung von den Toten usf. Was ist Auferstehung? Was stellt man sich vor und kann man sich da etwas vor-stellen, ist das hilfreich oder ein Irrtum? Wir kennen das Wirken der sogenannten Wirklichkeit in der unmittelbaren Auswirkung und halten das für die ganze Wirklichkeit. Wenn sich dann etwas nicht „so“ zeigen kann, dann hat es für uns keine Wirklichkeit. Der Heilige Thomas wird nur überzeugt sein zu glauben, wenn er „sinnlich spüren kann, erfahren kann, er hat da ein wirksames Erlebnis“ – in der Art, wie er es gewohnt war zu erleben – wie wir alle es so gewohnt sind zu erleben. Bei der Heiligen Eucharistie werden wir mit unserer Art der Wirklichkeit hart konfrontiert: denn die Heilige Wandlung ist „so“ nicht wahrnehmbar. Wir sind alle auf den Weg nach Emmaus, der Herr ist da, aber wir sind „zu“ – jetzt ist der Herr auch da. Man fragt: wo ist er denn? – ja, wo ist er denn? Änderung der Perspektive: Es ist ein „heiliger Hinweis“, also ein „Gnaden-Erweis“, dass alle Dinge von Ewigkeit keinen „zeitlichen Anstrich“ haben; man darf darüber sehr erfreut sein wie man Freude haben sollte an einem „Hoch-Fest“.

 

Das Sterben ist ein Leicht-werden, lichter ist es, leichter – nicht mehr schwierig und schwer ist es, repariert wird es, wenn manches im Argen war. Man sollte nicht leichtsinnig über das Sterben sprechen, es betrifft uns ja alle im Innersten. Wir Sterbende gehen ins Sterben und in der Zeit besagt das: auch spürbar geht es zum Sterben. Dann, vermutlich, wird es „still“ in einem. Man ist mit sich allein, verträgt vermutlich schwer die Tröster, die doch noch kurze Zeit in der Welt bleiben – aber auch sie gehen diesen Weg. Die Stille des Sterbens könnte jetzt schon zur Überzeugung führen: die Welt, von Gott so eingerichtet, ist „vollkommen“ – es könnte in dieser Art wirklich „Ruhe-Tag“ sein, Ruhe in Frieden heißt dann: vollkommen ist die Schöpfung Gottes. Das Ruhen meint eigentlich: be-freit sein, leicht sein, los-gelöst sein vom Schweren der Anziehungskräfte. Glauben, lieben und hoffen: so zu sein hieße: frei und licht sein. Kannst du „so“ glauben, dass es bei dir Wirklichkeit ist: es ist schon erfüllt, alles, bis zur Grablegung? Der Herr sagt selbst: die „Zeit ist erfüllt“ (Mk 1,12) – im Griechischen steht „kairós“ für Zeit. Der kairós ist der geneigte Augenblick: Ewigkeit erfüllt sich jetzt in Zeitlichkeit, die übliche Zeit bleibt im kairós stehen, hat da keine Mächtigkeit mehr. Pleero (hebr. Male): voll, erfüllt – der kairós ist ganz voll von Gnade. Kannst du das glauben – obwohl es hier unten und um uns herum so schrecklich zugeht? Kannst du das glauben, obwohl auch mich und dich der Tod auffrisst? In allen sogenannten horizontalen Katastrophen: glauben, dass die „Zeit vollkommen erfüllt“ ist?

 

Der Sonntag ist der Ruhe-Tag, die Ruhe Gottes ist ausgebreitet über seine ganze Schöpfung; dann soll man nicht mehr ein Werk der eigenen Hände tun, nichts soll man arbeiten und gemeint ist nicht nur ein äußerliches Werk der Hände: man soll nicht mehr nachdenken, nachrechnen, planen, keine Pläne schmieden, nichts dergleichen „machen“ – warum? Weil man einsieht: die Schöpfung Gottes ist in sich vollendet, es braucht keine Zufügung von mir, es ist alles sehr gut. Dann aber kommt der „Spott“: nichts ist gut in dieser Welt: Krankheiten, Kriege, Umweltverschmutzung, persönliches Leid usf. Am Ruhe-Tag aber „ist“ die Zeit erfüllt; beweisen kann man das nicht, aber man kann es „glauben“ und der Glaube ist doch der stärkste Beweis.

 

Wir sollten uns hier länger aufhalten, verweilen: Ruhe-Tag, Tag des Friedens. Es ist kein Kalender-Tag, der Sonntag, sondern gesegneter Schöpfungstag, immerwährend. Überlegen wir: wenn die „Zeit erfüllt ist“, dann wäre es doch grotesk, das Eigenwerk ins Werk zu setzen, die Schöpfung irgendwie zu verbessern. Das meint jetzt nicht einen ausdrücklichen Aktionismus, sondern den ganz automatischen Reflex der Lebens-Kalkulation, des Machens nach eigenem Gutdünken. Es ist in uns selbst spürbar eine Versuchung am Werk, das eigene Leben und das, was man Wirklichkeit nennt, in die Machbarkeit und Planbarkeit zu setzen. Dass wir leben könnten ohne Gott, ihn gar nicht brauchen – das ist die Versuchung zum Super-Menschen in uns selbst. Das äußere Werk wird dann sehr wichtig, Äußerlichkeit insgesamt zur ersten Präferenz. In der größten Gefahr liegt diese Versuchung zur immer besseren Entwicklung – die Frage, wozu das alles gut sein soll, die wird nicht mehr gestellt, die stört auch sehr, diese Frage wird in einem selbst umgebracht. Wir stehen in der Versuchung des Rausches des Immer-Neuen, des Immer-weiter so: besser, schneller, komfortabler, entspannender, erholsamer – ein Rausch ohne Ende; die Aussicht, dass die Entwicklung immer weitergeht. Dass die „Zeit aber erfüllt“ ist, das sieht man in diesem Dauerrausch nicht mehr: es muss immer etwas „los“ sein, muss sich etwas tun – sonst wäre es sehr langweilig und vielleicht ist das auch ein Grund, warum unsere Friedhöfe gemieden werden: dort ist es eben „sehr langweilig“, da tut sich nichts – requiescat in pace.

 

Wenn aber die Zeit erfüllt ist, dann hat der Zugriff der Zeitlichkeit keine Potenz. Man nennt das die Relativierung der Zeitlichkeit und ein anderes Wort für Relativierung wäre „Bescheidenheit“. Wir gehen auf den 3. Sonntag im Advent zu. Es ist der Gaudete-Sonntag, Tag der „Freude“, der Freude darüber, dass der Erlöser „da“ ist, ankommt, kommen will, die Freude eben darüber, dass die Zeit erfüllt ist. Der Super-Mensch wird sich zwar noch gebärden, vielleicht noch sehr fürchterlich, aber er hat keine Substanz: der Anti-Christ ist in sich nicht lebensfähig, er benötigt die Schöpfung, auf die er sich stürzen kann – eine gewisse Zeit lang. Dass der Anti-Christ bereits besiegt ist, daran gibt es keinen Zweifel.

 

Es ist das Mysterium am späten Freitag der Kreuzigung. Zugleich hier der Super-Mensch: wie ein Super-Computer, der alles zu erfüllen scheint, was sich Menschen-Hirn und Menschen Gefühl ausdenkt. Es tickt in dieser Haltung nach un-endlicher Entwicklung, nach Marxismus: heute dies und morgen dies und übermorgen dies; Hauptsache: es ist etwas zu tun, zu machen, Fortschritt – nur tun, ja nicht „ruhen“. Der „Ruhe-Tag“ ist dann weit, weit fort. Im Fortriss von Gott am späten Karfreitag in unserem Leben liegt der Rausch zur un-endlichen horizontalen Entwicklung (ohne Ende). Dass die „Zeit schon erfüllt sei“ – daran kann man im Rausch des besinnungslosen Immer-weiter-gehens nicht mehr denken. Am Karfreitag „stirbt der Herr“: der Tod des Herrn tötet aber diesen Tod! Das kann man schwer begreifen, ist auch am Ende ein großes Mysterium. Der Herr geht ganz „frei“ in diesen Tod, kein Zwang da. „Liebe“ ist stark wie der Tod es ist – die Liebe vermag diese losgerissene besinnungslose Entwicklung zu durchbrechen. Wie: durch den Tod – d.h. durch die Annahme, dass alles in Gott „erfüllt ist“, dass die Zeit erfüllt ist (Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist).

 

Wir „gehen dann vielleicht nachhause und haben die Ruhe“ – eben weil die Welt „vollkommen“ ist, es erfüllt ist. Der Mensch ist der „Sterbliche“ deshalb auch, weil es Gott sehr gut meint mit uns – ER unsere Tage hier „verkürzt“, damit wir nicht Super-Computer werden könnten, das wird unterbrochen, das wird beschnitten: wir gehen zum Grunde, damit wir nicht am Super-Menschen zugrunde gehen. Unausdenkbar grausam wäre eine horizontale Un-Endlichkeit, ein Immer-weiter-so und ohne-Ende. Gerade der Traum des Super-Menschen (Anti-Christ) wird beschnitten. Das ist die große Ernüchterung am Freitagnachmittag, da die Gefahr am größten ist, Super-Mensch bleiben zu wollen, ohne freilich es werden zu können. Die ganz andere Haltung zum kalten Berechnen ist das „blinde Glauben vermögen“; man legt ab das Planen und Analysieren, das Machen und Konstruieren: man vertraut und das alleine ist der „Sieg der Liebe“.

 

Wenn einer „ernst“ damit mach, dass die „Zeit erfüllt ist“, dann ist es Schluss mit dem Immer-so-weiter-und-immer-fort. Die Lüge der letzteren innerweltlichen Haltung wird offenbar, ihr Betrug und ihre tödliche Machenschaft. Nachhause gehen: in den Ruhe-Tag gehen, zusehen, wie alles „erfüllt ist“ – man sieht es kaum kann es auch nicht begreifen oder analysieren oder in ein paar Sätzen darlegen, es gibt kein Programm dazu und kein Manifest: aber es ist eine tiefe innere Stimmung und Überzeugung: ja, es ist „alles erfüllt von meinem Herrn und Gott“. Wenn ein „Kind stirbt“, dann ist Gottes-Nacht. Das „Kind“ stirbt auch in mir, wenn ich nicht mehr vertrauen kann, wenn ich das „Seyn nicht sein lassen kann“; wenn ich „so“ bin, über-lege ich permanent und so fühle ich mich auch als der Über-legene, das ist der, der immerzu nachdenkt, plant, Pläne hat, die Welt verbessert, Programme entwirft. Der so Besessene hat alles Kind-sein in sich umgebracht – er ist „zu gescheit“ und hält sich auch für gescheit. Dieses Gescheit-sein fühlt sich potent, fühlt in sich ein Können zum Machbaren. Die kalte Arroganz des Machbaren – The Great Reset – heißt das heute, zeigt dieses Gruselkabinett der kalten logifizierten Planbarkeit: ein Leben ohne Gott. Der Gegenimpuls zum Super-Menschen ist die Bescheidenheit: das Annehmen der Fülle der Zeit (kairós). Dann geht man still nachhause: es meint: still wird man in der Seele, man bemerkt: ich muss nicht fortgehen (leisten, berechnen, kalkulieren) – es genügt: zu warten; wie Joseph aus Arimathäa wartet auf das Reich Gottes. Dieses „Warten können“ ist für die fortschreitende Welt ein ungeheurer Anstoß: man kann und will nicht warten und still sein, denn wir müssen Aktionisten sein. Es so „seyn zu lassen wie es ist“ – das scheint ganz schwierig für uns zu sein. Und doch liegt gerade in diesem Seyn-lassen das ganze Mysterium dessen, was wir heute an „Mariä Empfängnis“ er-Innern: mir geschehe – die erfüllte Zeit, von der der Herr spricht, sie „darf in mir da seyn“. Diese „heitere Gelassenheit“ (heiter ist das, was „gelichtet“ ist) darf anwesen.

 

Es heißt: diese riesigen Hindernisse an der Grenze zum „Gelobten Land“ könne nur das „Kind-sein“ in uns umbringen – diese „Riesen“, die ständig einflüstern: dies könne kommen, hier müsse man Vorsorge treffen und Vorräte anlegen, diese Gesundheitsvorsorge sei zu treffen, diese Impfungen müsse man haben und diese Lebensmittelvorräte müsse man anlegen usf. Man könnte es zulassen: dass das Ewige Kind-sein in einem „lebendig wird“ – Krippe und Kreuz, Stall in Bethlehem. Nicht zulassen, dass Gedanken und Materielles uns belagern, klein reden und niedermachen. Das Kind-sein bringt die Freiheit, das Kind in uns nimmt die Nahrung, wie sie ihm gegeben wird – es langt zu in voller Gebärde. Das Kind empfängt „gerne“, es weiß in seinem Nicht-Wissen: das Empfangen kann nur „gut“ sein. Am 6. Schöpfungstag spricht Gott: es ist alles „sehr gut“ – es meint: hier, in der Zeitlichkeit ist alles schon sehr gut – nur ich kann es in meiner Kurzsichtigkeit nicht sehen, weil mir die Ein-Sicht fehlt.

 

Ich bin „vollkommen geschaffen“: wer könnte das sehen oder glauben? Alles Geschöpf steht in dieser Vollkommenheit. Es wurde schon darauf hingewiesen: Vollendung, Erfüllung, Vollkommenheit – im hebr. Kalah ist das Aufhören, das Vernichten mitgemeint. In der Frühen Neuzeit kannte man in der Metaphysik noch die causa finalis, das telós. Anders: Vollkommenheit duldet kein „Machen“, also kein Machertum; Vollkommenheit verlangt das Aufhören und zwar speculativ: hinauf-zuhören meinem Gott und aufhören mit meiner eigenen überlegten Planung für das Leben. Man könnte darüber sehr froh werden: ich muss nicht mehr Recht haben z.B., wenn ein Anderer auf seinem Recht beharrt, gut, es ist nicht meine Sache, Gott wird es schon richten (reparieren) – auch mich wird er reparieren, das vermag er, weil er Gott ist. Bedenke einmal: wieviel Zeit verschwenden wir mit Animositäten, wir fühlen uns beleidigt, gekränkt – wir schlagen zurück. Wieviel Zeit geht hier sinnlos verloren? Zorn, Eifersucht, Rechthaberei, Aggression, Habgier, Missmut, Depression, usf. Man wird beschuldigt – zur Recht oder nicht – und schon läuft die Schleife der Vergeltung. Sinnlose Zeit – können wir dagegen dem Angreifer alles Gute „gönnen und wünschen“? Dann wäre Schluss mit der Vergeltung, die Spirale der Gewalt wäre schlagartig ausgesetzt. Irgendwann (schon sehr früh, geplant auch von den Eltern) im Leben setzt bei jedem so ein „Lebens-Plan“ ein, eine Planung wie es sein sollte und wie es gelingen könnte. Man hält das für ganz normal, zur Norm gehörend und verfolgt mehr oder weniger, gelingend oder weniger gelingend diese „Pläne“. Dann, plötzlich, durch Umstände, sagt man, werden diese Pläne durch-kreuzt.

 

Es geht dann nicht mehr so wie man es sich doch ausgedacht hat: Grenzen zeigen sich, Krankheit, Alter, Kriege vielleicht, Unvorhergesehenes usf. Dann hadert man, wird depressiv, verzweifelt in der Regel. Doch: von Ewigkeit her ist hier eine „Grenze“ gezogen – so wie du bisher gelebt hast, so geht es nicht mehr, daher kommen jetzt diese Grenzen auf dich zu. Im Moment kannst du das nicht verstehen und rebellierst, nachher aber wirst du verstehen: es ist alles ein Werk meiner Barmherzigkeit dir gegenüber! Ich, dein Gott, habe dir eine Grenze gezogen – sonst wärest du verloren gewesen in deinem Übermaß am Immer-weiter-so und ohne Ende. Du hast die Wahl, kannst jetzt entscheiden und wählen: Gelassenheit oder Aufregung! Dass das Ewige in deiner Zeitlichkeit „da“ ist. Sehen und erklären kannst du es nicht, aber „glauben“, dein Kind-sein sieht das – hast du den Mut zum Kind-sein in dir? Das Kind (der Erlöser) besiegt die Riesen, die uns hindern am Zutritt zum Gelobten Land: dort, heißt es, gibt es weder Krankheit noch Tod, da ist keine Eifersucht und keine Aggression. Aber das stimmt doch „hier“ nicht, im Gegenteil. Ja, das sind eben diese Bedenken, die Andrängungen im Zeitlichen, heute heißen sie auch „Experten“ – bei jedem Quatsch werden Experten zitiert, herbeigerufen und was die dann sagen, das „gilt“. Alles sogenannte „Riesen“, die uns hindern, „frei“ zu sein, „Kind“ zu sein.

 

Wenn heute wer stirbt, sagt man: der ist gestorben, tot – dann das Grab, aus. Jetzt verfault die Leiche oder ist kremiert – aus. Aber: das „Grab ist leer“ – nein, sagt man. Man buddelt das Grab frei und siehe: da, das Skelett! Das Grab ist eben nicht leer, wir haben es doch gewusst! Nein, er lebt jetzt in Ewigkeit, obwohl wir das Skelett hier sehen, das tut der Ewigkeit, kann man sagen, keinen Abbruch. Glaube, Hoffnung und Liebe sehen durch das Skelett hindurch, sie sehen es und sehen es zugleich nicht: das ist Auferstehung von den Toten. Dem Glauben kann man keine Grenze ziehen, er durchbricht geradezu die Begrenzungen im Zeitlichen, durchbricht auch unsere dumme Beschränktheit, unsere kleingläubige Sinnlichkeit. Das Physische ist zwar auch da, das Verfaulende, Vergehende, es hat aber keinen Allzugriff mehr. Sehe ich nur Verfaulendes oder Skelett: da bin dann hart-näckig, mein Nacken ist hart (steif); unbeweglich existiere ich, orientiere mich nur nach dem Sinnlichen oder nach meiner Vorstellung.

 

Advent ist Zeit der Umkehr: jetzt blicke ich „anders“, bisher war ich auf Irrwegen, jetzt „sehe“ ich das Licht – ich bin weiter auf Irrwegen, sicher, aber dieses „Ewige Licht“ ist jetzt da und es leuchtet in der Finsternis der Welt und auch in meiner Finsternis. Heilige Maria Magdalena, bitte du für uns, denn du bist uns am Nächsten, verstehst schon, bleibst „still“ in aller Bedrängnis des Alltags. Die Versuchung zum „Tun müssen“ und zum „Sollen“ ist sehr groß; am Kreuz wird der Erlöser angeschrien: tu jetzt etwas! In der Wüste wird der Erlöser verzweifelt vom Teufel selsbt angeschrien: tu jetzt etwas! Bevor der Priester den Heiligen Tempel betritt, spricht er: Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn! Der Priester bekundet den „Namen Jesus“ (Jeschua). Dieses „ist“ wird immerzu überhört und überlesen und doch spricht es wesentlich vom „Seyn der Rettung“: die Rettung, die Hilfe, die Erlösung: es „ist im Seyn da“ – mach´ dir also keine Gedanken darüber, wie, warum und woher: sei ein Kind und nimm diese präsente Hilfe in Anspruch. Die Nacht der Weihe, die Weih-Nacht, sie ist wirklich die „Heilige Nacht“ – und das Heilige ist das Heile, das Ganze, das Umfassende, das Ewige.

 

Der Herr ist in der Heiligen Nacht zugleich der Heiland, der, der wahrhaft „heilt, ganz macht, zurückbringt, birgt“. Heilung meint jetzt: wirklich gesund werden, frei werden für die Ewigkeit: ein „Glaubender sein“. Es gibt keine Heilung im Horizontalen, das ist immer wieder ein Betrug. Kein Arzt der Welt kann heilen, er kann körperliche Symptome eine Zeit lang lindern, wegmachen – aber Heilung? Der Geheilte „sieht“ nun das Ganze und was ihm bisher als Alles vorkam, ist nur eine sehr beschränkte, vergängliche Spur. Den Jüngern werden die „Augen geöffnet“ – nicht sie selbst öffnen sich die Augen, das geschieht, während er das „Brot bricht“. Darüber möchte man still werden: was heißt, ER bricht das Brot? Welches Brot, was ist Brot – was heißt Brechen als „Bruch“? Es gibt auch den Ehe-Bruch, man will miteinander nichts mehr zu tun haben, geht sich aus dem Weg. Ich breche mit meiner Vergangenheit, das ist auch ein „Bruch“ – ich sehe jetzt anders, mein Leben hat einen neuen Sinn. „Brot brechen“: während der Feier der Heiligen Eucharistie wird die Heilige Hostie „gebrochen“ – was heißt das? Heilige Wandlung: das Brot gewandelt in den lebendigen Leib des Herrn. Habe ich in mir diesen lebendigen Glauben – dass das jetzt geschieht? Und es ist der Leib des Auferstandenen, der den Tod auf immer besiegt hat. Ich „esse“ diesen Leib, in mir ist er jetzt – bin ich auch ein Gewandelter? Glaube ich das? Das Brechen des Brotes meint auch: ganz Neues ist jetzt da, ganz Unerwartetes – eine Neuschöpfung!

 

Leib Christi: gebrochen in unsere, in meine Zeit hinein; in Stücke nur aufzunehmen, in Fragmenten der Zeit. Den ganzen Leib könnte ich nicht aufnehmen. Das Stückchen Hostie aber, gebrochen für mich, damit ich es trüge. So könnte doch das Fragmentarische von dort her geheiligt sein im Brechen als „Durch-Bruch“: geheiligtes Fragment. Heilige Wandlung sagt auch noch anderes: der Auferstandene „wandelt“ mitten unter uns und wir erkennen ihn nicht. Er ist „da“, aber wir sprechen nicht mit ihm, lassen ihn links liegen, haben Wichtigeres zu tun. Die Freude darüber, dass in einer horizontalen Existenz der Herr am Brot-brechen zum Auferstandenen wird, ist den Emmaus-Jüngern, jenen also, die nach der Wahrheit suchen (emeth), nicht mehr zu nehmen. Noch in der „Nacht“ kehren sie zurück: besser: aus „ihrer Nacht“ kehren sie um. Man kann aus einem Natur-Gesetz bekanntlich nicht ausbrechen: Fall-Gesetz bleibt Fall-Gesetz. So bleibt auch der Zeit-strom Zeit-strom. So ist auch der eindimensionale Mensch per Gesetz eindimensional. Dass sich eine Existenz „grundlegend“ ändert, ist von daher fast ausgeschlossen. Es sei denn, es wäre da eine „Heilige Irritation“ im Spiel und so war der Priester von jeher ein „Unruhe-Stifter“, der uns Sterblichen verkündet: seid ja nicht zufrieden mit dem Erreichten, täuscht euch nicht – wer die Ewigkeit nicht hat, hat nichts! Erst im Rückblick, im Umwenden also, erkennt man die Spuren Gottes in der eigenen Existenz, seine Handschrift und seine Unterschrift. Man sieht ein: ER ist da – er heilt schon, er rettet schon (Jeschua). Erst als sich Maria aus Migdal „umwandte“ (metanoia) „sah“ sie den Herrn. Das Umwenden (Rückblick) bedeutet: das Brot „ist“ gebrochen, der Durchbruch ist „da“.

 

Vielleicht, dass dann die Ereignisse im Leben sehr bedeutsam werden, ein Geheimnis bergen, das ich bisher vernachlässigt habe. Und jedes Geheimnis ist doch in sich ein „Wunder“. Umkehr heißt „Änderung“ im Leben. Kausal und per Gesetz ist das ausgeschlossen. Etwas nicht mehr erreichen wollen, weil es im Herrn schon gut und erlöst ist: das meint Gelassenheit. Man kann es schwer begreifen: Allein die „Anwesenheit des Heiligen“ reicht aus, reicht zu, hält alles aus und heilt. „Einfach da sein“: es meint nicht kompliziert da sein und meint zugleich absichtslos da sein, denn: unsere Hilfe ist im Namen des Herrn!

 

Am Ende (Tod) also die Auferstehung von den Toten: neues Leben. Umkehr ist eigentlich nicht zu erklären, sie ist ein reines Geschenk (Gnade also).

 

„Einfach da sein“ ist absichtslos da-sein; man spürt schon, was Verklärung eigentlich meint: es wird „klar“ (rein) in einem, die Sicht auf den gründenden Grund wird frei.

 

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(LX)

 

 Λήθη XXI    Erlösung XXIX  (Pfingsten 2022)

 

 

Gebundene Zeit VIII   (2. Advent  2022)

 

 

Versuchung III:  Krippe und Kreuz 1

 

 

„Gebundene Zeit“: die Bindung der Zeit ist ihre Relativierung, das Versucht-sein in und durch die Zeit gebunden zu sein, wird aufgehoben. Zeit „binden“, das scheint unmöglich, denn wir erfahren, dass die Zeitlichkeit uns bindet, sie hat uns im Griff und nicht wir sie. Entsprechend der Aufbruch der ontologischen Differenz, die Schließung dieses Zirkels wird geöffnet. Die Fixierungen (Festlegungen), merkt man in der Rückschau, waren tödlich. Gebunden wird damit der horizontale Absolutheitsanspruch, der sich immer wieder vor-drängt; es sind dann die Dinge des Lebens, die, scheint es, „alles“ versprechen und so gerät man in ihren Bann. Anhänglichkeit an Güter, Ideen, Vorstellungen, Einbildungen – alles kann fixiert und absolut gesetzt werden. Ist es so, dann „bindet“ dich die Zeit und nicht du bist Herr der Zeit, Herr über die Zeit. Vor dem Tod kapituliert man rasch, sieht: es ist sinnlos, man geht aus dieser Welt, jeder, Ende und aus. Das ist auch so eine gängige Fixierung, so eine depressive Festlegung. Im letzten Zyklus „Maria Magdalena“ war die Rede von der durchgängigen Fraglosigkeit unserer Zeit – ein markantes Kennzeichen. Man frägt nicht mehr „wirklich“; man hat schon Fragen, sehr viele sogar, betreffend: Innerweltliches oder Esoterisches, irgendein Geschwafel über Außerirdische usf. Im heutigen Evangelium nach Matthäus (Matt 24, 29) spricht der Herr von der „Großen Drangsal“: die Sonne verfinstert sich, der Mond scheint nicht mehr, die Sterne fallen vom Himmel. „Große Drangsal“: dieser Drang ist ein Drängen bis zum Äußersten, das harte (herzlose) Gedränge; in einer Welt ohne Gottes-Sinn ist dieses veräußerte Drängen reine Realität. Es gibt da kein Nachfragen mehr, sondern was es gibt ist: dieses harte Anstoßen der Existenzen aneinander, das Kollidieren der Satelliten-Existenzen und alles in heller Aufregung. Nicht vor 2000 Jahren hat der Herr zu seinen Jüngern gesprochen und nun wartet man, dass die Sterne vom Himmel fallen, Natur-Spektakel. Nein, eine ganze Welt geht unter, dann ist der Herr da in seiner Herrlichkeit: heute noch kann es sein; man ist ein anderer, hat andere Maßstäbe, ewige – woher, wie und warum? Sagen kann man das nicht und sich erklären wäre eine Zumutung. Im Großen Gedränge der Äußerlichkeiten sind keine wirklichen Fragen mehr, Fragen, die eine eigene fixierte Welt erbeben lassen; die Atmosphäre ist durch und durch „lau“ – es ist dann sehr „egal“ was und wie es kommt, die Dinge „sprechen“ nicht mehr, die Wörter bleiben äußerliche Wort-Dinge, mehr nicht. Was sagen uns noch Heilige Worte? Große Drangsal ist also der Aufruhr der Seelen zum fixierten Glück im gemachten Je jetzt (hier und jetzt und sofort soll es sein). Und man spürt doch den „Zwang“, der im Drängen zum Äußersten am Werk ist. Man tut mit, weil alle es tun, man lässt sich impfen, weil alle es tun und wenn wer dagegen ist, der ist ein Spielverderber. Große Drangsal also in der Machbarkeit des horizontalen Glücks. Der Film „Titanic“ gibt ein Sinnbild der „Großen Drangsal“: beim Sinken des Schiffes ist alles an Bord in heller Aufregung, jeder will die „eigene Haut retten“, koste es was es wolle. Reine Panik also – und heute ist es nicht anders: Panik ist am Werk, „stille Panik“, kann man sagen. Es schreit niemand laut, alles, scheint es, hat doch seine Ordnung, geregeltes Leben, geregelte Gesellschaft, Sozialstaat, gutes Einkommen. Die „stille Panik“ ist noch viel schlimmer dran als die laute (Titanic). Sie schiebt den Schein von Sinn und Glück „hier“ voran. „Rette sich wer kann“ – so schreit es heute und jetzt. Aber was retten, die eigene Haut? Gut, aber was ist in 60 Jahren? Irgendwann ist Schluss mit der eigenen Haut – was dann? Die stille Panik hängt an der Machbarkeit des irdischen Glücks, man erhofft es insgeheim: die irdische Vollendung; von Ewigkeit und Himmel will man nichts wissen. Einzig der Kapitän und die paar Musikanten, sie bleiben „still“ in der großen Aufregung im Untergang. War er pflichtbewusst, der Kapitän oder hat er immer schon horizontal relativ gelebt, war er dem Tod begegnet, längst bevor der an seine Tür klopft? War er gelassen oder starr vor Entsetzen? Wer weiß das schon? Und was geht das mich jetzt und hier in meinem Existieren an? Hat er gebetet, ein Formelgebet?

 

Er verlässt die Welt, ich auch und du auch; nicht irgendwann wird das sein (das auch), jetzt verlasse ich die Welt. Es ist eine Grund-Haltung, die Welt zu verlassen, „alles, Himmel und Erde vergehen (geht weg) – aber meine Worte vergehen nicht“, so der Herr im Evangelium. Heiliges Wort vergeht nicht. Bin ich bereit, die Welt zu verlassen? Nicht in einer Depression oder Überdrüssigkeit, sondern in der Art, dass ich weiß: es ist „Ewiges Leben“ der Sinn, bei Gott, dem Vater der Lichter. Dorthin gehen wir doch, glaube ich das, wünsche ich das, ist es mir ernst damit? Wir verlassen doch diese zeitliche Welt, tagtäglich verlassen wir sie, lassen zurück und so könnten wir doch schon von hier her die „Gelassenen“ sein – keine Panik also. Die Versuchung in der stillen Panik die eigene Haut noch zu retten, wenigstens für ein paar Jahre noch, ist sehr groß und in den leeren Gesichtern liest man diese Angst und Panik, es könnte sich „hier“ nicht mehr ausgehen. Dann hört man oft: todkrank, nur mehr einige Wochen, Monate. Seelen in solcher (wie man meint aussichtslosen Lage) werden dann heroisch „hart“; sie organisieren noch bis zum letzten Atemzug ihr irdisches Dasein, freilich auch das Begräbnis. Es ist dann ein bewusstloser Dauerrausch bis zum Ende: nur nicht sich bewusst werden, dass man ganz falsch gelebt hat, ohne Gott, ohne Sinn, in reiner, stiller Verzweiflung. Schön redet man es sich dann ein: ich habe das Leben genossen, ich habe ja viel erlebt, jeder muss doch einmal gehen! Ich glaube, die Seelen spüren das schon, dass da irgendetwas nicht stimmt, dass man sich da selbst belügt und betrogen hat; zugeben wird man das nicht, dafür ist man zu stolz.

„Erlösung“ ist dieser Zyklus überschrieben und es meint auch das Sich-lösen vom Absolut-setzten der Zeitlichkeit, das Weggehen aus dieser Welt „vermögen“, nicht weil ich nicht mehr leben will, im Gegenteil, sondern weil Ewigkeit herrscht, nicht Zeitlichkeit. Schwer zu begreifen, noch schwerer: zu „glauben“. Große Drangsal: Gedränge im Tempo, in der Eile, in der Ungeduld, im Zwang – alles in allem im Unglauben, hin und her gestoßen von Zeitlichkeit, gezwungen immerzu etwas zu „machen“.  Und dabei sieht man nicht mehr: Ewigkeit ist doch da, wozu also die Eile, dieses Tempo? Wie ernst ist es mit Ewigkeit hier? Man bekommt mit: der oder die, sie gehen jetzt, sterben; aus! Aber es stimmt nicht, der Körper geht, ver-west, ist ver-wesen-tlich. Im Wort Verwesung liegt ja schon das „Wesen“, das bleibt und nicht vergeht und also an-west. In der Heiligen Eucharistie „essen wir den lebendigen Gott“, diese Heilige Hostie, dann ist sie weg – ist der Ewige auch weg? Wenn ich also in der Zeitlichkeit die Ewigkeit nicht mehr ernst nehme, beleidige ich Gott, ich vergieße sein Blut zur Erde hin; dann tragen die Dinge kein ewiges Geheimnis mehr an sich, man schlägt sich im Profanen die Köpfe ein. Mitten im Brot, in alle Zeitlichkeit hinein, wird der Retter geboren (ist) er geboren. Von dorther ist das Licht, jenes, das die Dunkelheit der Zeit nicht erfasst. Man möchte darüber froh sein und danken dafür. „Wachen und beten“: Wach sein heißt eigentlich: ich gebe dem Zustand der Formwerdungen nicht nach – die Formen sind da, man wird reich beschenkt, aber man setzt sie nicht mehr absolut: das heißt es, wach zu sein. Und das Wachsein: wie oft gelingt es nicht, irgendwann wird man auch schwächer, vielleicht schwer krank.

 

Wachen und beten hat auch den tiefen Sinn: ich kann nur treu sein, wenn ich bereit bin „von hier wegzugehen“ (nicht in einer Depression oder Hoffnungslosigkeit), nein, ganz im Wachen, in der Freude des Lebens bereit sein, in die Ewigkeit zu gehen. Das muss bei klarem Bewusstsein entschieden werden und soll nicht aufgeschoben werden. Bin ich „jetzt schon“ bereit, diese Konsequenz im Herzen zu ziehen: bereit also aus dieser Welt in die Ewigkeit zu gehen, heute noch? Ist es mir ernst damit, habe ich dieses Vertrauen zu Gott, dass er es schon gut meint? Oder geht es mir wie Petrus: ja, Herr, ich bin bereit für dich zu sterben und im nächsten Augenblick verleugne ich, will nicht gehen, weil ich wenigstens noch ein paar Jahre hierbleiben will? Geht es uns nicht allen so? Kann ich auf Ewigkeit setzten, auf Ewigkeit vertrauen, Ewigkeit als permanente Gegenwart in Gott? Oder wird mir diese Anfrage gar nicht mehr bewusst, bin ich so „zu“ und mit irdischen Dingen beschäftigt, dass diese Frage nach Ewigkeit eine Frage unter anderen, aber nicht mehr „die“ Hauptfrage ist? In der Ewigkeit ist nichts verloren, was war, ist präsent, was kommen wird, ist präsent und was „ist“ ist präsent. Vorstellen kann man sich das nicht, aber wissen kann man das im Licht der Liebe. Was sagt uns noch das Wort „Ewigkeit“? Und was heißt dann „Freude“ – denn das Wort Freude ist eins mit dem Wort Friede, wenn ich keinen ewigen Frieden in mir habe, dann habe ich auch keine wahre Freude. Ich habe vielleicht irdische, vergängliche Lust, die wieder vergeht, aber nicht bleibt. Es ist hier die Zuspitzung von Heil und Unheil und man müsste das „Wort der Abschiedsreden“ des Herrn (Johannes) betrachten. Von Ewigkeit (aion) wird beim Heiligen Johannes 16 Mal gesprochen und in der Heiligen Offenbarung 26 Mal. Was ist „ewig“? Im Hebräischen (olam) meint es: verbergen, verborgen, verhüllen – sich entziehen. Der Ewige Gott ist der verborgene Gott, der sich „entzieht“. Das Entziehen meint aber nicht ein Verschwinden und unsichtbar bleiben oder ein Weglaufen, im Gegenteil. Ewigkeit meint Gebirg der Geborgenheit, das „Bergen“ in der Liebe Gottes; zugänglich für uns im entbrannten Herz (die Jünger nach Emmaus). Der, der am Herzen Jesu ruht, der Heilige Johannes, bei ihm spricht es durch und durch von Ewigkeit – das ist kein Zufall. Er „sieht“ den Herrn, weil er mit dem Herzen sieht und so hat er Ein-Sicht in das Gebirg Gottes, in die Verborgenheit Gottes. Das Griechische aion meint immer-während, an-währen. Judas nimmt von dem Bissen Brot und geht „sofort“ hinaus. Es war aber Nacht; so bei Johannes. Welt-Nacht der Veräußerung. Wir tappen in der Nacht der Veräußerung, des Verkaufs. Hierauf folgen die Abschiedsreden. Jesus spricht dann, dass er zum Ewigen Vater geht, aber sie, die Jünger, sie können es nicht fassen. Die Frage nach Ewigkeit ist „zu ernst“, denn der Herr geht in die Ewigkeit und gleich sagen wir: Herr, ich auch, ich folge dir und auf das Lippenbekenntnis folgt prompt der Verrat des Petrus. Dann sagt der Herr: ich gehe fort und ich komme wieder. Aber wir verstehen das nicht, können es nicht glauben. Was heißt das denn, dass der Herr geht und wieder kommt? Ich muss auch gehen, weggehen von hier und ich komme auch wieder: Auferstehung! Am Ende der Abschiedsreden „betet der Herr für uns“, die Verstockten, die nicht verstehen können oder wollen. Damit sie „meine Freude in Fülle haben“ – so bei Johannes. Ewigkeit heißt: „Freude in Fülle haben“ – nicht nur Spaß oder Freude in den paar Jahren des irdischen Existierens, darum wird es nicht gehen – viel Größeres steht auf dem Spiel: Ewigkeit. Von der „Freude als dem Frieden“ war oben schon die Rede. Judas geht in die Nacht; wenn wir nicht in ihm sind und bleiben, dann gehen wir in der „Nacht“ und verlieren uns in der Nacht; vielleicht auch Verzweiflung.

 

Und es ist ja auch die Weih-Nacht eine Nacht, die „Heilige Nacht“. Da ist einmal die Nacht des Verrates, in der es immer dunkler wird bis es abschnappt und die Helle Nacht der Weihe, die Weih-Nacht: Menschwerdung Gottes. Nein, nicht nur damals vor mehr als 2000 Jahren; immerzu ist „Weih-Nacht“, Ankunft in mir – wenn ich es will. Das Heilige Kind ist „immerzu“ da geboren, das Wunder, das Fest: es ist heute und jetzt „Weihnacht“. Wenn ich 80 Jahre werde, habe ich 80 x Weihnachten gefeiert, vielleicht immer nur nach Kalender und ganz veräußert, gefeiert in der Nacht meines Verrates. 80 x in der Wiederholung, warum immer jährlich? Nein, von Ewigkeit her ist es immerwährend Heilige-Nacht, nicht nach Kalender und Zeit. Wenn ich die Heilige Nacht in mir nicht zulasse, bleibt alles sinnlos, ist veräußert, verkauft, verraten; bleibt Event. 1000 Mal zu Bethlehem geboren und nicht in mir, ich bliebe ewiglich verloren (A. Silesius). Man könnte hier sagen: in mir geboren „vor aller Zeit“. Da wird Christus in mir geboren, wenn der Fluss der Zeit über-setzt wird, das Hinüber setzen: es meint: in der Zeitlichkeit mich befindend hat die Zeitlichkeit keinen Zugriff auf meine Seele. Dann lebt man eigentlich gesehen im „Heiligen Land“, nicht irgendwo ein Israel, nein Heiliges Land ist „Heiler Boden“, „Heile Erde“ – terra immaculata. Man merkt hoffentlich hier schon, dass das ganz entscheidende Weichenstellungen des Existierens sind, davon Heil und Unheil abhängen. Die Nacht der Finsternis und die Heilige Nacht, Verrat und Heil begegnen hier aufs Engste. Der Herr sagt: ich gehe fort und ich komme wieder. Wohin geht er, er stirbt am Kreuz, ist weg, sagt: ich gehe zum Vater, aber ich komme wieder. Wo ist er jetzt – weg? Priester sagen: in der Heiligen Hostie ist der Herr „ganz da“. Ja, das ist etwas für Gläubige, aber als Realist? Und es tut sich nichts hier, ich bete, alles bleibt gleich oder wird schlimmer – wo also, bist du, Herr, Auferstandener? Man versteht es nicht, es ist ein Mysterium – denn für uns ist „tot tot“, weg, es war einmal. Und hier merkt man schon, wie stumpfsinnig wir sind. Die Heilige Katharina von Genua sagt einmal, dass der Verstorbene „viel präsenter hier anwesend sei“ als ich hier als (sogenannter) Lebender, eine Präsenz, die eben sinnlich nicht erfahrbar, aber sehr glaub-würdig ist. Würdig des Glaubens: wenn es diese Würde des „Glaubens“ nicht gäbe, ja dann wäre wirklich alles sinnlos – dann hat man 80 ruhige und gute Jahre erlebt und schnappt weg. Verraten an Äußerlichkeit, an Augenschein, verkauft an den Windhauch: ach, ich habe mein Leben lang nach „Windhauch“ gelebt, dann wird man sentimental, will noch schnell ein Testament einrichten, irgendetwas hinterlassen – aber das ist auch Betrug, wieder Windhauch, keiner weiß mehr in 200 Jahren wer ich hier war, keinen juckt das. „Ewig leben“: damit tut man sich wirklich schwer, denn in mir ist immerzu der Zug zur Schwerfälligkeit der Erde, das Erdhafte hier und jetzt, für den Moment leben, jetzt genießen, oder man wird Stoiker und lebt dann in Wolken jenseits der Weltlichkeiten. Beides ist eine Fluchtbewegung weg von Ewigkeit. Dass Ewigkeit Zeitlichkeit erst „heiligt“ (segnet), damit kann man schwer umgehen. Man ist gewohnt von Kindheit an nur „horizontal“ zu leben, ganz nach dem Äußerlichen, man hat gelernt veräußert, verraten, verkauft zu leben. Nicht nur der Judas von damals war also ein Verräter, der auch, aber in mir sitzt dieser Verrat ganz tief, es ist auch immer dieser Verrat ein Verrat aus „Ungeduld“: hier und jetzt müsste Erlösung sein, spürbar, greifbar, konsumierbar. 40 Jahre in der Dunkelheit hocken wie die Heilige Theresa von Kalkutta – nichts für mich, so eine Trockenheit der Wüste. Es sind wichtige, entscheidende Fragen und wir sollten sie jeder für sich stellen: diese Fragen nach Ewigkeit und Heiliger Nacht, nach Verrat und horizontalem Absolutismus. Also die Frage nach dem Weg-gehen hier von dieser Welt; es wird „bitter“ verdrängt, das heißt: immer, wenn es stirbt, ist es zunächst „bitter“. Warum eigentlich? Wir haben vielleicht kein Grund-Vertrauen zu nichts zu werden und doch zu „sein“. Hier aufhören und doch „sein“? Das ist Auferstehung – der Herr selbst geht uns voran. Wir alle werden in der Zeit einmal vergessen sein; wer weiß noch vom Leben seiner Ahnen von vor 300 Jahren – doch niemand mehr; alles weg und vergessen, wie Nichts. Von uns, die wir jetzt noch hier sind, dann ebenso: vergessen. Ist das alles? Und doch sind wir dennoch, trotzdem „ewig“ da. Ewigkeit ist ein Ruhen: es heißt ja: Ruhe in Frieden! Eine Ewige Ruhe – wünscht man sich das nicht, sehnt man sich danach – nicht nach den kalten Gräbern, aber nach Himmel und Ewigkeit? Diese Ruhe kennt doch keine Aufregung mehr, auch keine Aggression, nichts dergleichen ist da. Goethe dichtet einmal: über allen Wipfeln ist Ruh´- das meint diesen Frieden. Depressiv sein, aufgeregt sein, missmutig sein, aggressiv sein, neidig sein – das alles passt nicht mehr zu dieser Ruhe. Immer ist diese „ewige Ruhe“ da, aber wir sind nicht in ihr, laufen aufgeregt wie die verscheuchten Hühner davon.

 

Gestern noch, was gestern war, weiß ich noch ziemlich gut, aber vor drei Jahren am 28.11., was war da, ich weiß es nicht mehr, oder 1969, am 09.11., es war mein Tauftag, ich weiß davon überhaupt nichts mehr. Dennoch: dieser Tag lebt bis ins kleinste Detail in Ewigkeit. Für den horizontalen Menschen ist er gestorben, nicht für den, der Glauben hat. Der Glaubende lebt von Ewigkeit her in dieser vergänglichen Welt, damit ist die Vergänglichkeit „nicht vergangen (ja, nur für den Augenschein vergangen), aber nicht wirklich. Wer sagt: gut, vorbei, es war einmal und ist nicht mehr – das ist die Redensart und Überzeugung des horizontalen Absolutismus; eigentlich Sünde: denn ich beziehe mich dann nicht mehr auf Ewigkeit, in der doch die Zeitlichkeit geborgen, aufgehoben und aufbewahrt ist. Was heißt Klein-Gläubigkeit? Ein oligopistos ist einer, der wenig, ganz kurze Treue hat, eigentlich gar keine, der sofort wieder von der Zeitlichkeit und den Umständen, in denen er hin und hergeworfen wird, umkommt. Der Glaube an die Auferstehung ist die Wirklichkeit der „Taufe“: das Hindurch-Taufen (Tauchen) durch den Tod; hier ist ganz real der Tod besiegt; man versteht die Taufe aber nicht mehr, sie gehört heute irgendwie dazu, gegenwärtig immer weniger. Bei der Taufe „sterben wir mit Christus und erwachen zum Ewigen Leben mit Christus“. Das kann der horizontale Mensch nicht fassen und will es auch nicht; im Grunde ist jeder Christ schon mit Christus gestorben und auferstanden zum Ewigen Leben. Das ist der Glaube, den uns der Heilige Paulus verkündet und den wir Christen für die reinste Realität halten. Auferstehung heißt: jetzt kommt das ganz Neue, das ganz Unerwartete „durch den Tod hindurch“. Man sagt so leicht: ach, jetzt ist er gestorben, der Arme! Aber: der so vermeint Verstorbene ist vielleicht jetzt der ganz „Reiche“, in unermesslicher Fülle, nie geglaubt, dass das möglich ist, ganz real? Jeder, wenn er ehrlich ist, weiß: im Sterben ist es ernst, keine Flucht mehr, von Ewigkeit wollte ich nie erfahren, es kümmerte mich nie – denn da gibt es keine Ausreden mehr – man ist allein, das weiß man. Nur DU, Herr, Du gehst voran, bist mein Vorgänger – ich glaube das, ich benötige das, ich bedarf deiner! Im Sterben: Einsamkeit und Verlassenheit hier -  jeder spürt das, jeden wird es betreffen. Man geht jetzt vom Leben „hier“ durch den Tod ins „ewige Leben“. Der Tod: mein Hinüber-gehen. Schwierig, jeder ist damit allein. „Christ-König“, ER ist der König vom wahren Glücklich-sein, nicht vom kurzen Glück, sondern vom ewigen. Wie das genau ist, wer träumt es, erwartet es? Das ewige Glück kann doch nur dann sein, wenn „alles wahr“ gemacht ist, also alles repariert, gerichtet, im Licht der Wahrheit ankommt. Fest: Was ist eigentlich ein Fest? Und, was heißt die oft verwendete Formel hier: was heißt eigentlich? Man merkt das Allein-sein auch in der Sprache. Bei Hegel habe ich das bemerkt über das abstrakte Denken und insgesamt. Was man meint und sagen will, gelingt nicht, der andere ist „zu“, das Herz ist zu und ich bin unvermögend. „Eigentlich“ meint den tieferen Sinn, das, was man sagen will. „Fest“: Fest bedeutet immer: etwas wird „frei“ was zuvor gefangen, gebunden, geknechtet war. Der tiefere Sinn von Fest meint dann das Feiern der Befreiung, der Loslösung von Bindungen, das Frei-werden davon. Gemeint ist das Freiwerden z.B. aus den Bindungen der Zeitlichkeit, weil Ewigkeit alles unterfängt. Dann gelten die Maßstäbe der Zeitlichkeit nicht mehr absolut, sondern werden von Ewigkeit unterfangen, aufbewahrt. Und ein Hoch-Fest ist dann das Außergewöhnliche dieser „Befreiung“. Und so kann man sagen: ein Hochfest ist die Freude der Begegnung mit Gott. Im Sterben liegt das höchste aller Hoch-Feste: die Begegnung mit dem lebendigen Gott, die Loslösung von allen Bindungen der Zeitlichkeit. Wenn sich also die Zeitlichkeit mit der Ewigkeit (Gott) schneidet – Begegnung – dann ist das immer ein Hoch-Fest. Das „Kreuz“ ist augenscheinlich „in sich“ so ein Hoch-Fest. „Fest“ hat also hier den Sinn von Frei-werden, im Grunde: gelöst, erlöst werden.

 

Das „Kreuz Christi“ ist Höhepunkt jeder Feier der Eucharistie. Das versteht der horizontale Verstand schwer, weil er nur auf das Grausame des Kreuzes blickt, der Sinn am Äußeren hängen bleibt. Man kann es heute gut erleben: die Worte vom Kreuz Christi, vom Ewigen, vom Himmel, von Ewigkeit, von der Gottesmutter Maria – man verdreht verächtlich die Augen, will das nicht hören, kann keinen Sinn darin finden: man tötet es ab, will es taubstumm haben, es ist ein „Ärgernis“ so von diesen Dingen auch nur zu reden. Die Menschen werden darob sehr aggressiv und weil man diese Aggression nicht brutal zeigen darf (das Kreuzigen), so bringt man die Ewige Wahrheit heute dadurch um, dass man sie nicht ernst nimmt, dass man Gläubige verachtet, verspottet und sie „so“ tötet. Und das Geißeln? Wenn eine Existenz die Zeitlichkeit, das Form-sein in der Zeitlichkeit, verwechselt mit Ewigkeit, also Un-endlichkeit mit Ewigkeit gleich setzt, dann wird die „Form“ gegeißelt, man verlangt etwas von der zeitlichen Form, was nicht ihr Sinn ist: die zeitliche Form wird herausgefordert, Ewigkeit zu geben, Ewigkeit zu zeigen, bis auf´s Blut wird sie gezwungen das zu „zeigen“. Bis auf´s  Blut geißeln heißt dann: du kannst die Form bis auf´s  Blut peitschen, es ist „sinnlos“, du bist ganz auf der falschen Spur – du bist gänzlich ver-formt besinnungslos, weißt gar nicht von Ewigkeit im Himmel, willst es in dieser ver-formten Existenzweise auch gar nicht wissen, wirst sogar sehr wütend, von Hass erfüllt gerade dann, wenn da wer ist, der von „Ewigkeit“ weiß: dann wird die verrannte horizontale Existenz sehr, sehr wütend, denn der Zeuge der Ewigkeit unterläuft die verformte Existenzweise, hält ihr den beschränkten horizontalen Sinn vor Augen. Und alles geschieht in der existentiellen Unruhe des Zwanges, des Zwingens. Das Zwingen ist immer ein „Engen“: im Zwang ist es „eng“ und damit „aggressiv“. Der Zwang ist keine Kleinigkeit und in weiten Kreisen am Werk, oft sehr gesellschaftsfähig. Ziele „unbedingt“ im Horizontalen erreichen wollen, unter allen Umständen: und schon ist man im Zwinger der Zeitlichkeit, unter Zeit-Druck gestellt. Und wie oft ist dies der Fall, dieses Zwingen, bei einem selbst? Unter der Herrschaft des Zwingens (des Zwanges) wird dem Götzen Königsherrschaft im Zeitlichen gehuldigt: ich will hier – im Irdischen – König sein: machen, tun, vollenden, fuhrwerken, Ziele erreichen, fleißig sein, ehrgeizig sein usf. wenigstens in meinem irdischen Lebenslauf „etwas erreichen“, dass man mir huldigt, Applaus schenkt, „ich“ Anerkennung bekomme. So zeitlich „gezwungen“ verdrängt man freilich den Gedanken an den Tod vehement und wenn man daran erinnert wird, wird man entweder sentimental oder aggressiv oder besauft sich. Und es ist doch so zu leben ein „Spott“, man spottet sich selbst: ich bin doch sterblich – der Zwang des Zwingens war sinnlos. Dann gibt es diese weinerliche Sentimentalität, vor allem bei Alkoholikern, die sagen dann im Rausch: ich habe gelebt, alles was ich wollte, habe ich genossen – ich bin sehr dankbar dafür. Aber, man merkt es ihnen an: sie hocken in einer stillen Panik des: das kann doch nicht alles gewesen sein! Nur zugeben können sie das freilich nicht, die Heroen des Rausches.

 

Jetzt im Advent, Ankunft des Herrn: der Ewige Vor-Gänger wird Fleisch: ist er „mein persönlicher Vor-Gänger“ – darf er das überhaupt sein? Das ist die einzig entscheidende Frage, die es zu entscheiden gilt! Denn: ER geht in den Tod, also in „mein Sterben“. Aber „Vorgänger durch das Sterben hindurch“ heißt jetzt: Auferstehung von den Toten. Wir spotten der Auferstehung von den Toten, wenn wir das nicht „sehr ernst nehmen“. Jesus bringt keine Un-Endlichkeit, er schenkt „Ewigkeit“, nimmt dem Tod den Stachel; das ist die „Frohe Botschaft“. Wir vergessen das oft und oft und wenden uns dann bloß an Jesus, wenn es uns im Zeitlichen schlecht geht, dann soll er Abhilfe „hier im Zeitlichen schaffen“; aber darum geht es nicht, um die Abhilfe im Zeitlichen. Das „Geschenk der Ewigkeit“ ist es, weswegen der Herr im Haus des Brotes, in Beth-lehem, im Stall, im Nichts der Zeitlichkeit, Fleisch wird. Wird er es jetzt in mir? Das ist die Frage. Wird also „Ewigkeit“ in mir Fleisch – darum geht es, das bringt das Jesus-Kind.

 

Bei der Kreuzigung die „Wandlung“.

 

Es geht in allen diesen „Zyklen“: Heilige Maria – Mutter Gottes um das „Näher kommen“ zum Ewigen Wort; es ist mein Näher-kommen, vollzieht sich in der Zwiesprache, in der Bedeutsamkeit des Wortes, es sagt sich mir zu. Von dort her, vom Himmel her, sind alle Augenblicke hier bedeutsam, „gesegnet“ kann man auch sagen; aber meistens schlafe ich, bemerke das gar nicht und bin un-aufmerksam. Es wohnt nicht mehr eine „Heilige Unruhe“ in uns, eine, die auf den Himmel hin ausgerichtet ist: wir sind bloß horizontal unruhig, aber nicht mehr schlägt ein unruhiges Herz auf Gott hin in uns: wir sind „lau“. „Heilige Wandlung“: im deutschen Wort „Wandlung“ liegt nicht nur die Ver-Wandlung, sondern das anders gerichtete Wandeln, ein Wohnen und Wandeln in Welt vom Ewigen her. Man sieht wohl die Endlichkeit, den Tod, das Enden – aber: ich glaube nicht an den Tod, ich glaube an Auferstehung und an das Ewige Leben. Ich glaube daher auch nicht an Endlichkeit, ich glaube nicht an die un-endliche Verlängerung des Horizontalen, eben an Un-endlichkeit: ein Immer-so-und-so-weiter ohne Ende. Das wäre schrecklich, die Hölle, ein Immer-weiter-so ohne Ende: ich glaube aber an Ewigkeit, die die Endlichkeit unterfängt und hält. Diese endliche Welt will mir nicht genügen, sie langt nicht zu und müsste ich ihr alles schenken, mein Herz, ich müsste doch an ihrem Ungenügen verzweifeln. Jetzt, die Zeit im Advent: die Geburt des Herrn im Stall – der ganz Heilige in seiner Geburt: bin ich diese Krippe? Ferdinand Ulrich in Virginitas Foecunda schreibt den Untertitel: Krippe und Kreuz.

 

Zur Krippe gehört das Kreuz. Krippe „hört“ auf das Kreuz. Zur Geburt ge-hört der Tod, das Gedenken (der Gedanc) an das Weggehen, das Sterben. Geburt „hört“ den Tod, ist aufmerksam auf ihn. Die liturgische Farbe violett im Advent zeigt schon in die Passion des Herrn, auch in unsere Passion: Advent ist die Besinnung auf das Kommen des Herrn und zugleich die Bereitschaft zum Ewigen, also die Grundausrichtung auf Ewigkeit: Krippe und Kreuz. Und wie könnte man „Ewigkeit“ erklären – das geht nicht. Es ist in einem „da“ – vielleicht eine tiefe Ahnung vom Bleiben im Vergänglichen (im Sterben). Advent ist daher „Bußzeit“: nicht der dunkle, gedrückte Habitus, das Finstere – Büßer ist man, weil man „frei ist für Ewigkeit“, eine Loslösung von den Bindungen an Zeitlichkeit, der Aufbruch (Aufbrechen) des horizontalen Absolutismus. Von selbst wird es da in einem „still“, keine Aufforderung oder kein Zwang zur Stille, das wäre schrecklich. Weihnachts-Fest: oben war schon vom Fest die Rede. Fest ist die Begegnung des Zeitlichen mit dem Ewigen: das geschieht wesentlich in der Feier der Heiligen Eucharistie. Wenn diese Feier wirklich gefeiert wird, dann wird in mir „frei“, was sonst gebunden ist – gebunden an das Schwerfällige des Horizontalen. Es war gebunden (Sorgen, Ängste, Nöte, irdische Ziele) – jetzt aber ist der Blick frei zum Ewigen. Das heißt: Gott schenkt jetzt „Freiheit“; ich kann ablehnen, will nicht diese Freiheit und das ist die Garantie der Liebe, diese Freiheit zum Ablehnen. Es gibt keinen Zwang zur Liebe, das geht nicht. Es ist auch in der Körper-Haltung, die immer das Innere, das Wesentliche anzeigt, sichtbar: Bußzeit darf keine „gebückte, niedergedrückte Haltung“ zeigen, das wäre ganz verkehrt. Der Blick (die ganze Haltung) ist be-freit zum Himmel, der Blick ist nach oben (gemeint ist freilich der „innere Blick“), erhoben ist der Sinn aus den Niederungen des Horizontalen. Die große „Versuchung“ liegt auch immer darin, im Horizontalen zu Ende zu kommen: es hier rundum behaglich zu finden, es „hier“ (im Horizontalen) schon erreicht zu haben – mehr gibt es nicht. Der Priester ist dann auch kein „Unruhe-Stifter“ mehr, der stört bloß den reibungslosen horizontalen Ablauf. Der Priester ist nicht erwünscht, denn er „verkörpert“ den Sinn des Existierens, er relativiert alle horizontalen Ansprüche: der Priester muss in uns hingerichtet werden, in aller erster Linie der Hohe-Priester selbst: Jesus Christus. Wer also das Gebäude einer Kirche nur „betritt“, der betritt „Ewigkeit“. Die allergischen Reaktionen heute sind genauso aggressiv wie jene zur Zeit Jesu, als man den Herrn vor Pilatus, das Weltliche Gericht, brachte. Der tödliche Angriff auf das ganz Heilige war gestern genauso wie heute und wird morgen auch so sein: man will von Ewigkeit nichts haben, nichts hören und sehen: Zeitlichkeit will man, möglichst lange – das Ewige braucht man nicht.

 

Krippe und Kreuz: Was ist Tod? Der Herr wird dem Tod ausgeliefert, Jean Corbon (Liturgie aus dem Urquell, Johannes Verlag) geht dieser Auslieferung tief nach: der Herr geht völlig „frei“ (also befreit) in den Tod, kein Zwang von außen, keine Hinrichtung, wie wir meinen – schon eine Hinrichtung, doch der Tod wird „betrogen“, er wird von dem erdrückt, der der ganz Heilige ist – be-freit geht der Herr in den Tod (kein Zwang). Und die Todes-Angst? Der Herr kennt sie (Gethesemane; das Ausgepresst werden vom Öl) – er kennt meine Angst und deine; der Kelch, könnte er nicht auch an mir vorbei gehen (noch 40 Jahre so weiter leben und nicht heute sterben?). Es ist ein Ringen mit Ewigkeit, ein Endkampf – man spürt: es geht ums Ganze. Das Ringen geht auch um Ge-Ringes: der ge-ringste Mensch, das Nebensächliche, das Geringe, kaum Beachtete. Das Ringen im Ge-Ringe ist das Wohnen-können (und Wohnen wollen) im Intimen mit Gott. Der „Kleine Augenblick“ (Therese von Lisieux) zählt wirklich groß. Es ist das Kleine, gerade das Nebensächliche, das entscheidend ist. Es geht nicht um ein „Spektakel von Kreuzigung“ damals, auch nicht um ein Spektakel in der Krippe zu Bethlehem; wesentlich ist das Intime mit Gott, das Zwiegespräch, die Beziehung; diese „kleine Sprache“ (klein, weil sie nur je jeder selbst sprechen könnte, diese „Kleine Sprache“ eignet sich nicht zur Großen Kundgabe) ist eben entscheidend. Jesus spricht in seinem ganzen Auftreten von Ewigkeit im Himmel, vom Vater – und sie alle, wir alle jetzt, wir begreifen nicht diese „Sprache der Ewigkeit“, weil wir nicht disponiert sind dafür. Niemand versteht ihn – diese Sprache der Ewigkeit. Die Heilige Gottesmutter Maria, sie „bewahrt diese Kleine Sprache“ bei sich; sie versteht schon, ist auch bei ihm. Marjam aus Migdal, auch sie versteht schon. Nach Bethlehem gehen ist ein Gehen zugleich in den Tod, es ist der Kreuzweg, nicht nur damals, es ist meiner und deiner: der Weg in den Tod, in das Intimste also, denn hier versagt doch jede Sprache, jeder ist da mit sich im Letzten – spürt man. Jemand stirbt, man versucht sich mit Tröstungen und dann geht man wieder. Der Sterbende denkt bei sich: die haben gut reden, ich aber bleibe unverstanden alleine zurück. Aber die Sterbenden „sind“ wir, nicht nur der da, sondern ich vermeintlicher Tröster – ich auch. Jesus sagt einmal: was du dem Geringsten schenkst, das schenkst du mir. Es meint nicht nur die Bettelarmen auf der Straße, die Notleidenden: es meint jeden Augenblick des Seyns: bin ich da aufmerksam, nüchtern, ganz da im Augenblick – oder bin ich besoffen, zu von Gedanken an morgen oder gestern? Geht die Ewigkeit an mir vorbei, weil ich ein Taubstummer bin?

 

Treue hat mit Trauen zu tun (es ist derselbe Sinn): ich traue mich treu zu sein ist eigentlich tautologisch, wer sich traut, der ist schon in sich „treu“, der muss sich nicht extra zur Treue überwinden. Wer sich „traut“ zu beten, der ist schon ein Treuer. Zum Stall nach Bethlehem (zum Haus des Brotes) gehen ist zugleich ein Kreuz-Weg, nicht irgendeiner von damals und nicht deiner, es ist „meiner“ – jetzt. Und diesen Kreuzweg jetzt kann man nur „nüchtern“ gehen – kein „Spiel als ob“ (keine horizontalen Vertröstungen mehr). Dieses Gehen zum Stall ist das Gehen in die „Armut“: leer werden von bisherigen Auswegen und Lügen, leer werden vom „als ob Existieren“, leer werden vom Spiel der Generalproben, Aufhören mit der Flucht vor dem Ewigen. „Armut“ ist eben dieser „Kleine Weg“ (Therese vom Kinde Jesu). Darum: nur diese „Armut im Leer sein“ kann treu sich trauen! Ist der Kreuz-Weg ein Triumph-Weg? Welcher Kreuzweg, deiner, Herr, oder meiner, oder unser aller? Triumph der Auferstehung: nichts ist verloren im Nichts der Nacht. Der Hof des Friedens ist bei uns der „Friedhof“; heute ein gemiedener Ort, eine Beklemmung kommt da auf: für die Heutigen ist der Friedhof ein schrecklicher, gruseliger Ort. Haus des Friedens ist aber Haus des Lebens: jetzt erst das wahre Leben, da, wo alles eingesammelt ist, nichts ist verloren gegangen. Aber der Horizontale denkt nur an Verlust! Je nachdem: Verlust für den Horizontalen, Eingesammelt sein in Ewigkeit für den, der „umsonst“ glaubt. „Verlust“ ist immer der Blickwinkel der Existenz aus dem Festgehaftet-sein an die Dinge der Welt. So „ist“ man dann der Be-Dingte! Man tut sich sehr schwer damit, los-zulassen, die Dinge, die eigenen Vorstellungen, die Güter dieser Welt. Sich von diesen Gebundenheiten zu lösen kann am Ende sehr, sehr schwer werden; am Ende wird man über die Loslösung (der Tod) sehr dankbar sein, eine „Erlösung“ könnte es sein. Tod und Sterben: dann ist es vorbei mit dem Leben! So sagt man sich und es ist „so eingebrannt“ in unser Existieren, dass anderes gar nicht möglich ist. Nur Horizontales „so eingebrannt“: die letzten Jahrhunderte hat sich dieses Gift der Horizontale ausgebreitet, in alle Lebensbereiche, in die Schulen und Kindergärten, im Westen wie im Osten.

 

Der „Un-Sterbliche“ (Christus) wird getötet: zerfleischt im Fleischwolf des horizontalen Absolutismus. Ich töte den Herrn, wenn ich sage: es war einmal, die damals haben ihn gekreuzigt. Was geht mich das jetzt an? Gestern? Der gestrige Tag ist weg, er war und er ist nicht mehr. So töte ich meine Tage, denn in Wahrheit sind sie nicht weg oder vergangen, untergebracht in einer „perfekten“ immunen (taubstummen) Existenzweise.

 

Heute ist der 2. Advent-Sonntag, in den nächsten beiden Zyklen soll von „Tod und Auferstehung“ die Rede sein und vom Sinn des Kreuzigen. Man wird sagen: falsche Zeit, jetzt ist Advent und nicht Ostern.

 

„Krippe und Kreuz“ gehören aber zusammen, sind „Ein-und-dasselbe“. Denn: wenn der Herr am Kreuz stirbt, dann ist das Heilige Kind im Stall geboren. Der Tod „ist“ dann nicht mehr (der Tod hat kein Seyn): der Auferstandene Herr ist das Antlitz der Krippe zu Betlehem.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLIX)

 

 Λήθη XX    Erlösung XXVIII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit VII   (1. Advent  2022)

 

Versuchung II –  Aufregung – Maria aus Migdal

 

 

Maria Magdalena (Maria aus Magdala, aus Migdal), 7 Dämonen in ihr (ihre gesamte Existenz), sie war, kann man sagen, in „heller Aufregung“. Aus Migdal stammt sie, von dorther, ganz im Norden von Israel war ihr Existieren. Im Norden meint auch in der äußersten Veräußerung, in der bloßen „Form“. Magdala meint eigentlich: migdal – der Turm. Wer so (aufragt) aufgeregt ist, der baut sich einen Turm, der am Ende (7 Dämonen) sehr hoch aufragt. Aufragen und Aufregen meinen denselben Sinn. Aufregung ist immer Aufragen, mit dem, was vom Ewigen her ist, nicht (existentiell) einverstanden sein. Der Aufgeregte muss selbst: planen, ändern, bestimmen, fuhrwerken, berechnen und in der Aufregung „seyn“, er führt immer mit sich: es muss sehr schnell gehen, Eile, Tempo. So ist der Aufreger ein Provokateur: das Seyn ist ihm ein Machbares, Gestaltbares, man muss es unbedingt ändern, oft nach eigenem Maß, nach eigener Laune und Befindlichkeit und auch zum eigenen Genuss. Wer ist Maria Magdalena? Es wird berichtet, dass sie auch unter (bei) dem Kreuz des Herrn „ist“ und dieses „ist“ meint jetzt nicht nur eine historische Tatsache, sondern in erster Linie eine „Seins-Weise“: bei dem Kreuz Christi „wohnen“, in „dieser Art und Weise“ seyn: von hier aus leben, existieren. Vollkommen „besessen“ (7 Dämonen), also sie existierte vorerst in einer völligen Belagerung, von horizontalen Geistern in „Besitz genommen“, das heißt: besessen sein. Von welchen Geistern? Im Grunde vom Geist der Abschließung, vom Geist der Verschlossenheit (verschlossen dem ewigen Gott gegenüber; hier kein Gespräch haben mit ihm): es gibt da nur diesen oder jenen Weg und dieser eine Weg wird ausnahmslos verfolgt und im Grunde nur „horizontal“. Der Geist der Verschließung bringt zum Schließen der ontologischen Differenz: man hat dann nur mehr Augen für das Horizontale, monokausal, horizontal. So eine Existenz wird auf das Minimum jener Enge zusammengepfercht, die dann Zeitlichkeit absolut setzt, auf diese Schmalspurbahn der ängstlichen (engen) Existenzweise. Und in erster Linie handelt es sich um den Verschluss dem lebendigen Gott gegenüber. So lebt man gefangen in Zeit und Raum, eingekreiselt, taubstumm monokausal. Die verschlossene Existenz ist Gott gegenüber verschlossen und ist zugleich jene Existenz, die im Abstraktum Wohnung bezieht. Abstraktes Existieren hat keine Lebendigkeit mehr in sich, es vegetiert fast ausnahmslos veräußert, ein Sinn oder ein ewiger Sinn in allen Dingen kann sich hier nicht mehr zusprechen: das meint Verschlossenheit.

Dieser „Verschluss“ folgt einer bestimmten Logik: wenn so – dann so! Es ist die Logik der Berechnung, das Hinterfragen: zahlt es sich für mich jetzt und hier aus, springt für mich dabei etwas heraus? Von dieser Logik „besessen“ irrt man von einer Berechnung zur anderen und merkt es nicht mehr, denn diese kalkulierte Logik maskiert sich, kommt aber immer im Kleid der Zeitlichkeit und Endlichkeit.

 

Demaskiert wird die abstrahierte Existenz nur vom lebendigen Gott, von Ewigkeit her: hier fallen die Masken und die Abstrahierten sind dann sehr zornig, schimpfen, lästern, machen sich lustig über das Heilige; nehmen es nicht mehr so „ernst“ mit dem Heiligen, stellen es unter die Beliebigkeit einer beliebigen Diskussion. Einseitigkeit: das ist Besessenheit, vom Geist des „nur-so-und-nur-so“ bedrängt und regiert werden; der Deckel ist auf dem Herzen (in meiner Seins-mitte), ich bin blind und taub für den lebendigen Gott, habe mein Herz nur dem Horizontalen gegenüber offen. Wenn diese betäubte Existenz ihren Sinn zum Ewigen erhebt, dann kann sie es nur „abstrakt“, Gott ist dann ein Name wie der Mont Blanc auch ein Name ist. Es fehlt das „brennende Herz“ in den Abstraktionen der Horizontale. Dieses „brennende Herz“ verlangt aber nicht nach dem Wunder im Horizontalen, nach einer Erscheinung des Göttlichen, nach einem markanten Impuls im Zeitlichen, im Gegenteil. Jesus, heißt es beim Heiligen Matthäus, fastet „40 Tage und 40 Nächte“ – es meint nicht nur ein irdisches Maß (das alleine ist schon staunenswert), es meint: das gesamte Existieren, die volle Existenz, sie nimmt nicht mehr vom „Brot dieser Welt“. Das Nicht-mehr-nehmen von dieser Welt heißt: ich existiere zur Gänze aus der Beziehung mit dem Vater im Himmel. Der Versucher tritt dann an ihn heran und in allen Versuchungen bedrängt der Teufel den Herrn: „tu“ doch etwas, handle, bewirke, mache! Verwirkliche ein sichtbares Wunder „hier“, denn du bist doch der Sohn Gottes, dir ist das doch ein Leichtes! Der Versucher sucht Jesus auf um ihn zu überzeugen, hier (im Horizontalen) etwas zu machen. Jesus aber geht darauf überhaupt nicht ein. Die horizontale Welt geht weiter wie sie geht. Und am Ende sind die „Engel Gottes“ da und dienen dem Herrn: es ist also Gewaltiges in diesen Versuchungen passiert, aber für den Taubstummen im Horizontalen, für den monokausal Besessenen, ist gar nichts geschehen, er kann auch mit dem Bericht des Heiligen Matthäus wenig bis gar nichts anfangen. „Engel dienen“ – was sagt mir das schon? Das wahre Wunder geschieht im „Verborgenen“ (die Verbergung, der Berg) und von der Verbergung im Gebirg soll weiter unten noch die Rede sein.

 

Der „Berg“ spielt in der Heiligen Schrift immer eine ganz zentrale Rolle; und zwar im Sinne der Verbergung (Verborgenheit): hier, in der Verborgenheit,           begegnet Gott dem Geschöpf, hier, im verborgenen Gebet, in dieser Stille (im stillen Geläut; Heidegger) eröffnet sich das Wunder der Ewigkeit. Gebet – Gebirg – Geborgenheit ist „ein“ Sinn! Auffallend bei der Betrachtung jener Stelle, da Jesus versucht wird, ist die „Eile des Teufels“, er hat es sehr eilig mit seinen Überredungskünsten, so, als wüsste er schon sehr sicher bei sich, dass er scheitern wird. Das ist ein Kennzeichen: die Eile, die Bedrängnis, die Ungeduld, die Hetze, es muss sehr schnell gehen (im Wesen sehr aufgeregt). Der Herr aber, spüren wir, hat überhaupt keine Eile, denn seine „gesamte Existenz“ (40 Tage, 40 Nächte, seine gesamte Zeitlichkeit also) ist grund-gelegt im Vater der Lichter. Schon hier ist jenes Heilige Wort erfüllt, das der Herr am Kreuz hinaus schreien wird: Es ist vollbracht! Maria aus Migdal: sie „erlebt“ die Befreiung von der völligen (gesamten) Besessenheit. Sie „erlebt“ diese Befreiung als ihre Existenz ganz umfassend; keine kalkulierte Überlegung oder rationale Analyse, kein Magie, keine Zauberei, nichts dergleichen: es ist ein „Einbruch des Ewigen in das zuvor besessene rein horizontale Existieren“. Verschwindend ist der Bericht des Heiligen Lukas: Jesus „heilt“ sie; wie das war und die weiteren Umstände, nichts wird darüber berichtet; es könnte eine Fußnote sein. Das Wunder der „Heilung“ geschieht ganz im Verborgenen der Verbergung, da, wo die anderen keinen Zugriff haben, nichts mehr sehen und hören können: in dieser Grund-Stille des Existierens, da der lebendige Herr sich offenbart: da ist die Wirklichkeit der Heilung. Maria ist die „Mar-jam“ (Miriam): es heißt, dass sie das „Bittere der Zeit trägt“ – mar ist das „Bittere“ und jam ein „Meer“. Maria heißt eigentlich: ein „Meer aus Bitterkeit“ tragen.

 

Paul Celan verdichtete einmal in seinem Gedicht: Tenebrae

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

 

Tenebrae factae sunt: am Karfreitag der 5. Wechselgesang der Matutin, das Nacht-Gebet. Wenn es dunkel ist, nimmt man schon Abschied von „dieser Welt“ des Sichtbaren. Heute werden die Nächte künstlich beleuchtet, künstlich am horizontalen Leben erhalten, mit viel Lärm und Feuerwerk. Tenebrae, Finsternis, Gottesnacht, Verlassenheit von Gott. Uns zu bücken nach Mulde und Maar: das Bücken ist auch das Anerkennen der Herrlichkeit Gottes. Sich bücken nach Mulde und Maar heißt: das Zeitliche ist gesegnet vom Ewigen her. Das „Meer“ ist Sinnbild des Fließenden, des Strömenden: es meint wesentlich: Zeitlichkeit, die auch gnadenlos dahinströmt (wie es uns oft vorkommt). Maria nimmt also diese strömende Zeitlichkeit auf sich, ist ihr nicht entgegen, wehrt sich nicht gegen das, was Zeitlichkeit bringt: das ist ihr Fiat mihi!

Maar: das Bittere; Maria Magdalena: migdal, sie ist sehr hoch-mütig gewesen (der Turm, der aufragt) und der Bericht des Heiligen Lukas ist eine Fußnote. Fußnote sagt jetzt: die reine Präsenz des Herrn (Christ-König) konnte sie befreien, diese absolute Nüchternheit der Präsenz Gottes in Welt, diese Heilige Hostie des gänzlich veräußerten Brotes, dieses Nichts an Materie, kein Wunder, kein Feuerwerk, kein Sichtbares: Gottes Werk im Stillsten (in der Verbergung), Gottes Heilung im Verborgenen, in der Verbergung, im Gebirg des Heilen. „Wer ist…“ – das ist die ganz intime Anfrage, die Frage: „was ist“, das ist gänzlich unpersönlich, kalt, logifiziert. „Wer“: es sagt: Du bist einfach da – anwesend, das reicht, es genügt! Der Herr – Christ-König– er ist „da“ – das reicht, wir könnten das gänzlich annehmen, das Dasein meines Retters, es genügt ganz, er tut nichts, er ist einfach „da“: ist kein Zauberer, Magier, Wundertäter, kein Gott der Zeitlichkeiten – der Herr ist da im Seyn, unterfangend (auffangend) alle Zeitlichkeit, „reine“ Präsenz. Das Wort „versessen“ sein deutet schon hin auf das Existieren als „Turm“: wie besessen verfolgt man eine (meist horizontale) Spur, etwas anderes gibt es einfach nicht und Gott, seine Erlösung, die gibt es für Fromme, aber Wirklichkeit hat das nicht. Die Versuchung zum Turmbau liegt in mir: ich halte die Geschehnisse „hier“ für groß-artig, für alles, halte dann auch Ärzte für groß, weil ich meine, sie könnten heilen. Nein, kein Arzt kann heilen, nur Gott kann das und er tut es sicher und während Gott heilt „geschieht nichts“ dem Äußeren nach. Man weiß nur: besessen war sie, 7 Dämonen und jetzt aber ist alles anders, geheilt (heil, ganz, zurückgebracht) existiert sie jetzt (nicht nur damals): der Herr hat ihre tote Seele zum Leben erweckt. Bethanien ist dem Hebräischen nach: Haus der Feigen. Darüber wäre Tiefes zu sagen: der Herr selbst ist da in der Zeit der Versuchungen, in unserer Zeit der Veräußerung, in unserer Zeit des Verrates, denn Zeitlichkeit ist immer „versucht“ einen Endpunkt „hier“ bringen zu wollen, eine End-Fixierung, die für heute alles ist und die morgen neu konstelliert und wieder fixiert werden muss und so weiter ohne Ende; zu Ende zu kommen, fertig sein zu können, ein sichtbares Wunder hier zu versprechen. Gerade hier ist der Auferstandene da in diesen Verirrungen, in dieser horizontalen Versuchung, ganz präsent, hierher kommt er und ist er. „Maria hat das Bessere gewählt“ heißt es beim Heiligen Lukas. Der Turm des Hoch-Mutes (auch Bethanien, diese Fülle an der süßen Un-endlichkeit (=Zeitlichkeit)) erlebt die Erlösung mitten in diesem veräußerten Existieren. Es muss eine ganz stille Begegnung sein, Maria aus Migdal, sie bemerkt in sich diese Erlösung aus dem Zwang des Augenscheines. ER hat sie geheilt, zurückgebracht in die Wahrheit ihres Existierens. Darüber kann gar nichts Äußerliches berichtet werden, daher erfährt man äußerlich bei Lukas nichts darüber, nur: ER hat geheilt. Wie und unter welchen Umständen, das bleibt ganz im Verborgenen (Gebirg). Sie „sieht“ ihn und ER zeigt sich ihr, weil sie ihn sieht, sie ist aus Bethanien wie wir auch, Söhne und Töchter der Zeitlichkeit, der Verlorenheit an das Süße der Zeit sind. Die zeitliche Welt war ihr ein und alles, so wie uns auch diese Welt als „alles“ erscheint. Dann, plötzlich und unerwartet: der Ewige Einbruch des Herrn – ihn zu sehen heißt: Wirklichkeit hat eine ganz andere Dimension, DU bist da, Herr, was die anderen sagen und meinen, es ist nicht wichtig, wichtig ist nur: DU bist wahrhaft da!

 

Mar-jam von Migdal: die Trägerin eines Meeres aus Bitterkeit, und sie wohnt im Exil der reinen Äußerlichkeit, dann kommt der Herr und erlöst sie, sie war ganz besessen und ist von IHM geheilt: sie „glaubt“ also zur Gänze. ER lässt ihre Besessenheit „ver-enden“, auslaufen, diese vollkommene Fixierung auf Zeitliches, Weltliches, wird von IHM her durchbrochen; Maria Magdalena wird als zur „Maria“, zu jener, die das Bittere er-tragen wird. Das „Bittere“: wir denken reflexartig an Ungutes, weg damit, das Bittere wollen wir nicht. Aber das „Bittere“ hat eine viel tiefere Bedeutung: es meint das ganz Ernüchterte, es ist das Gegenteil vom „süßen Leben“, also vom leichtsinnigen, berauschten Leben. So kennt man auch die Bitterkräuter als „Heilkräuter“. Maar: das Leid tragen können, das Leid vermögen, also keinen Anstoß daran mehr nehmen. Im „Stabat mater“ beten wir in der 3. Strophe: bleich da steht ohn alles Klagen. „Bleichen“ heißt eigentlich klar und rein machen, sauber machen, reinigen. Ohn alles Klagen: keine Anklage, keine Verurteilung, keine Verteidigung, bleich da stehen: rein dastehen, keine Ausreden mehr, kein Weglaufen mehr, „wahr“ dastehen. Das meint, „Bitternis tragen“ (sich keine Illusionen mehr machen). In Migdal war ihr Aufenthalt, das Wohnen in Hochmut und Turmbau, im „Alles der Zeitlichkeit“ – dann wird sie zu jener, die sie von Ewigkeit her ist (bestimmt ist): zur Marjam. In ihr wendet es sich (metanoia) und nun wird sie dem Herrn folgen, ihm allein „zu-hören“, einerlei was die Schwester klagen wird. Ihr ist die Heilige Wandlung ganz „real“ und so ist sie die erste, die ihn als Auferstandenen „erblicken“ kann, sie vermag durch ihren Glauben dieses „Sehen“.

 

Gelobt sei Jesus Christus!

 

Das Brechen des Heiligen Brotes, das Brot zur Wandlung: es ist ein Brechen im Durchbruch: Ewigkeit ist da, Zeitlichkeit ist nicht „alles“. Das ist „das“ Geschichte der Heiligen Mar-jam aus Migdal, das Ge-Schichte: eine heilige Schichtung, ein Durchbruch aus der fernsten Gottferne bist zum Standhaft-sein unter dem Kreuz. Die reine Anwesenheit des Auferstandenen „löst all ihre Bindungen“: kann ich das „glauben“ – denn Jesus, der Name, er allein „heilt“ schon, es meint: mein Herr ist Rettung, es tut sich schon, es ändert sich schon und ich meine fortwährend, es tue sich nichts. Aber das stimmt nicht! Gerade im Nicht-tun geschieht das Wunder der Heilung der Seele. Dass du, Herr, immerzu anwesend bist, das erlöst mich, denn ich glaube dir. Und so kann ich doch ganz „gelassen“ sein, weil deine Erlösung am Werk ist, kein Aufra(e)gen (migdal) mehr, sondern weitende Gelassenheit. Gelassenheit ist jene Seins-Art, dass man nicht erreichen können will (es fällt der Ehrgeiz zum Erreichen wollen „hier“ weg) – weil: ja weil alles von Ewigkeit her „gesegnet“ und schon erfüllt ist. Und so eröffnet sich das grenzenlose Vertrauen in Gott, nichts kann dieses Vertrauen aufhalten. Immerzu anwesend: Herr, DU, Matthäus, Abraham, Sarah, Maria Magdalena, Heiliger Lukas – wo seid ihr „jetzt“? Wo bist du, König David? Wo bist du, Josua? Seid ihr alle gestorben, weg, es „war einmal“? Historischer Bericht? Ihr lebt doch – ich bin überzeugt davon, dass ihr lebt, von Ewigkeit her! Bei der Beschneidung bleibt diese Welt bestehen, verliert aber ihre Wichtigkeit. Bei der Heiligen Taufe bleibt auch diese Welt (der Zeitlichkeit) bestehen, verliert aber ebenso ihre Zudringlichkeit und Wichtigkeit, so, als wäre sie alles.

 

Das Herz wird also beschnitten: das Äußere zurückgedrängt, es ist nicht mehr so wichtig. Die Welt und in ihr alles, was geschenkt ist, es ist schon wichtig als Geschenk Gottes, aber am wichtigsten ist der Geber der Gabe, Gott selbst. Und wenn Gott doch der Geber aller Gabe ist, dann baut ER doch das neue Jerusalem, in mir und in uns allen: ohne Schlacht, ohne Waffen, ohne Bündnisse. Können und wollen wir das glauben? Das ist die einzige Frage an mich, an dich – Gott wirkt alles im Guten, bei ihm ist es „immer gut“. Will ich das annehmen, kann ich mich darein fallen lassen und es so „ewig gut“ sein lassen, einerlei was die Zeitlichkeit heranträgt? Ewigkeit: der Sinn von Ewigkeit, wer könnte es fassen? Nicht zu fassen und doch: allumfassend, alles unterfangend, immerwährend. Das Leben der „kommenden Welt“; nicht das, was man Zukunft nennt: morgen, übermorgen, in 360 Jahren – die „kommende Welt“ ist jene, die schon „ist“ und sie wird „mir“: ich spüre: das Alte vergeht und Neues, Ewiges wird wach, kommt heran – das „ist“ die kommende Welt: es kommt mir, erklären kann ich es nicht und beweisen kann und will ich es auch nicht. Dann ist man schon aus Juda, lobt und preist Gott. Indem man hier keine finstere Mine macht, sondern heiter und gelassen ist, insofern lebt man schon in Ewigkeit, ist eine Frucht aus „Juda“. Und dann: Ich bin doch „Kind Gottes“ – was muss ich noch Weiteres wissen? Es reicht vollends, für alles. Der „Wille zum Ewigen“ ist entscheidend! Und der Ewige ist doch unser Gott, unser Herr und unser Gott, unser Herr-Gott! Maria Magdalena wendet sich um; der Heilige Johannes berichtet: Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war (Joh, 20,14). In der Septuaginta steht für „umwenden“ das Wort: ἐστράφη, es kommt von strephó: ich wende mich, kehre um, bekehre mich. Epistrepho meint: ich kehre zurück, wie der verlorene Sohn. Kai theorein: das Sehen als „Einsicht“, Theorie ist nicht nur trockene, kalte Reflexion und Überlegung, sondern meint ursprünglich ein „Sehen des Einen“, dessen, was wirklich nötig ist: das ist „Ein-sicht“ nehmen und so „sieht Maria Magdalena den Herrn in ihrer Umwendung“ (metanoia). „In“ der Umwendung geschieht das Ein-Sehen, das Sehen des Einen, der rettet, der, der die Not wendet und also ist ER der, der Not-wendige.

 

Das Wohnen Gottes in ihr schien verloren gegangen, nicht nur bei ihr, sondern bei uns: dann ist der Tempel zerstört, scheinbar zerstört. Der Tempel Gottes aber ist unzerstörbar, man kann sich davon sehr weit entfernen, weg sein, taubstumm sein, besoffen nach Welt. Sie erfährt den anwesenden Retter, wie, das erfahren wir nicht, aber wir können es „in uns“ erfahren, der Retter ist da, wenn alles verloren scheint: dann ist der Retter da. Wo ist er? Er „ist“: das reicht, mehr braucht es nicht, keine Beweise, keine langen Predigten, keine theologischen Abhandlungen. Dieses Umwenden ist zugleich das, was „Reue“ meint, in sich ist das schon Sehnsucht nach Gott, keine Vorwürfe mehr: weder den anderen gegenüber noch mir selbst. Man nennt das: Vergebung. Mag sein, dass viele, die sich gläubig nennen, ein Zeichen am Himmel, ein Wunder auf Erden, irgend so etwas in dieser Richtung erwarten, irgendetwas Handgreifliches. Aber der Herr sagt zu ihr: Halte mich nicht fest!  - es meint, mach´ dir kein Bild von mir, lass´ mich nicht in deiner Einbildung erstarren oder deiner Vorstellung oder in deinen Wünschen. Vielleicht erwartet man bei sich insgeheim eine Bekehrung im Sinne eines Feuerwerkes, etwas existentiell Explosives. Aber, wie es in der Apokalypse des Heiligen Johannes gezeigt wird: das explosive Gemisch ist der Tummelplatz des Bösen, hier sind die Feuerwerke, diese schrecklichen Monster, die sich zeigen müssen und diese Bilder sind real, es sind Wirklichkeiten und je mehr man darauf fixiert ist, umso schlimmer. Ich frage mich manchmal: wir könnten alles Gute gönnen, wünschen, erhoffen, mir selbst und allen anderen. Dieses Wünschen „ist“, wenn es ehrlich ist, schon Erfüllung. Und ich sehe davon nichts, spüre es auch nicht an mir; dennoch „ist“ es erfüllt. Ja, das ist das Großartige im Glauben, dass wir spüren: es spricht alles dagegen und „wissen“, es ist trotzdem, dennoch „erfüllt“. Wissen, dass die Güte Gottes herrscht in allem Dreck der Welt und Zeitlichkeit – davon ganz erfüllt sein, gerade dann, wenn es mich hart trifft. Mirjam aus Migdal: die Salbung in Bethanien. Was ist Salbung, was heißt Bethanien? Das Öl zum Salben – Messias, der Gesalbte. Was heißt eigentlich Salbung? Salbung meint „erfüllte Sehnsucht“, im Innen und im Außen, also in dem, was als allumfassende (ewige) Wahrheit und Wirklichkeit währt. Salbung zeigt: die „ewige Sehnsucht ist erfüllt“ und das heißt für uns Zeitliche: sie wird auch erfüllt mit unkorrigierbarer Sicherheit – absoluter Verlässlichkeit.

 

Der Gesalbte ist der ewige Gott in Zuverlässigkeit, nichts vermag diese ewige Garantie zu zerstören. Tenebrae factae sunt: Karfreitag, die Olive, Frucht am Freitag, Öl der Olive, Garten Gethesmane, Ölberg, Mar-jam, die, die das „Meer von Bitterkeit“ trägt, die Heilige Gottesmutter, die Heilige Maria Magdalena, beide unter dem Kreuz. Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung und der Messias als der Gesalbte „ist“ der Auferstandene. Die „Auferstehung von den Toten“ ist im Gesalbten ganz da, noch verborgen ganz da, aber „reine Wirklichkeit“. Für die Außenstehenden nicht sichtbar, nicht erkennbar für den äußeren, zeitlichen Sinn; also: das zeitlich Unmögliche ist im Gesalbten „reine Wirklichkeit“. Christus, der Herr, der Gesalbte, er „ist“ die Erlösung im Jetzt der Zeitlichkeit. Unsere wahre Wirklichkeit „ist“ gesalbt, ganz neu sind wir darin, ewig – wie wir es auch „dann“ sein werden ( so sagen wir noch als Zeitliche). Marjam aus Migdal spürt das ganz im Verborgenen, ein absolutes Überzeugt sein von Ewigkeit. Sie ist eine „Frau“, unser aller unser äußere Erscheinung, man könnte hier sagen: die Zeitlichkeit als Veräußerung heiligt im Salben Ewigkeit (metanoia). Die Frau salbt den Herrn, die Erscheinung salbt den Herrn, ihren Retter, nicht irgendeinen eingebildeten Retter. Für 300 Silber-Groschen hätte man das Salböl verkaufen können. Jenes „Silber“, das auch Judas erhalten wird für den Verrat. Aber Salböl ist unveräußerlich, es ist, kann man sagen, das Kostbarste, weil es keinen „irdischen Wert“ hat, denn das ewige Heil ist der Kaufmannsexistenz entzogen. Dieses für den nur rechnenden Menschen in uns „kostbare Nardenöl“ wird vergeudet, umsonst, für nichts – schade, denkt der Horizontale. Er weiß nicht um Heiligkeit, nicht um Ewigkeit und nicht um die reale Präsenz des Herrn. „Salbung“ ist vom Ewigen, verträgt kein zeitliches Maß. Luther übersetzt: was bekümmert ihr sie? (Mk 14,6): warum beschwert ihr sie, macht sie schwer, bekümmert, denn: dass sie mich salbt ist doch ihr Verlangen nach dem Lichten, nach dem Heilen, nach mir – sie glaubt ganz, sucht mich ganz und ungeteilt, will nicht mehr beschwert und schwer sein! Lasst sie also – sagt der Herr, denn was sie jetzt und hier (gegenwärtig) tut und vollzieht, es ist von „Ewigkeit“. Der veräußerte Kaufmann ins uns kann das nicht begreifen, für ihn ist es Vergeudung, er hat nur äußere Augen und veräußerten Sinn.

 

Maria Magdalena ist dem Herrn „ganz nah“; es ist jene Nähe der kürzesten Zeit: Offenbarung 22,20 heißt es: Ja, ich komme bald. Amen, komm, Herr Jesus!

Im Griechischen steht das Wort: ταχύ, es meint hier „schnellstens“, die Zeitlichkeit eigentlich „überholend“, von Ewigkeit her, die kürzeste Kürze, endliche Zeitlichkeit, die der „Liebende“ überholt. Nicht denken: irgendwann einmal wird das sein: Ewigkeit, Himmel, Erlösung. Nein, jetzt ist es „da“, wenn ich es schon wünsche, wie viel mehr der Vater im Himmel? Die „Nähe des Bald“ ist hier und jetzt: kann ich es glauben? Wenn ich es „will“, ist es! Oft hört man die Formel: darum geht es, das ist es! Ich höre es oft, lese es oft, diese Formel. Sie sagt viel aus über den, der sie verwendet, zunächst: eine Veräußerung. Jedes Reden „über“ hat diese Versuchung zur Veräußerung: man sitzt gemütlich beieinander, diskutiert und philosophiert angeregt „über“ – sehr interessant, findet man dann später. Eigentlich aber, wenn man ehrlich ist: im Reden „über“ geht das mein je jetziges Existieren nichts an. Sehr gescheit kann man reden „über“ – ein Leben lang und viele gescheite Bücher schreiben, auch „über“ Gott. Am Ende findet man sich in einer tiefen Leere, denn man bemerkt: was hat mich das eigentlich in meinem So-sein hier und jetzt betroffen? Maria Magdalena: sie „sieht“ in der Grabkammer zwei Engel. Was sagt mir, dass sie Engel sieht? Könnte ich auch Engel „sehen“, wünsche ich das, wäre es nicht wünschenswert? Und die Engel sprechen mit ihr – wünschte ich das auch? Und sie wendet (metanoia) sich um und sieht den auferstandenen lebendigen Herrn. Wünsche ich das auch, ihn zu sehen? Und sie redet auf „Du und Du“ mit ihm – und sie „wendet sich ihm zu“ (wieder dieses ἐπιστρέφω) – in der deutschen Übersetzung heißt es: sie sagte auf „hebräisch“ Rabbuni. Das ist nicht nur so ein Vermerk, den man unbemerkt lassen könnte, so, als hätte sie auch Griechisch oder Latein oder Englisch antworten können, einerlei.

 

Nein, die, die ganz „intim mit dem Herrn ist“, sie spricht hier die „Heilige Sprache“, also die innerste Sprache, die „Sprache des Herzens“ (das meint hebräisch). Es ist unser aller Sprache, das Hebräische, auch wenn wir das Hebräische gar nicht lesen und sprechen können, dem Äußeren nach, so können wir es doch im „Innersten dem Herzen nach“. Die Heilige Margarita Maria Alacoque, ihr offenbart sich der Herr, im „Herzen Jesu“: Herz Jesu meint jetzt: innerste Intimität mit dem Herrn, keine Veräußerung mehr, entbrannt sein – das ist das „Hebräer-sein“ in uns. Und sie, Maria Magdalena, „verkündet“: Ich habe den Herrn gesehen! Aber sie glauben es nicht, weil es bei ihnen selbst unmöglich ist. Ein Letztes, was man von ihr erfährt ist: das Aus-richten. Sie richtet aus, verkündet nun in ihrem Existieren. Ihre gesamte Seins-Weise ist ergriffen. Mit Maria Magdalena kann man nicht mehr diskutieren oder gescheit philosophieren, da würde sie sagen: keine Zeit dafür, bete du jetzt mit mir, aber bitte keine Diskussionen! Der Heilige Matthäus berichtet dann (Matt 28,7) vom Auferstandenen als dem „Vor-Gänger“, also dem, der immerzu voran-geht, dem wir alle hinterher-gehen dürfen und können, durch den Tod hindurch. Nach Galiläa sollen sie gehen: es meint: in das äußere Leben wie es sich lebt und wie es uns zukommt, in die Seinsform der Äußerung, aber jetzt mit der „Innerung“.  Wenn die Innerung da ist in mir, kann ich beruhigt in die Äußerung gehen, dann wird mich die Äußerung nicht auffressen. Wenn wir diskutieren „über“, da liegt die Gefahr der Veräußerung, also des Verrates. Sehr gescheit kommt der Verräter in uns selbst daher, sehr logisch oft, philosophisch, kann glänzend argumentieren und endlos diskutieren. Aber im Herzen, in der Mitte des Existierens, wo die Frage herankommt: wofür lebe ich – wofür sterbe ich: da bleibt es im Verräter „kalt“ (unbewegt, nichtssagend). Aus dieser Kälte des Existierens, scheint mir, kommt Maria aus Migdal, ihre Seinsverfassung muss in dieser veräußerten Art zu existieren gelegen haben – und dann, plötzlich, der Einbruch des „Heilands“. Unerfindlich, nicht zu berechnen, reine Gnade. Beim Heiligen Johannes wird in 12,4 dann das Zusammentreffen der Heiligen Maria Magdalena mit  Judas Iskariot berichtet. Das ist kein Zufall, dieser Zusammenstoß, kann man sagen, es ist ein stiller Zusammenstoß. Kein Wort wird gesprochen, aber sie, Marjam aus Migdal, sie erkennt innwendig den Judas, weil sie selbst „so“, in dieser Art und Weise zu existieren, war. Heil und Unheil begegnen hier einander. Judas Iskarioth: der Mann (isch) aus Krioth: Vorort, nicht im Zentrum Gottes seinen Wohnsitz haben. Kriah / Krioth: Riss, Risse: abschneiden, ausrotten; im Griechischen: σχίζω, spalten, zerreißen  - der Schizophrene ist ein Zerrissener. Johannes 13,30 sagt von der Nacht des Verrates: Judas ging „sofort“ – es war aber Nacht. Nacht ist völlige Dunkelheit, ein Herumtappen wie ein Blinder, in der Nacht der Seelen verfinstert es sich, in der Nacht kommen die Betrüger und die Nachtgeister sind die Dämonen. Judas bedeutet eigentlich: Gott loben und das ist auch sein Wesen und er handelt aber genau dem entgegen ganz veräußert, so veräußert er auch den ganz Heiligen, kann nur mit äußeren Sinnen nach Wert und Gewinn, nach Eigennutz handeln. Maria aus Migdal wird solches Existieren genau kennen, sie war doch auch ganz besessen nach dem Äußeren, aber sie „salbt“ den Herrn, zerbricht ihr Gefäß, ihr altes Existieren zerbricht sie und schenkt sich dem Herrn. „Veräußert existieren“ meint auch: ich lebe „als ob“, nicht so wichtig der je jetzige Augenblick, muss ich nicht so ernst nehmen, kann ständig die Rollen wechseln, nach Beliebigkeit leben, keine Verpflichtungen mehr eingehen müssen, ja, Verpflichtungen „abwerfen“ – das heißt: veräußert (verraten) leben. Dass der gelebte Augenblick von Ewigkeit her (von Gott) geschenkt ist, das ist dem veräußerten Menschen in mir egal. Ich kümmere mich nicht darum, stelle Gott und seine Schöpfung unter die Beliebigkeit einer „Diskussion“, die morgen schon wieder ganz anders geführt und auch anders gewollt wird. So, in diesem beliebigen Existieren, kommt es nie zur Entschiedenheit der Intimität mit Gott. „Veräußert existieren“ hat auch den Sinn, nicht mehr gelassen zu sein. Das ist der Hinweis auf das „Lamm“, das mit sich geschehen lässt was ihm geschieht; das Lamm empfängt ohne Zucken das, was ihm von Gott her beschieden ist. So über-lässt (das Lassen) sich das Lamm dem Großen Zu-Fall von Gott her. Veräußert existieren heißt aber auch: das Wort Gottes rein „historisch“ machen. Die Worte: damals war es, in jener Zeit war es: diese Formeln sind unglaublich verführerisch, sind eigentlich Distanzphänomene mit suggestiver Kraft – denn sofort wird das Heilige profaniert. Wenn wir „Judas“ auch nur hören, dann ist sofort die Versuchung da: ach, der Verräter, der damals, einer der Zwölf. In mir aber selbst ist das alles lebendig, Schuldige wo anders suchen, das ist schon Ablenkung von der eigenen Schuld, dass man selbst Schuldner ist, dass der Judas in mir wohnt und mächtig sein kann. Und das verkaufte, veräußerte Existieren, es sitzt tief, so tief, dass man verzweifeln möchte und so setzt man vielleicht Kraft und Energie ein, um das in sich selbst auszurotten, will Seelenarzt seiner selbst sein. Da braucht man auch den Erlöser nicht mehr, man tut selbst. Vielleicht ist das die größte Gefahr: man ist zu stolz, den Erlöser zu „brauchen“, ihn in Anspruch zu nehmen, ihn wirklich zu nötigen (be-nötigen). Passahmahl: das Vorübergen Gottes; Fest der ungesäuerten Brote. Ein „Fest“-Mahl. Was heißt das? Das Fest, da das eigene Existieren nüchtern wird, schmal und unaufgebläht, wie die Heilige Hostie, von Zeitlichkeit und ihren Abarten nicht mehr gesättigt. Das Lamm Gottes geht aus diesem irdischen Leben unaufgebläht zum Vater, in die Ewigkeit, gibt sich der Ewigkeit hin. Es wird „hier“ geschlachtet, wie wir auch alle „hier geschlachtet“ werden, jeder von uns wird geschlachtet, so, oder so.

 

Das „veräußerte Existieren“ hat das Fragen aufgegeben, es frägt nicht mehr: was bedeutet das eigentlich, was heißt dieses Wort, was sagt es „mir“, jetzt in meine Existenz hinein? Darf es jetzt lebendig (ernst) in mir sein, so, als spräche ein Anderer mit mir? So scheint mir, dass ein Kennzeichen unserer Zeit jenes ist, dass wir alle „nicht mehr nachfragen“ in dem Sinne des Wesentlichen, und das Wesentliche ist der lebendige Gott. Er hat mit mir immer ein Gespräch, aber ich nicht mit ihm. Fragen stelle ich dann, wenn „ich“ auf-breche. Der Auf-Bruch des Existierens ist das Sich-lösen-können von der alten Existenzweise, so, wie es Marjam aus Migdal erfährt. Eine alte, harte Schale bricht auf; sie wird, muss man jetzt sagen, aufgebrochen. Von wem? Vom Erlöser! Auf-Bruch hat auch den viel weiteren Sinn, dass die horizontale Welt nicht mehr „absolut“ gesetzt wird; der Aufbruch ist zugleich ein Weggang von der Dogmatik des horizontalen Absolutismus. Vergänglichkeit und Zeitlichkeit bekommen jetzt ihren Sinn vom Ewigen Gott her, damit ist die Horizontalität relativiert. Oder anders: das Bedingte wird vom Unbedingten gestiftet. Genau hier liegt die Gefahr des Veräußerns, des Verratens, des Verkaufens des „Heiligen“. Wenn das Profane absolut gesetzt wird, dann „geschieht“ der Verrat in mir – der Heilige (Jesus Christus) wird verraten und verkauft für den Wert von Endlichkeit. Dann werden auch Meinungen und Beliebigkeiten groß, man hat dann Kraft zu Reformen, gönnt sich Urteile, meint, jetzt wäre man in der rechten Freiheit. Ein noch anderer Sinn von „veräußerter Existenz“ liegt in der Sicherheit. Wenn eine Existenz meint, es sei jetzt endlich „sicher“ (Sicherheit in Endlichkeit), dann kann man davon ausgehen, dass der ontologische Zirkel geschlossen ist, dass kein Auf-Bruch mehr zugelassen wird. Das Versprechen von horizontaler Sicherheit ist eine glatte Lüge und Hinweis auf den Hinderer, den Satan. Die Zahl 666 zeigt es schon an: es gibt da keine vertikale Bewegung mehr, sondern das endlos Horizontale 6666….. Un-Sicherheit „hier“ wäre dagegen ein Aufbruch ins Ewige, ein Leben aus dem Urquell. Maria aus Magdala hat dies alles an sich erfahren und „sitzt nun zu Füßen“ des Ewigen und ist Hörerin des Ewigen. Das „Bessere“ hat sie gewählt. Sitzen hat den Sinn: ich habe mich „hier nieder gelassen“, hier ist es gut. Sie hat die aufgeregten Sicherheiten des horizontalen Lebens hinter sich gelassen, und sie konnte es, weil der Herr ihr lebendig ist, der Herr, ihre einzige „Sicherheit“.

 

Ein Wunder hier? Ich weiß nicht, was man sich unter „Wunder“ hier vorstellt: dass z.B. jetzt ein Engel erscheint wie der Nachbar oder dass die grünen Bäume plötzlich rot sind. Und wenn man das wahrnimmt, ja dann glaubt man an Gott. Nein, das wäre doch langweilig und sicher eine Versuchung: „hier“ (in der Zeitlichkeit) soll es seyn! Jetzt und hier und gleich und vor meinen Augen! Jesus schickt den Versucher weg: aus Steinen Brot – weg mit dir! Vom Dach springen – weg mit dir! Alle Reiche der Welt – weg mit dir! Die „Versuchung“ zum jetzt und hier und gleich und sinnlich: sie ist sehr groß und wir fallen immer wieder herein!

Es ist „in uns“, eine erdnahe Kraft, die uns binden will an das horizontale Feuerwerk, es sind die gefallenen Engel, die uns ziehen und verführen wollen. Und wir spüren es gut: es ist eine „Unruhe“ in uns, eine tiefe existentielle Unruhe, die uns antreibt zu machen, zu fuhrwerken, eine Unruhe, die uns nicht zur Ruhe kommen lässt und wäre diese „Ruhe und Stille“, ja dann flieht man sie, denn sie bringt sehr große Unruhe mit sich, diese Stille, es könnte ja jetzt alles auf dem Spiel stehen, existentiell zumindest, ich müsste mich jetzt wirklich entscheiden: Alles (Gott) oder Nichts (Zeitliches, Vergängliches, Weltliches).

 

Existentielle Unruhe ist die erhitze Aufgeregtheit, die unterschwellig immerzu wegdrängt vom lebendigen Gott. Diese Aufregung (der Turm, migdal, das Aufragen) ist letztlich das Existieren im Hoch-Mut (Stolz).

 

All das sagt der Name „Maria Magdalena“, sie ist eine Heilige, die wir sehr bitten mögen für uns zu bitten, denn sie kennt uns alle sehr gut; sie kommt, wie der verlorene Sohn, ganz aus der Veräußerung, aus der Verlorenheit, sie begegnet dem Verräter, nicht nur dem Judas damals, sondern in uns auch dem Verräter, und sie sitzt und „hört“ dem Heiland zu, ist Hörerin des Ewigen Wortes und der Auferstandene zeigt sich ihr, weil sie „aufgebrochen“ ist (porös und durchlässig) zum Ewigen Leben.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLVIII)

 

 Λήθη XIX    Erlösung XXVII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit VI   (Christkönig 2022)

 

 

Versuchung

 

 

Man sagt, erwachsen sei ein Mensch dann, wenn er Verantwortung übernimmt. Im Wort Ver-Antwortung liegt das Antwort-geben und zugleich auch: die Antwort empfangen. Geben und Nehmen, das meint Verantwortung tragen. Dieses Geben und Nehmen als Verantwortung tragen führt keinen Riss mehr mit sich, sondern „handelt un-überlegt“. Das meint kein naives oder verantwortungsloses Tun, sondern das je jeweilen empfangene Handeln und Tun von Ewigkeit her. In der Ant-wort liegt das „Wort“. Verantwortung ist dem Wort verpflichtet, sie stellt sich dem Wort offen, liefert sich dem Wort aus. Das „Ant“ – im Ant-Worten ist die Gegenrede oder der Habitus der Stellungnahme. Wofür, kann man fragen, ist man denn verantwortlich? Ja, für alles Mögliche: Familie, Gesellschaft, Arbeit, Mitmenschen, usf. insgesamt vielleicht für die Umwelt, für ein gutes Klima, für meine Mitmenschen usf. Man ist ganz automatisiert darauf hin erzogen, in dieser Art und Weise von Verantwortung zu sprechen und man kann sagen: Erziehung ist dann gelungen, wenn ein verantwortungsbewusster Staatsbürger herangezogen ist. Mit anderen Worten, die dasselbe meinen: wenn ich die Gesetze einhalte (mindestens die erlassenen), dann bin ich verantwortungsbewusst. Verantwortungsbewusst ist zugleich, wie man sagt, pflichtbewusst: man erfüllt auf Punkt und Komma seine Pflicht.

 

Es liegt eine große „Versuchung“ darin, in diesem Sinne pflichtbewusst zu sein, ein Programm zu erfüllen, das dem entsprechen soll, was per Gesetz verlangt ist. Und diese Versuchung ist das Schon-zu-Ende-gekommen-sein im Enden der Zeitlichkeit. Wir sind, mindestens im sogenannten Westen, „so“ aufgewachsen: Gesetze erfüllen, pflichtbewusst zu werden (auch wenn wir es vielfach dann doch nicht sind), Verantwortung per Gesetz zu übernehmen, Punkt für Punkt zu erfüllen, Titel, Ehre und Rang, metaphysisch obdachlos, religiös privatisiert, existentiell egalitär.

Wir haben durch und durch gelernt, auf Zeitlichkeit zu achten, auf die sehr kurze Spanne zwischen Geburt und Tod, auf jenes Minimum an Leben (oder was man so nennt), das viel verspricht und letztlich nicht hält was es verspricht. Es gibt auch eine andere Verantwortung, von der man heute lieber schweigt oder gar nicht mehr weiß, dass es sie gibt. Es ist die „Ewige Ver-Antwortung“: von der hörten wir in den letzten Jahrzehnten nichts mehr, mindestens mit Beginn der Frühen Neuzeit hat sich hier ein liberaler Wurm eingefressen, der heute alles zu erdrücken scheint. Über „diese“ Dinge redet man lieber nicht (man nennt sie die „Letzten Dinge“), das war einmal, aber heute ist anderes wichtiger. Ich kannte einige Menschen, die es besser wussten, von diesen Letzen Dingen doch zu sprechen, aber sie taten es nicht. Warum? Unter ihnen auch Priester, aber sie sprachen nicht über die Letzten Dinge und wenn, dann nur sehr „liberal“, so in der Art: Gott wird schon verzeihen, mach´ dir darüber nicht so viele Gedanken.

 

Einmal, ich war gerade einmal 10 Jahre alt, kam es zu einem Priesterwechsel in der Pfarre, ein Zisterzienser löste den alten Pfarrer ab, der immer sehr, sehr gutmütig war und dann hieß es: der neue ist aber sehr, sehrt streng – und man blieb weg, ging nicht mehr hin. Besorgniserregend ist heute die Flut der Entrüstung und gespielten Aufregung, um „fern zu bleiben“: Missbrauch, nicht diskutierbare Wahrheit, Kirchensteuer, usf. Der tiefe Mangel an Ein-Sicht ist in allen Lagern der Gegner bestimmend: sie wissen nicht, worüber sie sich eigentlich aufregen, sie haben keine Einsicht genommen und stammeln besinnungslos daher. Wir wuchsen also in den letzten Jahrzehnten (vielleicht Jahrhunderten) so auf: zeitgebunden, ortsgebunden, relativiert auf das Horizontale und fixiert auf das Zeitliche. Gott, Tod und Auferstehung, die Letzten Dinge: lieber nicht! Man sagt dann: Deine Entscheidung (Privatsache)! Sagte einer: Du, das Zeitliche, alles was dir so beigebracht wurde, was dir Welt heißt, es wird vom Ewigen Gott her gelenkt und unterhalten – weißt Du das, kannst Du es glauben? Nein, so hat man mit uns nicht gesprochen und auch wir sprechen nicht so, nicht über diese Dinge, nicht mit den Leuten, nicht mit unseren Kindern: Jugend ohne Gott. Und dann die Gegenfrage: gut, Gott lenkt die Welt, aber wo ist er, wo ist dieser Gott! Antwort: er ist immer da, aber du bist nicht da, du bist immer irgendwo, du bist im Seyn und doch nicht „da“. Du hörst die Stimme Gottes, achtest aber nicht auf sie. Frag´ also nach dem „Wort“ und es wird dir antworten, ganz bestimmt wird es das und vertraue unbedingt darauf, dass der Herr dir antwortet. Man könnte auch so sagen: wer noch „echte“ Fragen hat, der ist gerettet, der hat nicht aufgegeben „vor der Zeit“ – wie es doch so vielfach Alltag ist: aufgegeben vor der Zeit, in der Zeit kapituliert, die Zeit zum Götzen erhoben, getäuscht von der Zeit, vom Impuls (wie mir ist). Die Frage nach den „Letzten Dingen“ ist deshalb entscheidend, da sie die Festgefahrenheit und Fraglosigkeit und auch jetzt die Verantwortungslosigkeit distanziert. Sobald einer zu „fragen“ aufhört, sofort hat er sich einen Götzen geschaffen: hat es sich gut eingerichtet in der Zeitlichkeit – so soll es dann bleiben, man lebt dann im Modus der „Erhaltung“ bis zum Abschnappen.

 

Stell´ dir nur vor, du wärest „Herr über die Zeit“ – sag´ das jemandem: Du bist Herr über die Zeit! Es meint: dein Schicksal ist nicht von Zeitlichkeit bedingt, abhängig! Du bist nicht ein Sklave der Zeit, sondern Herr über sie – kannst du das glauben? Ist das in dir lebendig, wenn nicht, dann kann es dir keiner beibringen – du musst es erfahren, wie, weiß ich nicht; Gott wird es dir schenken, kämpfe darum! Die „Versuchung“ nicht mehr zu fragen: Wer bin ich eigentlich? – ist so enorm, dass der Rausch als einzige Lösung beansprucht wird: der Rausch der Esoterik, der Psychologie, der Psychoanalyse, soziologische und magische Spiele, Wissenschaft und Expertentum, von den anderen bekannten Süchten abgesehen: Apotheke, Fitness, Wellness, Diät, 40 Jahre noch. Nicht mehr wirklich zu fragen heißt: aufgegeben haben, nur mehr im Rausch (welcher auch immer) vergessen wollen. Der „leere“ Blick lässt es erkennen. Frage: Kann ich im „Rausch“ (der Rausch als Verfallenheit an Zeitlichkeit im ganz weiten Sinne genommen) dennoch „wach“ sein? Antwort: nein! Rausch ist es, wenn ich Ziele im Zeitlichen verabsolutiere, so, als gäbe es nichts Wichtigeres mehr – so, als wären zeitliche Dinge „alles“. Das ist „Rausch“ oder wie man sagt: Betäubung. Wenn ich „so“ existiere, bin ich im zeitlichen Dauerrausch, betäubt und ich kann dann in diesem Rausch nicht zugleich „wach“ sein, offen sein für die Ewigkeit. Warum nicht? Deshalb: weil Ewigkeit keinen „Spielraum“ lässt, also dieses irdische „Tun-als-ob“ (diese liebäugelnden Generalproben ohne Ernst). „Wach“ sein: es meint, dass hier im Zeitlichen nichts selbstverständlich ist. Wir können die uns zugeschickten Augenblicke „heiligen“, in ihnen etwas von Ewigkeit sehen und erfahren. Wozu jetzt das und dies, diese Erfahrung, jene Erfahrung, warum gerade dies jetzt und hier? Meistens bleibt das unberücksichtigt. „Wach sein“ heißt dann: Anfragen, Fragen, nichts als selbstverständlich hinnehmen. Wer nicht frägt, ist tot. In diesem „Wach sein“ sieht der Mensch den Sinn in allen Dingen, er „heiligt“ sie, weil sie aus Gottes Hand geboren sind.

 

Heiligen ist ein Ganz-machen, den Großen Sinn sehen können, in den kleinsten Dingen aufmerksam sein können: dazu muss man „wach“ sein, aufmerken können. Stimmungen zeigen unvermittelt in dieses Heiligen. Das deutsche Wort „Heil-igen“ (Ganz machen) trägt in sich das „Heil“, das ewige Gut-sein, und das ist auch die „Heilung“. Kein Arzt dieser Welt kann heilen, er kann Symptome behandeln, wegmachen, aber heilen kann er nicht: die Heilung, dass das Zeitliche mit dem Ewigen vermählt ist. Betäubung, wie das Wort schon sagt, will „taub“ sein, will und kann den Ewigen Sinn nicht zufügen: dem Taubstummen sind die zugeschickten Geschicke „selbstverständlich“ geworden, er walzt in seinem Rausch darüber hinweg als ob es nichts wäre und so immer weiter fort und ohne Ende. Das heißt: Dauer-Rausch. Immer abgelenkt sein vom Großen Sinn, vom Sinn-Stifter, von Gott, weg sein. Am Ende verliert man sich in dieser Art zu sein im Sinn-losen, hängt im „losen Existieren“ herum, wie es kommt und meint, es hätte auch ganz anders kommen können. Aber nein, es hätte eben nicht anders auch kommen können: ich war nicht bei „Be-Sinnung“, wenn es mir so sinn-los kommt. Sich be-sinnen heißt schon: den Sinn sehen und zufügen. Alles ist sinnvoll, trägt Gottes Handschrift, aber ich bin blind und stumm und vegetiere. Vom „Sinn“ des Sinnes bekommt man eine Ahnung in dem, was Sinn-Stiftung meint: der Stifter „gründet“, legt den Grund, bereitet den Boden: Grund-legung. Und man kennt im Alten Bund die „Stifts-hütte“, das Offenbarungszelt, es ist beweglich, es ist der Ort der Gottes-Begegnung. Hier erst lässt es sich „wohnen“, hier ist die eigentliche Wohnstatt. Da, wo gestiftet wird (Sinn-Stiftung), da erst ist es wohnlich, behaglich, zutraulich, menschlich. Beweglichkeit ist der Starrheit entgegen, es fordert mich heraus, zu antworten, Antwort zu geben, ver-antwortlich zu sein. Die Stiftshütte im Alten Bund ist nicht eine Reliquie irgendwo in der Wüste um den Sinai herum, nein: der Sinn wird je jetzt gestiftet. Kann ich das sehen, oder bin ich im Rausch?

 

Sinn ist also Synonym mit Fundament: den Dialog mit Gott lebendig führen. Wenn wir diesen Dialog mit Gott nicht mehr unterhalten, vegetieren wir, bleibt es sinn-los, dann beginnt die Nacht der Entfernung, unmerklich geschieht das: es ist hier die Wende zur Entfremdung von Gott, der Beginn der stetig zunehmenden Raserei, denn von nun an setzt man auf das eigene Machen und Können, man muss tun und gestalten und dazu muss man „wissen“, man muss also hierfür das Glücklich-seyn und das Ewig-seyn gewissermaßen aufgeben, das umsonst geschenkt ist. Im Zug dieser Entfremdung von Gott „muss“ man dann „tun“, mehr und mehr getrieben wird man mit der Zeit verkalkt, verblödet, senil und wartet auf die Pension. Im Grunde liegt in der Sinn-Stiftung das Ablegen jeglichen Vorbehaltes und das ist das Ein-stimmen in das, was „ist“. Was ist? Das Seyn ist. Der Hinderer (Satan) hindert diese Ein-stimmung, weil er im Vor-Behalt seinen Aufenthalt hat. Man kennt das in der Rechtssprache: ich habe hier einen Vorbehalt, behalte mir das vor, es meint: ich kann ich hier nicht ganz vertrauen, ich möchte mich durch den Vor-behalt absichern. Wer einen Vorbehalt hat, spricht sein Un-vertrauen aus, er rechnet insgeheim nach, ob er nicht doch enttäuscht werden, vielleicht sogar einen Verlust erleiden könnte. Die Angst, zu kurz zu kommen, hintergangen zu werden, das alles liegt im Vorbehalt und die Alte Schlange ist es doch, die stets flüstert: Hat Gott wirklich gesagt…! Hier liegt der Ursprung des „Zweifels“ in Gottes ewige Gutheit und am Ende des Zweifels steht doch die Ver-Zweiflung, das Nicht mehr ein- und auskönnen. Liebe hat keinen Vorbehalt, sie rechnet nicht, sondern nimmt und gibt in Freiheit und das meint: in voller Dankbarkeit. Freiheit und Dankbarkeit sind „identisch“, es gibt keine Freiheit, die nicht Dankbarkeit wäre und wer „dankt“, erst der ist frei. Es gab einmal in der Philosophie die Rede von der Freiheit von, und der Freiheit zu – und hier könnte man noch tiefer blicken und sagen: be-freit zum Danken, ausgebrochen sein aus dem engen Korsett der Berechnung, des Vorbehaltes: Gott danken, Gott loben, befreit zu diesem Dank, das ist die wahre Freiheit, denn sie befreit vom Vorbehalt, das ist: von der Einschüchterung des Zweifels.

 

Diese neue Freiheit ist die der „Umkehr“: jetzt erst kommt sie aus der äußersten Verirrung, die die Freiheit auch zum äußersten Bösen beinhaltet, zurück zum Vater, aus freien Stücken und nicht aus Zwang, Müssen, nicht aus Pflicht. Die vollendete Liebe beinhaltet die Freiheit zum äußersten Bösen, sonst wäre sie keine „wahre Liebe“, sondern programmierte und alles Programm ist am Ende Langeweile, Maschinerie. „Versuchung“ ist dieser Zyklus überschrieben: Versuchung, darin liegt das „Suchen“, aber in der Versuchung ist es ein verlorenes, betriebsames, innerweltliches (horizontales) Suchen. Es ist der „Versucher“ in uns, der versucht, er sitzt in uns, eine geistige Macht, die ab-lenkt. Der Schrei um Erlösung vom Bösen (Vater unser) ist der „wahre Schrei“, denn er weiß nicht, kann nicht berechnen das Böse, es ist da, ich benötige den Erlöser in dieser Not (be-nötigen). In jeder Versuchung liegt der Keim der Ablenkung von Ewigkeit; es soll sich um das Horizontale drehen, nicht um Ewigkeit, die kommt irgendwann einmal oder gar nicht, meint man, beschäftige dich lieber mit Karriere, Konsum, Wohlstand, Gutmenschentum. Hauptsache ist: du bist beschäftigt, womit, ist egal! Versuchung ist immer Ablenkung vom Wesentlichen: Ablenkung von Gott. Zuerst noch dies und das, noch jenes, noch dieses Programm, endlos geht das so: später Pension, dieser Urlaub noch, jenes Lokal, dieses Haus, dann die Enkelkinder, vielleicht noch ein E-Auto, Hausbau, Umbau – ja dann! Gott ist dann bestenfalls ein abstraktes Element im Programm der Großen Ablenkung. Dieses „Immerzu-beschäftigt-sein-müssen“ (egal, womit, Hauptsache: beschäftigt), das ist der Kern der Versuchung. Einmal nicht beschäftigt zu sein, was wäre dann? Man bekommt sofort eine Ahnung von der Leere der horizontalen Beschäftigung. Denn augenblicklich drängen sich in aller Eile folgende Gedanken auf: dies noch machen, jenes besorgen, was denken die wohl, wie wird der Krieg ausgehen, was ist mit dem Klima, morgen muss ich dies noch machen, eigentlich brauche ich eine neue Hose, was koche ich am Abend, usf. Man hält das Nicht-beschäftigt-sein sehr schwer aus. Was soll man auch tun, wenn man nichts mehr tut? Dann wäre wohl Gelegenheit zum Seyn, sich dem stellen, was schon „ist“. Es ist hier Gelegenheit, Gott, den lebendigen Gott, kennen zu lernen. Gott kennen-lernen? Wer bist du, Gott? Lass´ mich dein Angesicht schauen (2 Mose, 33). Hat das Mose so erfleht, der Mose, den man historisch gar nicht festlegen kann? Eine Geschichte, wie man sie hört, irgendwann einmal? Rufe ich – Gott, wer bist du? Rufe ich verzweifelt oder zum Schein oder weil es sich gehört?

 

Im Wort Versuchung liegt auch das: ich versuche es, ich suche es, ich probiere es aus, auf die Gefahr hin, dass es nicht gelingt! Ich versuche Dir, Gott, mit meinem Existieren zu antworten, es gut zu heißen so wie es ist, fortwährend deine Anwesenheit zu loben, gerade dann, wenn es mir vorkommt, es läuft alles schief. Sie hat kein Ergebnis, diese Liebe, es sei denn, sie wäre „umsonst“, denn die Liebe hat die Berechnung aufgegeben, sie schenkt, weil sie sich schenkt, sie liebt, auch wenn sie gemordet wird. Gott kennen lernen wollen ist zugleich die Aufgabe, die Oberhoheit über sich selbst aufzugeben: ich muss selber schauen, selber tun, selber wissen, selber planen und erledigen: damit hat es ein Ende. Der, der ich bisher war, der kann ich dann nicht bleiben: es ändert sich grundlegend in mir. Man empfindet: jetzt bin ich doch ein anderer geworden, es ist gekommen, dieses Anders-werden, genau kann ich es nicht sagen: ich spüre es aber, es ist etwas Großartiges am Werk. Oben war vom „Rausch“ die Rede und es meint: Lebens-Rausch, das Dahin-rauschen im rein Horizontalen, diese Verlorenheit im Impuls der Erregung. In diesem Rausch schaltet man Ewigkeit aus. Im Lebens-Rausch vergisst man, was war und was kommen wird: es zählt nur der je jetzige Ich-Impuls der Erregung, man verliert sich in diesen Impulsen und muss sie ständig wiederholen. Ewigkeit „stört“ dann sehr, denn sie führte zur Nüchternheit: einmal ist mit diesen Impulsen Schluss – und was ist dann? Nun: ich bin mit DIR im Gespräch, es ist eine ewige Unterhaltung, ein Fragen, ein Suchen, eine Sehnsucht nach dem, was immerseiend präsent ist, eine Unmöglichkeit hier und doch: dieses Gespräch. Die Seele spricht in diesem Gespräch, man selbst ist bloßer (lediger) Zuhörer, sieht sich selbst dabei zu und weiß gar nicht, wie einem geschieht! Rausch bedeutet: man kann es „hier“ erreichen, oft mit viel Mühe, aber es wird „hier“ gelingen, also setzt man viel Fleiß und Mühe ein und Überwindung, man trainiert sich den Erfolg und das Gewinnen an, darum geht es dem horizontalen Absolutismus. Das Auslangen „hier“ will man suchen, das Sich-abfinden mit den zeitlichen Dingen. Ewigkeit stört dann nur, macht aggressiv, denn Ewigkeit spricht ungeschminkt: dein horizontaler Absolutismus ist nicht „alles“, am Ende nur Staub, mach´ dir das endlich klar! Es ist eine Seele hier, sagen wir, die „sehnt sich nach Ewigkeit in ihrer Zeitlichkeit“, dann ist sie begnadet, auf dem Weg zur Heiligkeit; von Gott her ist sie so begnadet, gerettet. Möchte man nicht allen Seelen diese Rettung wünschen? Wünschte man nicht den Seelen diese Gerechtigkeit Gottes (dass es „richtig“ gemacht wäre), dass es repariert sei, dass dieser blinde horizontale Absolutismus aufgehoben würde: sursum corda? Wünschten wir nicht jeder Seele hier, dass sie „heil“ (ganz, repariert, heil-ig) sei? Kann ich das wünschen, gönnen, mir selbst und allen Menschen, dem mir lästigen Nächsten  - wollte ich das?

 

Erhebt die Herzen: aus den Niederungen der Ich-Sucht (Rausch) aufsteigen, Sehnsucht nach dem Ewigen. Es stirbt eine (alte) Haltung in dir, ein horizontaler Habitus stirbt und du siehst: in dir lebt etwas „weiter“, bleibt bestehen, vergeht nicht mit diesem alten Sterben: das ist schon Auferstehung, hier spürt man schon, was Ewigkeit besagt. Sich-erheben lässt sich nicht machen, es ist ein Zugschicktes, Erhebendes eben: man wird vom Heiligen Geist erhoben, nicht der Mensch erhebt sich, das kann er gar nicht; Erhebung geschieht einem, sonst wäre es Übermut, Hochmut.

Das Leben also zur Ewigkeit hin genießen wäre: es „heiligen“. Die Versuchung will von dieser Erhebung ablenken, hineinzerren in das bloß Horizontale, wo es am Ende „sinnlos“ wird: das Leben ohne Ewigen Sinn. Ewigkeit ist dann ein Wort wie jedes andere, keine lebendige Beziehung und Leidenschaft da, eine erkaltete Liebe, eine Liebe, die man erwirbt, kauft, für eine schnelle Erregung, aber dann ist es aus. Gekaufte Liebe ist kalte Liebe, etwas, was einem hinterher Leid tut, worüber man betrübt sein könnte: das war es doch nicht! Denn, gefangen im horizontalen Absolutismus, verstrickt in die Geschehnisse des Überrollenden, wird man ohnmächtig, glanzlos, farblos, sinn-los. So verstrickt bleibt man gewohnt im immer Gleichen, kann nicht ausbrechen, sich erheben, Sinn und Seele erheben, es fehlt die Sehnsucht dazu: „so“ zu existieren heißt: Sadduzäer sein. Im selben Moment, in dem du etwas denkst, ist der Gedanke „konkret“ da – wie du träumst, ist es schon „konkret“. Die Versuchung liegt gerade dann auch darin, dem konkreten Gedanc nicht so ernst, nicht so wichtig zu nehmen – es als Hirngespinst auszugeben. Hirngespinste gibt es schon und es sind jene Abstrakta, die wir uns zusammenreimen in der Meinung, das wäre schon wahr und echt. Du erlebst also „unmittelbar“, was du denkst, träumst und glaubst. So ist der Sinn des „Begreifens“: etwas begreifen heißt nicht nur: gut, das verstehe ich jetzt – das Begreifen ist wirklich ein „Angreifen“, so, wie der Heilige Thomas die Seitenwunde Jesu „begreift“, angreift, ja, dadurch auch „versteht“ – das gehört zusammen. In der Heiligen Schrift ist oft das Wort überliefert: was bald geschehen muss (Offb 1) oder die „Zeit ist nahe“ (Offb 1,3).

 

Dieses „Bald“ und diese „Nähe“  - sie haben keine Zeitdimension mehr an sich, sie gleichen dem Einbruch des Ewigen in Zeitlichkeit. Wer hier mit „Zeit rechnet“, der spielt herum, nimmt es nicht ernst, für den ist alles letztlich ein historisches entferntes Spielen ohne Ernst. Der Feind gönnt diese Nähe, dieses: bald ist es, zum Greifen nah – nicht, denn der Ernst der freien Liebe relativiert die Sorge um Zeitlichkeit, plötzlich gilt der Automatismus der Einschränkung nicht mehr. Man lebt dann aus der „Ewigen Quelle“, denn der Erlöser hat die Seele gefischt, aus der Zeit herausgezogen. Das geschieht nicht in 100 oder 1000 Jahren, nicht in einer Anzahl an Jahren, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft, denn Ewigkeit hat keine Zeit bei sich. Dieses „Nahe sein des Herrn“: es geschieht „jetzt“, insofern ich es gestatte. Die „Versuchung“ liegt auch hier: man hat sich gewöhnt, auf das äußere Geschehen zu achten, und das für „alles“ zu nehmen. Die Aufregung um diese „äußeren Dinge“ sind da, spürt man: Krieg, Corona, Inflation, Umweltverschmutzung, Krankheit – immer ein Thema, und wenn es nichts mehr gäbe zu thematisieren, so erfindet man ein äußeres Thema – das alles schreit, aber „sagt mir nichts mehr“, denn meine Quelle ist im Seyn, im Ewigen. Das Äußerliche rührt mich nicht mehr im Innersten an, hat hier keinen Zugriff mehr. Gut, kann man sagen: Welt-Flucht, Stoizismus. Nein, denn wer die Welt flieht, der ist ein „Gejagter von Welt“, hat Angst, dass ihm Welt (Äußeres) angreift, misshandelt, vernichtet und ist sehr besorgt um das Äußerliche, ja sehr wehleidig. Man kann stets auf das Äußere fixiert sein (auf das, was die Zeitlichkeit heranträgt) und dann sind die Folgen: Depression, Mutlosigkeit, Angst, Enge.

 

Es liegt anders: gerade die Seele vom Ewigen her kann erst „wahr“ der Welt begegnen, die Welt „seyn“ lassen  und darin liegt schon die Gelassenheit zum „Wohnen in der Welt“. Dieses „Wohnen“ (Heidegger) in Welt bezieht den Aufenthalt, darin die Enthaltsamkeit liegt und auch der „Halt“, also die „Haltung“ (habitus). Ent-halt-samkeit meint: die Seele ist treu, weiß sich verbunden mit dem Erlöser, hält sich fest am Erlöser (der Halt), die Seele baut nicht mehr auf Zeitliches, ihr ist das vergängliche Feuerwerk nicht mehr alles. Im „Aufenthalt“ relativiert sich auch das Meinen von Gut und Böse: denn was ich „meine“, ist nicht mehr so wichtig, es wird richtig belanglos, was „ich“ meine: denn bei Gott ist doch alles gut, er weiß schon, ich muss es nicht „wissen“: Gott sei Dank! Gott loben und preisen und ihm danken, wenn es mir gut geht, ist leicht, und wenn es ganz schwer über mich kommt, ihm dann auch danken: das ist noch viel besser, wahreres Gottes-Lob. Aufenthalt „wohnt“ in der Welt ist aber nicht mehr „von“ der Welt, ist nicht mehr Diener dieser Welt, denn das Äußere ist immer ein Fremdes, etwas, da man spürt: es geht mich im Wesen nichts an. Das Urteil über gut und böse überlasse ich daher beruhigt dem Herrn, er ist der Herrscher, er weiß schon, er wird es auch reparieren, gut machen, heiligen. Der Aufenthalt entzieht sich dem „Anstoß“, indem er sich dem Anstoß über-lässt. Das klingt paradox und ist es auch. Dieses Anstoßen ist das Stoßen der Bedrängnisse, die kommen und da sind: tagtäglich. Wer auf dieses Stoßen „alles“ setzt, der ist veräußert, ganz im Äußeren aufgegangen, also: verkauft, denn das Veräußern nennt man doch das Verkaufen. So kann man auch die Seele veräußern, sie ganz aussetzen dem Anstoß, auf dass sie sich nicht mehr erheben kann zum Ewigen. Die Seele wird dann richtig gerüttelt vom Anstoß, ist Knecht des Anstoßes und muss sich dann immerzu aufregen (aufragen, migdal, Turm). Ganz anders der „Aufenthalt“: Sich dem Anstoß über-lassen heißt dann aber: dem Anstoß „gelassen“ sein, z.B. den Anderen sein lassen, ihm auch sein Seyn zulassen, sich nicht mehr aufregen darüber, ja auch nicht mehr Recht haben wollen.

 

So ist dieser „Aufenthalt“ Einkehr einer Kehre, eine Wende, jetzt erst ein „Wohnen in Welt“. Vorher war eine Flucht vor der Welt: ein Verteidigen, Verurteilen, aggressiv sein, unverzeihlich sein, sich schützen müssen, sich verstecken müssen. Welt-Flucht ist nicht: ich imaginiere mir ein wohliges und seliges Jenseits, damit ich mein Elend hier ertrage; (Feuerbach, Marx). Im Gegenteil: Welt-Flucht nimmt Anstoß an der Welt, will dem Anstoß wehren, davor flüchten, das Kreuz, das jedem zukommt, abwerfen – vor dem Kreuz „flüchten“: das ist Welt-Flucht. Ich muss das Kreuz fliehen, wenn mir das Horizontale „alles“ ist: dann muss ich Anstoß nehmen am Äußerlichen, muss es ändern, das Kreuz, kann es nicht seyn lassen. Ich muss dann auch die Anderen ändern, an ihnen Anstoß nehmen, gerade an denen, die mir schlecht tun, Böses tun. Das Ver-urteilen der Welt und der Anderen ist Zeugnis einer gänzlichen Veräußerlichung meiner Existenz: ich nehme dann den Anstoß, der ja in Zeitlichkeit immer da ist, für „alles“, habe keine Innerlichkeit, dieses Gestoßen-werden „gelassen“ zu nehmen und so bin ich auf der Flucht vor den Anstößen der Welt, indem ich „zurück-schlage“; so bewegt ist meine Existenz dann und kann niemals auf diese Art der Flucht zur Ruhe kommen. Anstoß an der Welt und am Anderen zu nehmen bedeutet eigentlich: ich bin noch so gebunden an den Anstoß, dass ich Sklave seiner bin, in Un-Freiheit gebunden. Wer also verurteilt und beurteilt, ist ein Sklave der Umstände, an sie gebunden und un-frei. Im Anstoß nehmen fliehe ich gerade die Umstände, so berückend sind sie mir, ein richtiges Gefängnis aus dem ich meine, mich freistrampeln zu können.

 

Nicht „verzeihen können“ heißt daher: ich bin so sehr belagert, eingeschränkt, so gezwungen vom Andrang des Äußerlichen, im Gefängnis der Umstände. Der Marxistische Himmel auf Erden ist eine ungeheure Fluchtbewegung; der Christ imaginiert sich keine Scheinwelt im Himmel, weil er auf Erden so elend ist, im Gegenteil: er weiß um sein Elend und um seine Erlösungsbesdürftigkeit. Das zu wissen ist schon ein Wunder, reine Gnade. Der horizontale sogenannte Humanist verweigert sich dieser Einsicht und meint, im Machen der Umstände sei er „Realist“. In den „Pariser Manuskripten“ philosophiert Marx über den befreiten Menschen, befreit von den knechtenden Umständen. Diese miesen Umstände werden geflohen, man will sie nicht, sie gelten als „alles“, das es unbedingt zu verändern gilt. Man bewertet die Umstände als „absolut“ und bleibt auf der Flucht. Der Christ dagegen ist „wahrer Realist“, er kennt die unschönen Umstände, nimmt sie aber nicht mehr „absolut“, er kann sie er-tragen, deshalb, weil er den Ewigen Gott kennt, der es doch mit ihm trägt. Man kann sagen: der moderne Marxist kennt nur die Horizontale, diese gilt ihm „alles“, so ist er Gefangener der Horizontale, kann nicht durchbrechen und aufbrechen. Marxismus und moderner Marxismus heißt: völlige Auslieferung und Bindung an die äußeren Umstände, nur das will man kennen und eigenmächtig verändern, im Großen wie im Kleinen. Dieser Marxismus, ob klassisch, modern oder postmodern: er hängt nur an „Zeitlichkeit“, will nur das kennen und verändern und bemerkt gar nicht, dass er Sklave dieser zeitlichen Umstände geworden ist, gebunden an sie. Das erlebte, imaginierte und medial verbreitete Elend gilt ihm als Alibi seiner humanistischen Intentionen, als Rechtfertigung seines Tuns. Marxismus war nicht nur eine Philosophie, die sich Karl Marx ausgedacht hat, Marxismus ist auch eine ganz persönliche Haltung, ein Wohnen in Welt, ausgeliefert an Äußerlichkeit, preisgegeben an Zeitlichkeit, Sklaventum der Umstände. Karl Marx schreibt in der 6. These über Feuerbach: „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Werke 3, S. 6).

 

Die allseits bekannte 11. These schließt: „… es kömmt darauf an, sie zu verändern“ (nämlich die Welt). Erich Fromm, dessen Schriften ich in meinen Jugendjahren alle studiert hatte, war von Marx sehr beeindruckt, von Marx und Freud und auch von seiner jüdischen Tradition. Aus diesen Wurzeln schrieb er dann über jenen Humanismus, der später Karriere machen sollte. Wenn man genauer hinsieht, mit etwas Abstand, dann wird einem schon klar, dass dieser Anspruch, „die Welt zu verändern“ oder diese Definition des „Wesens“ des Menschen: er sei das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse – eigentlich grotesk ist. Zu jedem Begriff: Abstraktum, Wirklichkeit, Wesen, Welt – gäbe es Wichtiges zu sagen. Zusammenfassend: die Marxistische Grundintention und Stoßrichtung will das Elend der gesellschaftlichen Verhältnisse bewältigen, verändern, umgestalten, praktisch „seyn“ und bindet sich so „vollends“ an diese Umstände; jene (auch elenden) Umstände werden angebetet, um sie herum wird alles gebaut zum Wohl und Nutzen der Menschheit. Wenn das Wesen (die ousía) des Menschen nur mehr „gesellschaftliche Verhältnisse“ sind, dann ist es wirklich schlecht bestellt um den Menschen, er wird hier „reduziert“ auf ein Abstraktum (gerade jener Begriff, den Hegel in seiner Preisschrift glänzend parodieren wird), auf ein Gespenst (Hirngespinst) der Zeitumstände (der Anstöße). Die Vision von Marx war der sogenannte „völlig befreite Mensch“ (so in den Pariser Manuskripten:  heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. Und das sollte für jeden Menschen gelten, diese (Version) Vision von Freiheit sollte allgemein praktiziert werden: Selbstverwirklichung in Freiheit. Das verstand man damals als neue Freiheit, die heute vielfach praktiziert wird. Befreit also von der Knechtschaft der unterdrückenden Verhältnisse. Man kann das auch „Kreuz“ nennen, es war also die großgeistige Strömung, „endlich“ (in der Verendlichung) so etwas wie einen selbstgebastelten Himmel auf Erden zu errichten und für die leidende Kreatur zu erschaffen.

Man nahm, kann man sagen, sozialpolitischen Anstoß an den „Anstößen der Horizontale“, wollte endlich das Kreuz, das jeder von uns auf seine Art zugeschickt bekommt, abwerfen, es vernichten, damit endlich Frieden und Glückseligkeit auf Erden sei. „So“ in der Zeit gefangen ist man sogleich „beschränkt“ durch die Schranken der Anstöße, das Beschränkte wird dann zum Maßstab dessen, was „absolut“ ist. Dem absoluten Gott wird abgedankt und der zeitliche, anstößige Götze wird errichtet und angebetet: das nannte man und nennt man: die neue Freiheit. Gerade der „anstößige Götze“ (es ist die Zeitlichkeit und das, was sie heranträgt), wird absolut gesetzt. Die „Umstände“ (Zeitliches) werden angebetet: entweder als Gesuchtes oder als Geflohenes, gerade das Beschränkte, das morgen schon wieder vergessen ist. Die Chronik von heute ist der Kot von morgen. Und an diesem Kot nimmt man Anstoß, schlägt sich auch die Schädel dafür ein, weil man so benommen ist davon. Der Genuss dessen, was wir im Zeitlichen aufnehmen, wird verdaut und am Ende ist es doch nur Exkrement, das man aber anbetet so, als wäre es „alles“. Die Versuchung zur Absolut-setzung der Zeitlichkeit belagert die Seele permanent, von Kindestagen an bis ins leere, hohe Alter. Leer, weil es dieser Illusion erlegen ist.

 

Zeitliches kann aber auch „geheiligt“ werden, dann, wenn mir bewusst ist, dass Gott alles trägt und erhält; insofern das bei mir keine wesentliche Rolle spielt, insofern werden Götzen angebetet; ob man es weiß oder nicht, das spielt insofern keine Rolle. Also: insofern ich lebe aus und in Gott, insofern ist das Zeitliche gesegnet mir zum Wohl. Insofern diese persönliche Beziehung zu Gott „ist“ (also ein persönliches Seyn), insofern kommt es zur entschleunigten Existenz: zur Gelassenheit. Nun ist diese „persönliche Beziehung“ zum Herrn Jesus Christus „ganz ernst“ zu nehmen, sonst bleibt es ein Spielchen, ein bisschen Liebäugeln oder ein Ablehnen. „Ganz ernst“ heißt jetzt: der lebende Herr ist „da“, bei mir, in mir, um mich. Und der Herr „rettet“, bringt zurück das Verlorene, macht gerade das Krumme, hebt auf, erhebt und erlöst. In allem was „ist“, geschieht das, im Seyn selbst ist Erlösung am Werk, der Vater und der Sohn, sie ruhen nicht, es meint: von Ewigkeit her sind sie präsent und haben die Zeitlichkeit unterfangen. Und es liegt darin auch die Versuchung, die Rettung im Seyn abstrahiert zu betrachten, festzunehmen. Dann ist „Distanz“ da, Abstraktion distanziert wie auch die Frage nach der Zeit „distanziert“.

 

„Ganz ernst nehmen“ lässt keine Distanz zu. Wir tragen das an und mit uns: das Zeitliche und es kommt und es geht und es „bleibt“ nicht. Im Fragmentarischen der Zeitlichkeit ist kein Wohnen und kein Aufenthalt, keine Dauer, kein Friede, keine Vollkommenheit. Zeitliches hat keine Dauer und ist in sich daher „tot“. Nur das Zeitliche annehmen und kennen heißt dann eigentlich: schlafen und tot sein. Wenn der Herr vom „Wachen und Beten“ spricht, dann ist gemeint: wach sein zum Ewigen hin, immer das Ewige im inneren Blick haben, von hier ausgehen und dann kann man mit dem Ewigen auch in das Zeitliche gehen und es bestehen. Nie aber umgekehrt oder nur horizontal! „Versuchung“: der Sog zur Beschränktheit in der Zeitlichkeit und zu den Kindern der Zeitlichkeit ist immer präsent und sehr anziehend. Warum anziehend? Deshalb, weil scheinbar der aktuelle Affekt (im Moment) mehr zu zählen scheint als die Ewigkeit bei Gott. Man geht eben lieber in die irdische Apotheke, um sich schnell irgendwie zu betäuben, Hauptsache bleibt: jetzt ist ein spürbarer Effekt da, den wünsche ich! Die „Versuchung“ zur Anbetung der Gesetzmäßigkeit in Zeitlichkeit im horizontalen Absolutismus scheint felsenfest und wird für „Wirklichkeit“ ausgegeben. Diese Gesetzmäßigkeit in Zeitlichkeit zu durchbrechen auf Ewigkeit, auf den Vater im Himmel, scheint unmöglich.

Und gerade diese „Unmöglichkeit“ ist das wahre Kennzeichen der Liebe: das Unmögliche „erwarten“, es ist das Nicht-Kalkulierte und Berechenbare. Hier ist die Grenze: Glaube – Hoffnung – Liebe. Die Liebe kennt keine „Begrenzung“: sie weiß in „ihrer Art“ vom Erlöser, der von Ewigkeit her ohne Unterlass mit dem Vater am Werk ist. Die Wörter: umsonst, dennoch, trotzdem – sie alle sprechen jetzt von Ewigkeit, die dem horizontalen Verstand „unmöglich“ ist. Hier entscheide man sich zum Durchbruch: zur ewigen Anbetung. Was heißt ewige Anbetung?

 

Morgen feiern wir „Christ-König“. Er ist der wahre König am Kreuz: er sagt mir: ich verlasse diese Welt, ich sterbe und ich komme wieder und werde sein bis zum Ende der Tage (der Zeit), bis zum Ende auch deiner Tage. Ich bin der König der Ewigkeit, auch dein König. Auch ich verlasse diese Welt, Herr, du, mein Vorgänger, ich gehe nicht allein aus dieser Welt und ich vergehe nicht in diesem Ausgang.

 

Jesus sagt zu Pilatus, zu uns auch: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege (Joh 18,37). König aber von Ewigkeit her, nicht nur „zeitlicher König“, das wäre zu wenig, zu schmal, zu eng, zu beschränkt. Die Frage an uns, an mich: bin ich bereit, den horizontalen Absolutismus zu durchbrechen – diesen zeitlichen Horizont vom Erlöser her  - von dir, Christus König, her aufbrechen zu lassen?

 

Wir beten: und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen! So, als ob Gott uns in die Versuchung bringt, uns dort haben will, dass er seine Freude hätte, uns zu quälen.

 

„…und lasse uns in der Versuchung nicht fallen“ – es kommt hier schon näher dem, was mit Erlösung gemeint ist. „Lass uns nicht fallen“ in diesem zeitlichen Fall, in diesem Sturz im Horizontalen, richte uns auf, denn wir haben dich, Erlöser, nötig. Du bist es, Christ-König, der erlöst, du kannst den Bösen in mir erlösen.

 

O Deus ego amo te…

 

So will und will ich lieben dich

Allein, weil du mein König bist

Und weil du Gott wahrhaftig bist!

 

(Franz Xaver)

 

„Vergehen“ heißt eigentlich: verschwinden, sich in Nichts auflösen, in der Zeit untergehen, dann einfach weg sein in der Nacht des Verschwindens (Judas).

 

Nicht vergehen meint: ich bin von Ewigkeit her. Der Erlöser ist da, mein Erlöser, vielleicht und hoffentlich auch Deiner!

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Was hast du nicht, was du nicht schon hast? Wozu also immer noch dies und das wollen – es „ist“ doch erfüllt!

Gott loben und preisen, gerade dann wenn ich meine, es ginge mir schlecht, gerade im Elend Gott preisen: jetzt kann ich wirklich Zeugnis ablegen, denn für mich selbst sieht es nicht gut aus – es ist daher „die“ Gelegenheit der Gottes-Liebe: frei von Eigensucht, es geht mir um IHN, nicht mehr um mich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Confessiones? – mir zu eigen. Wohin einer geht – weiß der schon längst, dem, entkommt er niemals, der läuft vor im Vorlaufen und holt ein, was ihn schon eingeholt. Der klopft verhalten, am nächtlichen Tor; die Welt dreht sich vorüber, am nächtlichen Tor;  erst das Erkennen war: immer schon: meinkein Erkennen. Emporgehoben werden – ein Nicht-Tun: eine lautere, eine reine: Ruhe: eine Große Stille. Am Ende endet, nichtet, die Sprache im Gestillten. Das Gestillte ist der reine, der lautere, Auslauf – Genommennehmend im Schwebend sein: die Weise ohne Weise, das Sein ohne Sein, das Messen ohne Maß. Tenebrae: Weltverlust – der Welt entwachsen. Und weltwärts sind noch Schritte nichtsgebunden; die Wächter aber wachen im Nichts, enthebend, zeigen an, sind: Wegmarken. Sie – sie griffen die Welt und beugten sie und beugten das Nichts; und war mächtig in der Beugung, in der Wendung: in der Zuwendung. Der wurde sich selbst genommen: Ich werde mir selbst genommen – ein Nach-Wink – Gehörsamkeit: potentia oboedientialis. Zu viel, zu viel im Aussagemodus; dadurch sehr und wesentlich geschwächt. Der Gott-Erleider stellt sich: der Aussagemodus suspendiert.

 

 Zu eng – zu klein – zu zeitlich – an keiner Stätte ein Genügen;

 Die Seele jagt und sucht – immerfort, zu ihrem Ende im Anfang. 

 

(Wieder-Holung; Herbst 2018)

 

 

 

 

 

Beati pauperes spiritu (....)

 

 

 

 

 

Wüstenleer…ein Lager, einst war es meines, jetzt: keines. Es fehlen die schärferen Züge, Konturen lösen sich. Freiheit war…. Im kruden Gewand. Es ist ein: Ablegen (ein Fund, gülden).

 

Sprung…

 

„Wie sich die Zeit verzweigt – das weiß die Welt nicht mehr…“ (Celan); langsamer wird es, ist es, ein Rückschritt, die Beine: bleiern schwer; die Welt rast – es weiß die Welt nicht mehr – wo sind noch bleierne Beine? Welt rast logisch und stets ohne lógos. „Stille – Vergenfettel…“ (Celan); innere Armut: wann – es ist ein stillstes: Wann?: wann spricht Dich das Wort an? – in principio. Und Verstehen? – ein Gleichen, ein Gleichnis. Am Feldberg,  unweit, auch: die Entsprechung zum Sein des Seienden. Der wollte nichts, der wusste nichts, der hatte nichts: 1929: Die Antrittsvorlesung: Was ist Metaphysik? Verstehen ist auch ein Können, ein: Ich kann es verstehen. Eindringlicher gesagt: Verstehen ist das Können der Auf-Gabe! Der Brunnen – mit dem Sternwürfel drauf: August 2016. Das Nichts nichtet – wer sollte das auch mit der hergebrachten Logik verstehen? Dann der große Rückzug – er wäre so und „so“ gekommen. Heißt: Ob einer versteht, liegt nicht an mir, an dir – an uns – es ist ein Geschick der Entäußerung. Wüstenleer…: ging das Begehren zu Grunde, ging das Wollen zu Grunde. Und Einer suchte die Brechung, … als Ich noch nicht war – vorseiendes Sein, Sein bevor… Als Ich nicht war, war es Ein-Sein. Der Eigenwille: getilgt, das Begehren: getilgt. Oh …., Ich weiß nichts.

 

 

[…]

 

 

Arm in der äußersten, eigentlichsten Armut; der Mensch: ein Gott-Erleider; ist die äußerste Armut: allhier das Wiedererlangen des „ewigen Seins“; heißt: jenseits der Zeitlichkeit. Gott? Ein Ursprung aller Kreatur - nicht aber Gott "als"Gott; hieße: ein Nicht-Gott. Gott ein: Nicht-Gott: ein Eins, ein Namenloses.

 

Ursache meiner selbst meinem: Sein nach – das ewig „ist“. Dass Ich geworden bin – das Werden meiner – „zeitlich“ – sterblich – vergänglich.

 

Es „ist ewig“ dieses „Etwas“ in mir – unberührbar von aller Zeitlichkeit. Ich bin daher nicht nur geboren, sondern „ungeboren geboren“ – im Werden, in der Geburt, zugleich ungeboren, zugleich ein Nicht-Werden, ein „Sein“ (Ewigkeit). Nach dieser Weise meiner Seins-Ungeborenheit kann ich auch niemals „sterben“: die Wirklichkeit des Geistes.

 

Wäre ich nicht geworden – so wäre auch Gott nicht: dann wäre: Sein in Gott – und ein „Eins“.

 

„Dies zu wissen ist nicht nötig“ (32 und dtv 52). Die Auf-Gabe ist ein Durch-Brechen. Was heißt hier Sein? Es war einmal ein Anklang, jetzt wieder. Das „ist“, das Sein: die Auf-Gabe, der Durch-Bruch. Was spricht die Sprache an diesem Ort, dieser aufgegebenen Stätte? Nicht mehr über…. – die Sprache spricht in die Stille, in der Stille und aus der Stille. Was spricht die Sprache? Die Sprache ruht, versagt sich, schweigt. Die Sprache ruft aus der Stille in die Stille. Was verlautet die Sprache? Nichts! Das Bild-Verbot: letzte Vorboten die Dichter aus der Stille; die Härte des Ungehörten: ein Zwischenruf. Und die Rückkehr? – eine, meine, keine: Kehre aus der Stille – Auf-Gabe in: Eins. Eins: mit dem Geiste – äußerste Armut! Er-Innerung an ein Wort: nec nec; et et! – aut aut, dieses und dann – wie, der Umgang? Einige Fragen, auch diese sind Stätte, ein Anhangen daran, eine Klammerung. Verstehen, liest man, versteht man: ein hermeneuein. Und das Verstehen als: Empfangen können? Das wäre das Verstehen als: Gleichung: x = y!

 

Dann der Punkt! – die wahrere Geschichte, die keine Geschichte hat.

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© Thomas Buchhas